TS75/15: Nuhr geklaut + Michael Feindler + Hitzesatire + Schäbiger Judenvergleich + Zielvorgabe

+++ Dieter Nuhr provoziert mit geklautem Griechenland-„Witz“
Er habe (mit seiner Provokation) genau das erreicht, was er wollte, kommentiert die Huffington Post zu den Reaktionen auf einen Tweet von Dieter Nuhr zum Plebiszit der Griechen. Der Provo-Tweet des umstrittenen Komikers: „Meine Familie hat demokratisch abgestimmt: Der Hauskredit wird nicht zurückgezahlt. Ein Sieg des Volkswillens.“  Das dazugehörige Posting auf Nuhrs Facebook-Account erhält innerhalb von knapp 48 Stunden über 130.000 Likes und wird knapp 24.000 mal geteilt.  Knapp 3.000 User haben es kommentiert.  Die Fürsorge einiger Poster dabei ist nachgerade anrührend. Verzweifelt versuchen sie, Dieter Nuhr Fakten anzudienen … Nicht zuletzt die Tatsache, dass es bei dem Volksentscheid nicht darum ging, die Schulden nicht zurückzuzahlen! Ein Poster meint: „Falls Herr Nuhr irgendwann mal unter den vielen Geldbündeln der Gagen seine Ideale wiederfindet und sich überlegt, warum er mal Kabarettist geworden ist, wird er sich hoffentlich für diesen unqualifizierten und dummen Witz auf Bildzeitungsebene schämen…einfach armselig oder komplett ahnungslos…“ (Quelle). 

Jan Böhmermann retweetet: „Wie bist denn nu(h)r wieder auf diese herrlich verquere, humanistisch angehauchte Pointe gekommen, Dieter?“ (Quelle).  Darauf retweetet eine Posterin die Quelle, wo Nuhr den Spruch abgekupfert haben soll! Auch der Tagesspiegel greift den Vorgang auf. Das meinte mutmaßlich die HuffPo? Nuhr im Gespräch, nur über billige Provokation!


+++ Michael Feindlers Monatsgedicht mit  Infos zu Griechenland
Bei dem Jungkabarettisten Michael Feindler kann der Interessierte per kostenlosen Newsletter das „Gedicht des Monats“ abonnieren. Feindler hat sich für seine Kunst der anspruchsvollen (und gelegentlich auch anstrengenden) lyrischen Form verschrieben. Die firmiert unter dem Label „Kabarett nach Versmaß“. Das ist nicht jedermanns Sache, muss es aber auch nicht sein. Weil wegen Kunst.
Der Newsletter zum Gedicht des Monats Juni/Juli 2015 weist eine angenehme Neuerung auf: Im Begleit- und Erklärschreiben an die „hitzebeständige Leserschaft“ verlinkt Feindler eine ganze Reihe von Informationsquellen: Panorama-Beitrag Ach, Griechenland vom 02.07.15; Zeit online 03.07.15 Herdentrieb: Der IWF sagt die Wahrheit, aber zu spät, Tagesanzeiger 02.07.15: Die gefährlichste Idee Europas, taz 30.06.15: Rotzfrech gelogen; Der Freitag 01.07.15: Politik wird durch Zwang ersetzt.  Damit macht er transparent, auf welche Quellen  er sich mit seiner Meinungsbildung bezieht und wird politisch einschätzbar. Zeitgleich erbringt er damit eine journalistische Kuratierungsleistung. Der besondere Witz an der Sache: Feindler ist (überzeugter!) Denkfunk-Autor, leistet mit seinem Newsletter aber genau das, was bei Denkfunk fehlt (siehe SaSe-Kritik in SaSe17 ab der Zwischenüberschrift: „Denklfunk-Servie im Konjunktiv“!).


+++ "Wuppertaler Rundschau" mit einer Satire zur Hitze
Roderich Trapp biegt das Satireformat in konkrete Alltagshilfe mit aktuellem Wetterbezug und Gesundheitstipps. Ausgehend von der Liedzeile „36 Grad, kein Ventilator, das Leben kommt mir gar nicht hart vor…“ der Band 2raumwohnung muss er feststellen: Selbst mit Ventilator käme es ihm bei 36 Grad in der Redaktion verdammt hart vor und die Suche nach Lustigem besonders schwierig. Alle zwei Sätze muss er trinken und gemahnt damit die Leser an den obersten Überlebensgrundsatz dieser Tage.  Zu der Hitze allerdings bestehe ein konkurrierendes Grauen – besonders  in Talkshows mit Sarah Wagenknecht:Ich vermute sowieso schon seit geraumer Zeit, dass das ebenhölzerne Top-Model des Antikapitalismus in der Standardsitzposition mit den übereinander geschlagenen Beinen täglich von einem Kran angehoben und in das nächste Fernsehstudio platziert wird“ (Quelle). Nach einigen mitprotokollierten weiteren Schluck Wasser spießt er noch regionale Meldungen auf, bevor der unter Folterbedingungen geschmiedete satirische Kommentar mit der konsensfähigen Feststellung schließt, das Leben sei hart!
Das "ebenhölzerne Top-Model des Antikapitalismus“ kommt ins SaSe-Perlen-Buch!


+++ Matthias Matuschik vergleicht Raucher mit Juden
Und keiner regt sich auf, regt sich die Süddeutsche auf! Worüber sich außer der Süddeutschen keiner aufregt? Über einen haarsträubenden Vergleich zwischen der Judenverfolgung und der gesellschaftlichen Ausgrenzung von Rauchern im Programm des Moderators und Künstlers Matthias Matuschik (Wiki), der auch mit „Kabarett und Comedy“ unterwegs ist (YouTube-Video). In seinem Kabarettprogramm „HeiligeScheiße“ bezeichnet er die für Raucher vorgesehenen abgezirkelten Aufenthaltsplätze vor Restaurants im Freien als „Judenkarree“. Auf den Judenvergleich angesprochen verweist er darauf, diesen „Gag“ schon über 100-mal gespielt zu haben, ohne dass das Publikum Einspruch erhoben hätte. Die Süddeutsche kommentiert lakonisch: „Manche meinen eben, Satire dürfe alles – und alles sei Satire“.
Senf: Genau da liegt das Problem: beim Publikum! Besonders im Kabarett kann man gelegentlich nur staunen, was sich dieses von einem Kabarettisten alles gefallen lässt (hier!) und findet darin einen Erklärungsansatz für die herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse.


+++ Georg Schramm zu Atomenergie, Finanzkrise und Grexit
Der Altmeister, um immer wieder daran zu gemahnen, was Kabarett leisten KANN!!!


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