SaSe7: Die Zwillingskritiken zur Kebekus-Premiere in Die Welt und in der Stuttgarter Zeitung

Auf gar keinen Fall ist es eine geschickte Täuschung des Lesers. Nie nicht. Auch wenn die beiden Fernsehkritiken von der bekannten Journalistin Antje Hildebrandt zur Premiere von PussyTerror TV (vgl. SaSe5, SaSe6) in Die Welt am 22.03.15 und in der Stuttgarter Zeitung vom 22.03.15 – nach SaSe-Meinung – inhaltlich nahezu identisch sind.

Natürlich wird der Leser nicht getäuscht, wenn er zuerst die Kritik in Die Welt liest mit der Überschrift „Von einem muss Carolin Kebekus die Zunge lassen“ und danach eine Kritik mit der Headline „Pussy Terror TV mit Caroline Kebekus: Verschenkte Steilvorlagen" in der Stuttgarter Zeitung.  Von einem kompetenten Zeitungsleser darf man erwarten, dass er die Autorenschaft für beide Besprechungen sofort erkennt und sich darüber im Klaren ist, dass eine Journalistin nicht zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangt, nur weil sie den Artikel an zwei große Zeitungen verkaufen kann. 

Und nur weil diese Kritiken unterschiedliche Über- und Zwischenüberschriften aufweisen.


Plus weitere sprachliche Tricks:
Hier wird doch kein Leser getäuscht:

>>> „Ja, der Papst war auch da“ (Stuttgarter Zeitung)
>>> „Nein, er war es wirklich. Der Papst war auch da“ (Die Welt)

Denn danach münden beide Einleitungen in zwei vollkommen identische Sätze. Sehense!

Ein kompetenter Leser lässt sich auch durch Tempuswechsel oder willkür gesetzte Bindestriche in Komposita nicht täuschen:

>>> „Der WDR gibt Carolin Kebekus eine zweite Chance: […]“ (Stuttgarter Zeitung)
>>> „Der WDR hat Carolin Kebekus nach einem Streit eine zweite Chance gegeben“ (Die Welt)

>>> „Es gab die branchenüblichen Gags über den neuen Trend …“  (Stuttgarter Zeitung)
>>> „Es gibt die branchenüblichen Gags über den neuen Trend …" (Die Welt)

>>> „Jamie Dornan, der <entwurmte und geimpfte> Hauptdarsteller von <Fifty Shades of Grey>, wurde zur Pussy des Monats gewählt […]" (Stuttgarter Zeitung)
>>> „Jamie Dornan, der <entwurmte und geimpfte> Hauptdarsteller von <Fifty Shades of Grey>, wird zur Pussy des Monats gewählt […]" (Die Welt)


Pressevielfalt durch Überschriftenfülle
Nein, es ist auch nicht unlauter, dem Leser durch ganz unterschiedliche Über- und Zwischenüberschriften den Eindruck nahezulegen, es handele sich hier um zwei verschiedene Kritiken.

Die Zwischenüberschriften bei Die Welt:

>>> Deutschlands witzigste Frau
>>> Ordinär reicht nicht aus
>>> Schaler Gag zu Helmut Schmidt
>>> Bei der Band stimmt die Quote

Dagegen beschränkt sich die Stuttgarter Zeitung auf eine einzige Überschrift, wobei sich mancher wieder nicht erklären können wird, warum die Gagschreiber nicht einfach mit dem „Gender-Mainstream“ fremdeln?

>>> Die Gagschreiber fremdeln mit dem Gender-Mainstreaming


Jede Menge identischer Sätze
Natürlich merkt der Leser gleich, dass zwischen diesen geschickten sprachlichen Veränderungen ein Großteil der Sätze vollkommen identisch sind:

>>> „Der Heilige Vater lächelte entrückt vom Cover der gleichnamigen Illustrierten, die neuerdings auch in Deutschland erscheint. <Mein Papst>, 70 Seiten <für die aufgeklärte Frau ab 40>, Kochrezepte und Kreuzworträtsel inklusive“ (Die Welt, Stuttgarter Zeitung).

>>> „Deutschlands Bischöfe fanden das nur mittellustig, der WDR strahle das Video nie aus. Kebekus beklagte daraufhin öffentlich, sie fühle sich vom WDR <enteiert>" (Die Welt, Stuttgarter Zeitung).

>>> „Ihre Salven gegen die katholische Kirche feuerte sie jetzt eben als Außenreporterin der <heute-show> (ZDF) ab oder in ihrem Live-Programm <Pussyteror>" (Die Welt, Stuttgarter Zeitung).

>>> Caroline Kebekus ist die kleine, ungehobelte Schwester von Anke Engelke. Eine Knallerfrau, die gerne damit kokettiert, dass ihr nichts zu peinlich sei. Sie parodiert Männer noch böser als Frauen, und dabei darf, nein, muss auch gerülpst werden“ (Die Welt, Stuttgarter Zeitung).

Wir brechen die Listung hier ab; es sind ihrer noch viele!


Der Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung erklärt uns das
Wenn es SaSe schon nicht gelingt, mit der Autorin und Journalistin Antje Hildebrandt direkt Kontakt aufzunehmen, lassen wir uns die Welt von Joachim Dorfs, Chefredaktion der Stuttgarter Zeitung, erklären. Denn Die Welt beziehungsweise die Chefredaktion von Die Welt hat auf eine entsprechende Presseanfrage bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels nicht geantwortet.

Dorfs weiß selbstverständlich, dass Antje Hildebrandt auch für Die Welt tätig ist und gewährt einen Blick ins Jammertal freier Journalisten, die darauf angewiesen sind, ihre Beiträge verschiedenen Medienhäusern anzubieten.

Ach so! Wie sollen das freie Journalisten denn wissen?

Dorfs sieht „nur geringfügige Überschneidungen“ in den Leserschaften beider Publikationen. Gerade bei einem Thema wie einer Sendekritik zu „Pussy TV“ sehe man das publizistisch unproblematisch.

Hinsichtlich der sprachlichen Abweichungen liegt die Verantwortung bei den Redaktionen:

Wenn es leichte Differenzen in den Artikeln gibt, so liegt das mit größter Wahrscheinlichkeit an der Redaktion durch den Blattmacher hier in Stuttgart. Überschriften und Zwischentitel stammen grundsätzlich aus der Redaktion, sie können daher gar nicht identisch sein mit jenen in der „Welt“.  Wenn es hier in den publizierten Beiträgen Abweichungen gibt, so liegt das an den unterschiedlichen Redigier- und Layoutregeln der Blätter, aber ganz sicher nicht im Wunsch begründet, die Leser zu täuschen. Dazu würde auch kein Anlass bestehen.
(Presseantwort Joachim Dorfs, Chefredaktion Stuttgarter Zeitung, vom 25.03.15)

Sehense: keine Lesertäuschung! Hat SaSe doch gleich gesagt!
 

Antje Hildebrandt – da war doch schon mal was?
Die Autorin ist eine bekannte und arrivierte Journalistin, die sowohl für Die Welt wie für Focus, auch mal Cicero et al. schreibt.  Die existenziell unabdingbaren Mehrverkäufe der Artikel freier Journalisten/Innen, für die quasi nichts verdienende Blogger aus unerfindlichen Gründen so gar kein Verständnis haben wollen, waren 2007 schon einmal Anlass für Missstimmung. Seinerzeit hatte der Medienkritiker Stefan Niggemeier etwas an diesen Mehrfachverkäufen zu mosern gehabt. Allerdings mit speziellem Grund:

Bisschen merkwürdig ist es schon, dass die „Welt“ heute ein Interview mit dem lustigen Franzosen Alfons bringt und ihm die Überschrift
Manchmal bin ich auch doof“ gibt.
Nicht nur, weil dasselbe Interview, anders gekürzt, gestern schon in der „Frankfurter Rundschau“ stand. Und nicht nur, weil es auch dort schon die Überschrift „Manchmal bin ich auch doof“ hatte.

Sondern vor allem, weil der Satz „Manchmal bin ich auch doof“ in der „Welt“-Version des Interviews gar nicht vorkommt.
(Blog Stefan Niggemeier 07.06.2007: Auch doof)

Der Seitenhieb war kleinformatig. Doch offensichtlich ging das „Sondern vor allem, weil …“ zumindest bei einigen Lesern komplett unter, denn in ihrer Replik auf Netzwertig.com beklagte sich Hildebrandt:

Geärgert haben mich allerdings die Reaktionen auf diesen Hinweis: Da empört sich doch ein Leser, dass ein- und dasselbe Interview in zwei verschiedenen Publikationen abgedruckt wurde. Hallooo…..?
Kennt dieser Leser die Honorarsätze deutscher Print- und Onlinetageszeitungen? Weiß er, dass man als “Freier” seine Texte mehrfach verwerten muss, um sich über Wasser zu halten? Dass es ein ständiges Vabanque-Spiel ist, einerseits wirtschaftlich arbeiten zu müssen und andererseits keinen Auftraggeber verprellen zu dürfen, weil jede überregionale Zeitung auf ihr Exklusivrecht pocht?

[…]
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Arbeitsbedingungen für – feste und freie – Journalisten in den vergangenen Jahren immer schlechter geworden sind. Und keiner dürfte das besser wissen als Herr Niggemeier. Sein Eintrag hat leider den unangenehmen Nebeneffekt, dass er diese Eifersüchteleien zwischen den Zeitungen noch befeuert, indem er darauf hinweist, dass der Text doppelt gedruckt wurde. Aber so ist das wohl mit der Solidarität unter freien Journalisten. Soli-was? Wie schreibt man das …?
Antje Hildebrandt
(Netzwertig.com 09.06.2007: Eine Replik an Stefan Niggemeier)


Ist auch SaSe solidaritätsvergessen?
Das mit der Solidarität ist echt gut! Versteht SaSe das jetzt richtig: Dieses Verständnis von Solidarität umfasse den Verzicht auf Medienkritik? Und ist Solidarität eine Einbahnstraße? Wenn nein: Wo erfahren denn Blogger Solidarität mit ihren freien Journalistenkollegen?

SaSe ist ja noch ganz jung und ganz neu. Wer liest das schon? Oder muss dieser Blog jetzt auch eine öffentliche Replik von Antje Hildebrandt gewärtigen? SaSe hätte sie gern selbst um eine Stellungnahme gebeten, aber Kontaktdaten der Solidarität Definierenden sind nicht eruierbar und eine Kontaktbitte an das Magazin Focus, für das Hildebrandt ebenfalls schreibt, wurde gleich gar nicht beantwortet.

Hildebrandt zitiert es selbst:  „Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, wonach man einen Text nur an eine überregionale Tageszeitung verkaufen darf“ (ibid.).

Ronnie Grabs Kommentar vor jener Replik geht in die ähnliche Richtung:

Mehrfachverwertungen von freien Journalisten sind zweischneidig, die Meinungen darüber gehen sogar hier intern auseinander. Peter Sennhauser ist der Meinung, es sei völlig normal, dass freie Journalisten ihre Beiträge an verschiedene Publikationen verkaufen. Eben auch, weil diese sich in ihrem Verbreitungsgebiet nicht überschneiden. Ich dagegen frage mich, ob das heute immer noch gilt, wo alles im Internet publiziert wird und alle alles lesen.
(Netzwertig.com Ronnie Grab 09.06.2007: Eine Replik an Stefan Niggemeier)

Zweit- und Mehrfachverwertungen von journalistischen Texten gehört nicht zum Thema dieses Blogs. SaSe war es lediglich enorm was wichtig, die Leser darüber zu informieren, dass sie mit den Zwillingskritiken von Antje Hildebrandt in Die Welt und in der Stuttgarter Zeitung nicht getäuscht werden sollten.

Im Übrigen schmerzt diese nur vermeintliche Kritik an Antje Hildebrandt SaSe deshalb ganz besonders, weil die Journalistin von rechten Schmierfinken auf den übelsten diesbezüglichen Portalen in der bekannten miesen Diktion angegangen und beleidigt wird. In diesem Punkt erklärt sich dieser Blog dann doch und uneingeschränkt solidarisch!

Im Übrigen muss sich die Kritik an diesem dokumentierten Fall einer Mehrfachveröffentlichung ja auch nicht zwingend an den Verkäufer, sondern vorzüglich an den Käufer richten? Siehe oben … Ronnie Grab … heute, „wo alles im Internet publiziert wird“!

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