SaSe47: „Deutsche Salongutmenschen Union“: Dieter Nuhr wird von rechts geleimt und die Presse applaudiert!

Trotz umfassender Berichterstattung über den neuen Ärger rund um Dieter Nuhr war es nicht ganz einfach, den Hergang der Geschichte korrekt und mit den notwendigen Quellen versehen zu recherchieren. Danke an dieser Stelle an den stern, der als einziger eine mit Quellen versehene und damit nachvollziehbare Berichterstattung geliefert hat.

Das neue tolle Stück rund um den ohnehin umstrittenen Komiker hier Schritt für Schritt


Absage Auftrittstermin Dieter Nuhr in Gelsenkirchen

Angefangen hatte alles mit der Absage eines Auftrittstermins von Dieter Nuhr am 2. Oktober in der Escher-Lippe-Halle in Gelsenkirchen. Die Vorstellung muss ausfallen, weil das Gebäude als Asylunterkunft genutzt wird (Berichterstattung Der Westen).

Diese Absage hatte der Komiker Dieter Nuhr auch auf Facebook und ohne weitergehende Kommentierung bekannt gegeben. Das ist völlig okay und ihm nicht vorzuwerfen. Schließlich will er seine Fans informieren.

Aber schon war das Kind im Brunnen. Auf dem Facebook-Account Nuhrs entspann sich eine mehr als hitzige Diskussion (bisher über 700 Kommentare, 2.789 Gefällt-mir,412 geteilte Inhalte für diesen Thread), im Verlaufe derer ihm auch Rassismus vorgeworfen wurde.


Vorsicht: „Satire“ von rechts!
Am Ende meiner Recherchen komme ich zu dem Ergebnis, dass Dieter Nuhr auf eine Form der „Satire“ hereingefallen ist, die bisher kaum verbreitet und deren Existenz einigen vielleicht gar nicht geläufig sein könnte: „Satire“ von rechts! Das ist natürlich ein Widerspruch in sich selbst, weshalb die Gattungsbezeichnung in Anführungszeichen gesetzt wird. Übrigens gibt es sogar einen eigenen „Satireblog“ für Querfrontler und Wahnwichtel: Spülgel an der Lein.
Auch wenn SaSe wahrhaftig kein Fan von Dieter Nuhr ist und in vielen Kritiken und Satire-über-Satire-Beiträgen (SüS) daraus keinen Hehl gemacht hat (SaSe12, SüS3, SaSe19, SaSe20, SaSe25, SaSe31, SüS7), empfinde ich die jetzt über Dieter Nuhr von vielen Medien ausgeschüttete Häme unter der Überschrift „Nuhr ist auf Satire reingefallen“ nicht fair. Zum einen ist die hier vorliegende „Satire“ tatsächlich kaum als Satire zu erkennen; nicht umsonst haben diese ganz speziellen „Satiriker“ erst nachträglich einen Hinweis auf ihrem Facebook-Account angebracht, der auf „Satire“ verweist.

Hier das Posting des Anstoßes, das ursprünglich auf Nuhrs FB-Seite von der Deutsche Salongutmenschen Union veröffentlicht wurde:

Sehr geehrter Herr Nuhr,
nachdem Sie bereits mit ihrer [sic!] islamophoben Hetze bei ihren [sic!] Kabarett-Auftritten negativ auffielen und damit in braunen Gewässern zu fischen versuchten, legen sie [sic!] nun einen drauf und betreiben mit dieser Meldung Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. Dabei übernehmen sie [sic!] die bei PEGIDA und anderen braunen Gruppen gehegte und gepflegte Opferhaltung, nach der Sie [Treffer!] oder Ihre [noch ’nen Treffer!] Zuschauer durch die kunterbunte Bereicherung, die uns durch die armen, traumatisierten Flüchtlinge zuteil wird [sic!], irgendwelche herbeifantasierten Nachteile erleiden müssten. Natürlich müssen Sie und Ihre Fans auf ihren [Treffer-Serie vorbei!] Auftritt in Gelsenkirchen verzichten, aber hier sollten Ihre [Dopamineinschuss unbekannter Genese] Fans bedenken, dass der Besuch einer kabarettistischen Veranstaltung in dieser Welt keine Selbstverständlichkeit und vor allem ein Privileg der wohlhabenden Industrieländer ist. Daraus folgt, dass Kabarettveranstaltungen die Folge westlichen Wohlstands ist [sic!], somit auch Ihre [vermutlich Hilfe von Dritten?] Auftritte nur dank der kapitalistischer [sic!] und postkolonialer [sic!] Ausbeutung der dritten Welt [sic!] möglich sind.
Die Transformation dieses Landes zu einer multikulturellen, bunten und vielfältigen Gesellschaft ist nicht einfach und nunmal [sic!] mit Einbußen für die weiße, [sic!] privilegierte Schicht verbunden. Das beinhaltet auch, dass weniger Kabarettveranstaltungen stattfinden können. Seien Sie sich dessen bewusst und nehmen Sie die Realitäten hin, anstatt Ihre Fans gegen Flüchtlinge aufzuhetzen und ihnen die Alleinschuld an der Absage Ihrer Veranstaltung zu geben.
Hochachtungsvoll

Deutsche Salongutmenschen Union
(Posting zitiert nach Facebook Deutsche Salongutmenschen Union, Thread vom 16.09.15)

Auf dem Facebook-Account von Dieter Nuhr kann zumindest ich dieses Posting nicht mehr finden; es wurde mutmaßlich gelöscht.

Gut, man könnte Nuhr vorwerfen, dass ihm die gehäuften und damit Herkunft anzeigenden Rechtschreib- und Grammatikfehler des Postings nicht aufgefallen sind (Betonung liegt auf „gehäuften“; Rechtschreibfehler gibt es auf SaSe auch). Auch einzelne Wendungen besitzen durchaus Signalcharakter: „kunterbunte Bereicherung“, „arme traumatisierte Flüchtlinge“, „Transformation dieses Landes“ etc.  Allerdings: Bei der überbordenden Fülle von Kommentaren ist es vermutlich überzogen, die sorgfältige und kritische Rezeption der einzelnen Beiträge zu fordern.


Nuhr empört sich (= Fehler!)

Daraufhin eröffnet Dieter Nuhr, der offensichtlich Facebook immer noch nicht begreift und seine Konsequenzen daraus zieht, einen neuen Thread am 15. September 2015, der bis jetzt [Redaktionsschluss dieses Artikels am 17.09.15] sage und schreibe 47.851 Gefällt-mir-Angaben, 3.117 Kommentare und 2027 geteilte Inhalte aufweist.

Den Irren, die mir Rassismus unterstellen, weil ich darauf hingewiesen habe, dass mein Auftritt in GE ausfällt, sei gesagt: ich habe nur darauf hingewiesen, dass mein Auftritt ausfällt. Es handelt sich dabei um eine Tatsache. Ich wusste, dass sich hier viele Bekloppte rumtreiben, aber dass man eine Auftrittsabsage zum Rassismusvorwurf missbrauchen kann, war mir neu. Wie krank sind eigentlich manche im Kopf…
(Facebook Dieter Nuhr, Thread vom 17.09.15)


Medien: Häme für Nuhr und Bestätigung für die Rechten

Interessant ist, was nun geschieht: Die Medien fallen relativ einstimmig über Nuhr her – ohne diese ominöse Satireseite näher zu betrachten. Damit spielen sie den Rechten in die Hände, die sich immerhin damit brüsten können, den prominenten Komiker Dieter Nuhr geleimt zu haben:
+ Huffington Post 16.09.15: Dieter Nuhr wütend über Satirekommentar
+
Focus online 16.09.15: “Sie sind ja völlig durchgeknallt”: Komiker Dieter Nuhr fällt auf Satireseite rein
+
n-tv: Dieter Nuhr fällt auf Satire rein: „Wie krank sind eigentlich manche …“
+
Der Westen 16.09.15: Absage wegen Flüchtlinge – Dieter Nuhr fällt auf Satire rein
+
Gala 16.09.15: Dieter Nuhr: Verstehen Sie Spaß?


Haben sich die „Qualitätsjournalisten“ diese „Satire“ einmal angesehen?

Noch einmal: SaSe und ich sind immer gern dabei, wenn es darum geht, Dieter Nuhr berechtigt eins aufs Mützchen zu geben. Das hat SaSe bisher umfassend bewiesen. Was jedoch hier passiert, ist nicht nur höchst unfair, sondern auch politisch fatal und sendet das Signal in die falsche Richtung.

Zugegeben: Man muss den Facebook-Account Deutsche Salongutmenschen Union schon etwas genauer ansehen, um zu erkennen, aus welcher üblen politischen Richtung hier „Satire“ weht. Dann allerdings besteht kein Zweifel mehr: es ist „Satire“ von und für rechts! Einen ersten Aufschluss gibt dieses Posting

Richtigerweise weist das Schreiben auf unsere ewige, nie wieder gutzumachende Schuld am Holocaust hin, die uns historisch dazu verpflichtet, alle Menschen dieser Welt aufzunehmen. Dies kann einfach nicht oft genug betont werden, wenn es darum geht, unseren schier endlosen Wohlstand mit Menschen aus aller Welt zu teilen. Wir schwimmen nämlich im Geld, und es ist rassistisch und unsolidarisch, dieses Geld nicht mit anderen zu teilen.
Auch die Anleitung zu einem kultursensiblen Verhalten gegenüber unseren stark bereichernden Mitmenschen aus unzähligen Kriegsgebieten ist vorbildlich geschrieben. Westlich sozialisierte Frauen sind selbstbewusst, emanzipiert und gebildet genug, um Verständnis dafür zu haben, dass sie sich nach dem Gusto der männlichen Flüchtlinge zu kleiden und ihre Haare zu verhüllen haben. Dies beugt den leider nicht selten vorkommenden kulturellen Missverständnissen vor, auch wenn wir hierbei nicht oft genug betonen können, dass die Diskriminierung und Ausgrenzung von Flüchtlingen in der Gesellschaft und die Hetze von AfD und Pegida Schuld daran sind.
(Facebook Deutsche Salongutmenschen Union; Hervorheb. SaSe)

Weitere Häppchen gefällig?

wie Euch bereits bekannt ist, haben Neonazis das Recht der Informationsfreiheit schamlos missbraucht und eine Karte aller Flüchtlingsheime in Deutschland auf Google Maps erstellt. Es versteht sich von selbst, dass wir diese Tat auf schärfste verurteilen. Denn die Offenlegung von Sachverhalten durch Nazis ist keine Information, sondern ein Verbrechen. Informationsfreiheit ist ein zu hohes Gut, um sie Nazis einzugestehen – genauso wie etliche weitere Menschenrechte. Wir wollen schließlich nicht, dass unser Rechtsstaat sich in ein neues 3. Reich verwandelt, oder?
(ibid.; Posting/Thread vom 18.07.2015)

Soll heißen: Nazis würden Grund- und Menschenrechte aberkannt. Bullshit!

Oder nehmen wir dieses:

Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Facebook Deutsche Salongutmenschen Union

Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Facebook Deutsche Salongutmenschen Union

Und zum Abschluss noch dieses

Liebe Freund*innen der Deutschen Salongutmenschen Union,
die Stadt Görlitz hat zahlreichen Studierenden den Mietvertrag im Studierendenheim gekündigt, um ein Zeichen für die Weltoffenheit, Toleranz und Multikulturalität auch im sonst von Nazis und PEGIDA-Rassisten verseuchten Sachsen zu setzen. Demnächst wird die Stadt Görlitz wieder ein Stück weit bunter und vielfältiger durch die zahlreichen Flüchtlinge, die nun die ehemaligen Domizile der Studierenden beziehen werden.
[…]
Das Beispiel Görlitz sollte nun Schule machen, und wir rufen weitere Studierendenwerke und öffentliche Körper*innenschaften dazu auf, die Räumlichkeiten von Studierendenheimen denjenigen zur Verfügung zu stellen, die sie WIRKLICH brauchen. Da diese Institutionen meist von Menschen geleitet werden, die links und somit gebildet sind, werden sie sich auch unserem Anliegen mit Freuden anschließen. Es versteht sich aber auch von selbst, dass die betroffenen Studierenden mit einem Lächeln im Gesicht sich in die Obdachlosigkeit begeben sollen – schließlich tun sie das für eine gute Sache. Die Studierenden müssen sich vor Augen halten, dass wer bei dieser vor Humanismus und Fortschrittlichkeit nur so strotzenden Aktion unter dem Motto „Fürs Examen kann man auch unter der Brücke lernen“ nicht mitmacht, rassistische Ressentiments schürt und in braune Gefilde begibt. In Einzelfällen sollte auch eine Exmatrikulation der betroffenen Studierenden geprüft werden, sollte es ihrerseits zu Widerständen kommen, da wir es nicht zulassen können, dass braunes Gedankengut sich in universitären Gefilden breitmachen kann.
(Facebook Deutsche Salongutmenschen Union, Thread vom 04.06.2015)


Der Zeitpunkt würde passen! Nuhrs klare Kante gegen Nazis
Jetzt ärgere ich mich sehr , dass ich nicht zu einer TV-Kritik der letzten Nuhr im Ersten-Sendung am 10. September 2015 (Mediathek) gekommen bin. In der liegt möglicherweise der Schlüssel zu dieser überraschenden Attacke von rechts gegen Dieter Nuhr.  Darin hatte er sich nämlich mehrfach und unmissverständlich gegen Nazis ausgesprochen. Und das in einer Deutlichkeit, wie sie zumindest mir bisher in den Botschaften Nuhrs nicht begegnet ist.
Bei solchen zeitlichen Abläufen glaube ich inzwischen nicht mehr an Zufälle!


Senf
gegen meinen Strich!

Sorry, Leute, auch wenn ich mir hier einige SaSe-Leser vergraule, die sich mit meinen Nuhr-Kritiken amüsiert haben. Die inhaltliche Auseinandersetzungen mit den kabarettistischen und sonstigen Äußerungen von Dieter Nuhr stehen auf dem einen Blatt; aber Presseapplaus für klar rechts(extremistische) Pseudo-Satire steht auf einem anderen! Die Causa „Absage Auftritt Dieter Nuhr in Gelsenkirchen“ dürfen die Rechten auf ihrem Konto verbuchen – mit Hilfe von Huffington Post, Focus online, n-tv, Der Westen, Gala u. v. a. m.

SaSe pickt sich einen anderen Kritikpunkt heraus: Es bleibt mir völlig unverständlich, warum Dieter Nuhr nach den Erfahrungen dieses Sommers nicht endlich einsieht, dass er sich mit seinem Facebook-Account nur selbst schadet!

Ganz abgesehen davon, dass der Unterhalt von Facebook-Accounts durch Kabarettisten nach diesem Statement der souveränen Christin Prayon grundsätzlich ein massives Glaubwürdigkeitsproblem darstellt!

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