SaSe51: TV-Kritik „Nuhr im Ersten“ 01.10.15: Nuhrgute Regierungsparaphrasen

The Day after …. Nuhr im Ersten am 1. Oktober 2015: Sie kriegen allmählich Angst? Nein, Sie müssen keine Sorge haben, auch wenn Ihnen gestern Abend ins Wohnzimmer gesendet wurde, dass jetzt sogar das Kabarett die Realität verweigert: „Wir schaffen das!“ Hören Sie die frohe Botschaft von ARD-Satire und Dieter Nuhr: Alles ist gut. Besser noch: nuhrgut! UNSER Wasser ist doch sauber! Global handeln, lokal genießen! Man(n) muss zu seinem Zynismus auch stehen (können).

Ist Ihnen das auch aufgefallen? Der nahezu frenetische, fast schon kampfbereite Begrüßungsbeifall zu Beginn der Sendung? Die vom selbstreferentiellen Laudator kaum zu stoppende Volksbegeisterung? Wessen Arm da wohl geklatscht hat? Es wird doch nicht der des Rottweiler Weblog gewesen sein?

Zur Sendung insgesamt wenden Sie ein: „Aber wenn doch jetzt schon die Sterne lügen?“ Nein, nein, das haben Sie falsch verstanden. Nicht: die Sterne. Der. Schauen Sie in den Himmel: Milliarden. Da kommt es auf den einen mit Nu(h)r-Referenz nicht an!


Das kabarettistische Gnadenbrot für Ingo Appelt
Wollen wir nicht alle (nur) das Positive sehen? Kontemplieren wir einmal über die gelebte Empathie des früheren ARD Satiregipfels, einem uralten und ausgemusterten Pfui-Teufel-Komiker wie Ingo Appelt stur das kabarettistische Gnadenbrot zu gewähren. Sendung für Sendung. Keiner will ihn mehr haben. Zu nichts zu gebrauchen. Abgeschoben. Ausgemustert. Nur der ebenfalls ausgemusterte ARD-„Satiregipfel“ hat ein Herz. Nur Herz. Nuhr-Herz. Von Hirn war ja nicht die Rede. Passend zur „Willkommenskultur“ die nahezu stoische Abschiedskultur. Wieder und wieder darf dieser heruntergewirtschaftete müde Gaul vors Publikum, der artikulatorisch jetzt auch noch anfängt zu rugen.

Global ausbeuten, lokal und öffentlich-rechtlich wohltätern! Uns geht’s nuhrgut!


Saturierte Männerbünde
Sehen Sie die treuen Männerbünde? Nuhr & Appelt & Sträter? DAS ist Kontinuität, Stabilität, Saturation. Darauf ein Bäuerchen.
Was, schon wieder Einwände? Andreas Rebers war nicht da? Aber der ist doch IN seine Kunst gegangen! Damit gibt er uns allen ein tröstliches Vorbild und zeigt den letzten (1) offenen Weg: Biedermeier! Die Flucht ins Idyll (sauberes Wasser – wenigstens bei uns), ins Private („Uns geht‘s ja noch gold“), in die künstlerische Selbstversenkung. Ich bin sicher, Rebers geht’s gut. Nuhrgut!

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Störfaktor intelligentes Kabarett
Aber natürlich gab es wieder einen Störenfried in dieser nahezu wollüstig selbstzufriedenen, dieser dem westeuropäisch privilegierten Hedonismus huldigenden Männerrunde gegenseitigen Schulterklopfens: Johann König. Sein Sakrileg: Relevanz! Waschechte Satire. Also: Kabarett. Ogottogottogott! Pointierte, brisante, kluge, konstruktive und zu allem auch noch wirklich lustige Betrachtungen des Nazis als gesellschaftlicher Problembär und des psycho-sozial geankerten sprachtherapeutischen Umgangs mit diesem. Ein intelligentes Verdikt gegen den kabarettistischen Populismus oder den seiner Comedy-Derivate. Gibt es also doch noch einen anderen Weg des Umgangs mit den Herausforderungen der Zeit? Obwohl unser (!) Wasser sauber ist? Hauptsache unser? Nuhr unser?


Kabarettpreise lügen nicht!
Gerade als Sie ins Nachdenken abdriften wollten, gell, da kam der Mann mit den drei Armen und dem einen Bein. Oder doch erst Frank Fischer? Who the fuck is … ? Das ist der Mann ganz tief unten unter den vielen vielen Kabarett-Preisen! Die haben auch eine wichtige Aufgabe: Wenn Sie bei einem KabarettistEN (INNEN kommen sowieso kaum vor) persönlich den Eindruck haben, ooch, das ist nichts Substanzielles/Neues/Herausragendes/Bemerkenswertes, dann belehren Sie Kabarettpreisberge eines Besseren.
Richtig gefährlich und systemkritikrelevant sind nur politische Kabarettisten (und vor allem: INNEN) mit ohne oder kaum, auf jeden Fall aber viel weniger Preisen.


Regierungssprecher reicht die Brötchen zum Wasser
Weniger „Gast“ als Stamminventar war auch wieder Regierungssprecher Torsten Sträter, der einfach nur eine weitere Variation des Grundtenors „Uns geht’s ja noch gold“-Nuhrgut-Gesülzes darreichte. Im Zentrum seiner Selbstherrlichkeit bräsig zurückgelehnt sitzend, paraphrasierte er die übliche Beschwichtigung der Mächtigen im Angesicht der Katastrophe, die zentrale Botschaft ans Volk: Ruhe bewahren! Eine Strategie mit kapitalistischem Benefit: Wer nur lange genug die Ruhe bewahrt, der verfügt am Ende nicht nur fast allein auf der Welt über (sauberes) Wasser, nein, der nimmt allen anderen auch noch die Brötchen weg!
Zu lernen: Heutzutage kommt nicht einmal mehr das Zuckerbrot ehrlich daher, sondern in der Camouflage des unbelegten Brötchens.


Neues Inventar im anatomischen Gruselkabinett
Richtig fertig gemacht hat mich der Mann mit den drei Armen und dem einen Bein. Ich komme nicht drüber weg: eine Allegorie der Satire? Satire ohne witzig? Prust. Das ist ja wie Himmel ohne Lügenstern. Muss uns Nuhrs Mond– & Stern(e)-Sucht Sorgen machen? Wenn schon sonst nichts? Gar nichts. Überhaupt nichts. Nuhr nichts.

Nerven kann man zählen wie Tassen im Schrank. Und wenn Satire nicht witzig ist, dann hat ein Mann drei Arme. Aber nur ein Bein. Und wenn Sie jetzt alle Nerven, Arme, Beine, Brötchen und den einen Stern in diesem wirren GEZ-finanzierten Gestammel von gestern Abend zusammenzählen, kommt raus: „Uns geht’s ja noch gold!“ Regierungsparaphrasen.


Endsieg-Parolen vor Trümmerlandschaft
In welcher Welt leben wir eigentlich? (Trotz UNSERES sauberen Wassers.) Hasen ohne Ohr. Küken mit zwei. Antisemitismusverdächtige mit Honig im Kopf. Warum muss dieses anatomische Gruselkabinett jetzt von Dieter Nuhr auch noch mit Dreiarmmännern im Einbeinleben, aber im Vollbesitz aller Nerven (you know: Nerv 1, Nerv 2 etc.) inventarisiert werden?

Sie müssen keine Fragen stellen! Falsch: Sie SOLLEN keine Fragen stellen: „Wir schaffen das!“ Uns geht’s noch gold. Nuhrgut!


Sendung verpasst? Glück gehabt!
Wer die Sendung verpasst hat, kriegt zu sauberem Wasser und seinen knapp 400 Brötchen auch noch Schwein! Der Glückspilz kann sich das Nuhr im Ersten sparen und stattdessen zielführender dies angucken:

Oder bei weniger Zeit als Zusammenfassung:

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