SaSe63: Mittermeier, Ceylan, Barth: Über Xavier Naidoos Holzweg auf die PI-Liste

Eine Themeneinführung zu „Nominierung und Denominierung von Xavier Naidoo für den Eurovison Song Contest (ESC)“ kann ich mir vermutlich sparen? Das Internet und die Holzmedien sind voll davon. Einen Überblick über die Reaktionen auf die Naidoo-Nominierung (der ARD) gab Meedia. Eine zu diesem Blog themenkonforme Bewertung auch bei: Süddeutsche.

Den Künstler und „Klötenquetscher“ an sich hatte der Eulenspiegel schon im Dezember 2014 abschließend bewertet.

Für diesen Blog interessant wird der Skandal an der Stelle, wo Kabarettisten und Komiker dem Künstler beispringen. Die scheinen sich nicht daran zu stören, dass die Kritik an dem Kollegen mit zahlreichen Auftritten Naidoos, Zitaten und Songtexten umfassend belegt ist. Siehe dazu auch den Faden auf Friedensdemowatch mit belegenden Textauszügen und dieser Beitrag von Patrick Gensing bei Panorama.

Nach erfolgter De-Nominierung resümieren und kommentieren: Spiegel online + Focus + BILD + Welt. Russland-Propaganda-Medien bezeichnen den artikulierten Protest an der Nominierung als „Meinungsterror“ der „Gesinnungswächter“.


Als da wäre: Michael Mittermeier
Imposant mutig (*räusper*) mit melodramatischer Attitüde zeigt sich der Kabarettist Michael Mittermeier, der Xavier Naidoo, seinem „Freund und Herzensbruder“ (!), auf Facebook zur Seite springt:

Und noch eines: was Ihr da draußen meinem Freund und Herzensbruder Xavier antut, das tut Ihr auch mir an! Es ist unglaublich mit welcher Hetze Xavier durch die Presse getrieben wird, weil er nun für uns beim ESC antreten soll. Viele Journalisten sollten sich schämen, in Dauerschleife ein paar Zitate abzuschreiben (wow, immerhin 5) – einfach willkürlich aus verschiedenen Jahren und jeweils aus jeglichem Zusammenhang gerissen. Das ist wirklich die billigste Form von widerlicher Meinungsmache. Homophobie, Rassismus und Rechtsextremismus – Ihr ward wohl noch nie auf einem Söhne Mannheims Konzert?
Klein denkend Deutschland versinkt im Hass, das macht mich traurig… DIESER Weg wird kein leichter sein…
(Facebook Michael Mittermeier Thread 20.11.15; Hervorhebg. SaSe)

Wie heutzutage viele Kabarettisten ag(it)iert Michael Mittermeier aus dem privilegierten Raum ethischer Vorzüglichkeit heraus, verlässt für diese so wichtige Angelegenheit selbstverständlich (wie heutzutage so viele Kabarettisten) den satirischen Raum und hechtet in die schiere Melodramatik:

Lasst die Kirche im Dorf und unsere beste Stimme singen. Ihr müsst ihn nicht mögen, aber Ihr habt auch nicht das Recht ihn zu hassen, wenn Ihr ihn nicht wirklich kennt… Wir stehen für Liebe, Menschen und Toleranz, für was steht Ihr?
(ibid.)

Damit ist allen Kritikern die Maske vom Gesicht gerissen. Sie stehen für Hass, Unmenschlichkeit und Intoleranz. Für die Philosophen relativ neu dürfte die These sein, dass es eines Rechts bedarf zu hassen bzw. es ein Recht darauf überhaupt gibt.

Der FB-Account Aluhut für Ken greift diese Schützenhilfe Mittermeiers für das singende Navi auf:

Seit dem 20.11.15 wissen wir, dass Michael Mittermeier den Unterschied [den zwischen Rassismus und Antisemitismus – Anmerkg. SaSe] nicht kennt. Seine Kollegen Rea Garvey und Sasha stellen sich mit ihm in die Reihe der Relativierer.
Mittermeier, der sich in München gegen die strukturell antisemitische und rassistische PEGIDA engagiert, nimmt Stellung zu der Kritik an der Nominierung von Naidoo für den ESC 2016. [1]
Die Stellungnahme hätte auf jeder völkischen “Mahnwache für den Frieden“ verlesen werden können. Relativierend ,voller Emotionen und Demagogie. Unter anderem schreibt Mittermeier:
(Facebook Aluthut für Ken 21.11.15: „#‎ESC2016 ‪#‎antisemitismus ‪#‎mitrechtsgegenrechts ‪#‎homophobie)

Naidoos Herzensbrüder wie Michael Mittermeier haben vermutlich auch kein Problem mit der Tatsache, dass der Rechtspopulist und Verschwörungstheoretiker Jürgen Elsässer die Naidoo-Nominierung für den ESC schon einen Tag vor Michels Solidaritätsbekundung gefeiert hatte.

Der Vorgang führt erfreulicherweise dazu, dass sich Aluhut für Ken etwas eingehender mit Mittermeier-Texten beschäftigt.  Göttlicher User-Kommentar dort: „Jetzt muss nur noch Nuhr abdeutschen, dann wäre die Riege der bekloppten Entertainment-Zombies komplett“ (Quelle). Treffer! Denn Mittermeier tritt ja gern auch beim „verlängerten Arm der Pegida“ auf.


Als da wären: Bülent Ceylan und Mario Bath
Okay, Mario Barth fällt nicht wirklich ins Gewicht. Der Mann ist so dermaßen unaussprechlich, dass er kein Thema auf SaSe sein kann. Aber für die SaSe-Politically-Incorrect-Liste für Satire & Kabarett nehme ich ihn gern mit auf.

Schon Barths Empörungsposting ist in Handkehrum zu widerlegen, denn die Kritik an Xavier Naidoo stützt sich eben gerade nicht auf Mutmaßungen und Gerede, sondern legt lange Listen von belegten Zitaten und Songtexten vor. Womit der Dieter Bohlen der Comedy allerdings Recht hat: Die ARD hätte vorher nachdenken (und recherchieren) sollen!

Auch der vorwiegend RTL-Publikum zur Raserei bringende Bülent Ceylan ist nicht wirklich ein Verlust im Lager jener, die andere mit ungewohnten Sichtweisen und Überspitzungen zur Überprüfung ihrer Ressentiments ermutigen. Als Komiker ist Ceylan deren Lieferant. Schön, dass seine Ehrenerklärung für einen Unehrenhaften nicht unregistriert bleibt (z. B. hier auf Friedensdemowatch).

Michael Mittermeier, Bülent Ceylan und Mario Barth kommen mit ihrer Solidaritätsadresse für Xavier Naidoo geschlossen auf die oben genannte SaSe-PI-Liste für Satire & Kabarett.


„Denkfunk“ mit klassischer Querfront-Strategie
Nicht ganz so leicht dekodierbar fällt das Votum DER führenden Kabarettistenvereinigung D(d)enkfunk, namentlich des Logorrhoe-ikers Jörg Wellbrock alias Tom W. Wolf aus:

„Xavier Naidoo fährt zum european song contest“ [sic!]: nach paris und hannover sicherlich die wichtigste meldung, die mal wieder die vernichtung des abendlandes befürchten lassen muss.
(Facebook Denkfunk Jörg Wellbrock alias Tom W. Wolf: #TomWolf #ESC2016 #ESC #Naidoo #ARD #EinLiedfürXavier www.spiegelfechter.com)

Sollte man nicht wenigstens einmal überprüfen, wie der Wettbewerb korrekt heißt, zu dessen Nominierung man sich verlautbart? Aber handwerkliche Fehler gehören bei Denkfunk zum Tagesgeschäft! (Mehr zu der Gurkentruppe in dieser Synopse!)

Interessant ist hier die zum Zwecke der Relativierung eingesetzte Ironie “sicherlich die wichtigste meldung“ zusammen mit der seitenverkehrten Zuordnung der Argumente zu den jeweiligen politischen Lagern: Die „Vernichtung des Abendlandes“ ist eine künstlicher Sorge, die primär die Neurechten, Pegida, AfD & Co. in den Chemtrails verseuchten Himmel schreiben, also genau die Fraktion, die Naidoos Nominierung für den ESC bejubelt hatte. Solche Rechts-Links-Vertauschungen sind eine klassische Querfront-Strategie.

Im Übrigen: Wirklich wichtige Meldungen/Ereignisse sind solche, zu denen Denkfunk postet: Zum Beispiel die Denkfunk-Bilderberg-Versammlung am 28. November 2015, zu der Normalsterbliche i. e. Nicht-Abonnenten keinen Zutritt haben. SaSe-Vorschlag an die Veranstalter: Ladet doch Xavier Naidoo ein! Das gibt keine Brüche! Und der hat jetzt Termine frei!

Der neue Blog QuerFrontSeiten dokumentiert dankenswerterweise die besondere geistliche Beweglichkeit des Denkfunk– und Spiegelfechter-Autoren Jörg Wellbrock alias Tom W. Wolf, der vor einem Jahr zum Thema Xavier Naidoo noch diesen kritischen Link gepostet hatte!

Dieses eigenartige Verhalten der Kabarettisten-Elite ist für denjenigen kein Wunder, der dieser Einordnung von Denkfunk in das Netzwerk dubioser Gegenöffentlichkeitsprojekte folgt:

 

Grafik mit freundlicher Genehmigung des Blogs Querfrontseiten

Grafik mit freundlicher Genehmigung des Blogs Querfrontseiten


Satirische Reaktionen

Inzwischen ist der gesamte Fall erledigt. Die ARD (NDR) hat die Nominierung nach den Protesten zurückgezogen. Jutta Ditfurth kommentiert den Erfolg als „ambivalent“, weil man keine Endlagerungsoptionen für Naidoo und seine „Herzensbrüder“ habe.

Zur Denominierung kam es wahrscheinlich auch deshalb, weil die Titanic schon den Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren befürchtet hatte. Dabei hatte doch Jan Böhmermann auf Twitter schon Bilder der ersten Stoffproben für Naidoos Auftritt beim ESC veröffentlicht.

Zweifelsohne am prägnantesten kommentiert extra3 mit nur fünf Worten. Der Postillon lässt den Künstler in seiner PAMS – Postillon am Sonntag – persönlich zu Wort kommen. Und Anne Kaffek untersucht auf Allgemeine Allgemeine in Jaulen für Deutschland den musikalischen Schmachtverstand der ARD.

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