SatBur21: Bauplatzvergabe in Ochsenhausen – Die Rechtsauffassung der … Gurke?

SATIRE

Gurke: „[…] hat Bürgermeister Andreas Denzel dem Gemeinderat die Modelle vorgestellt, nach denen Bauplätze vergeben werden können.“

Gurke: „[…] Einheimischenmodell … Der Europäische Gerichtshof sieht die systematische Bevorzugung Einheimischer als eine rechtswidrige Diskriminierung an.“

Ich: „Stopp, stopp, stopp! Ich komme gar nicht mehr mit. Lauter Lücken. Das versteht ja kein Mensch so.“
Gurke: „Ja, gute Frau, woran hakt’s denn?“
Ich, hektisch: „Ich krieg das so schnell nicht abgeschrieben. Mir fehlen ganze Stücke zwischendrin. Meine Leser verstehen ja dann nicht, worum es geht.“
Gurke: „Gegen verfahrenstechnische Optimierungen unserer Kommunikation habe ich nichts einzuwenden. Gibt es Vorschläge?“
Ich: „Von vorne? Mit System?“
Gurke, seufzend: „Grundsätzlich ja. Aber wir müssen das komprimieren, denn allmählich geht mir auch die Schale aus.“

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Wahrscheinlich verliere ich mit dieser Story und ihrer Faktizität (wer lacht?) auch noch den Rest meiner Leserschaft. Aber ich kann es nicht ändern. In meiner Küche liegt eine Gurke. Glauben Sie es nun oder nicht: Die Gurke kommuniziert mit mir.

Nein, natürlich „SPRICHT“ sie nicht. Was ist denn das für ein idiotischer Gedanke? Ich möchte doch schwer hoffen, dass wir uns auf den minimalen gesellschaftlichen Konsens verständigen können, dass Gurken nicht sprechen und sich speziell geheime Geheimdienste auch nicht in mein Hirn einloggen. Wollen. Werden. Möchten.

Offensichtlich habe ich mich bisher nicht ausreichend mit Aufzucht, Pflege und Haltung von Cucumis sativus beschäftigt. Wobei in der Literatur dazu auch nicht beschrieben steht, dass einzelnen Exemplaren dieser Gattung aus der Familie der Kürbisgewächse eine ganz spezielle Kommunikationsform zur Verfügung steht: über Schriftzeichen in der Schale.

Ich kann aber auch nicht ausschließen, dass die in meiner Küche ein juristisches Proseminar abhaltende Gurke ein „Einzeltäter“ ist – möglicherweise sogar von zweifelhafter „psychischer Gesundheit“ – oder wie immer das bei Gurken heißt. Der Generalbundesanwalt mag frohgemut darüber hinwegwichteln, wenn er schriftliche Belege für die offensichtlich brandgefährliche mentale Instabilität von Individuen Kenntnis erhält, die noch dazu berechtigt sind, Waffen zu führen. Ich werde solches nicht tun. Ich werde nicht schweigen. Die Welt muss es wissen: In meiner Küche liegt eine Gurke, die sich dezidiert mit der Bauplatzvergabe in Ochsenhausen, Landkreis Biberach (wo sonst?), auskennt, diese beschreibt und bewertet. Ja. Es ist so: Es handelt sich um eine Gurke mit Rechtauffassung.

Vielleicht lässt sich dieses Mal viel weniger Schlimmes verhindern? Nur dieser Gedanke ermutigt mich, das unsagbar Ungesagte – möglicherweise zu meinem eigenen Imageschaden – öffentlich zu machen. Diesbezüglich agiere ich wie die meisten Gemeinderäte im Zuständigkeitsbereich des Regionalplan Bodensee-Oberschwaben: nach mir die Sintflut.

Jetzt liegt sie, die ominöse Grüne,  auf der Arbeitsplatte und lässt schon seit Stunden in rasend kurzer Zeit Schriftzeichen auf ihrer Schale erscheinen. Inzwischen knietief in Gurkenschalen watend, versuche ich verzweifelt, die rasch vergänglichen Informationen abzuschreiben.

Es begann mit dem schlichten Imperativ:
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Diese vier Buchstaben dieses Imperativs "abzunehmen" ist kein Problem. Leider lag das Mitteilungsbedürfnis dieser Gurke deutlich darüber ... Foto: Eine E.K.-T.A.-Coproduktion, für die ich herzlich danke!

Diese vier Buchstaben dieses Imperativs „abzunehmen“ ist kein Problem. Leider lag das Mitteilungsbedürfnis dieser Gurke deutlich darüber …
Foto: Eine E.K.-T.A.-Coproduktion, für die ich herzlich danke!

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Zu ihrer Motivation für diesen befremdlichen Informationstransfer äußert sich die Gurke nicht. Wie der Wainer Bürgermeister Stephan Mantz beantwortet auch sie meine Pressefragen nicht: Woher kommen Sie? Woher wissen Sie das? An wen richtet sich Ihre Botschaft?

Ich reduziere mich in aller Demut vor diesem informativen Gemüse-Wunder auf den schieren Überbringer der Nachricht. Wie einst schon einer derer aus dem Stamme Ascher seine Zuhörer warnte: „Mein Name ist Hiob. Ich habe eine Botschaft.“

Wenn ich das richtig einschätze, richtet sich diese Botschaft an Gemeinderäte im Allgemeinen und die in Ochsenhausen ganz besonders und Kunden der Baupilot GmbH recht speziell. Aber das ist pure Spekulation.

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Kommunale Wege, geltendes Recht auszutricksen
Ich fasse mal die bisher abgeschälten Informationen von dem Gurkenschalen-Screen wie folgt zusammen: Die Stadt Ochsenhausen will Bauplätze vergeben. Sie weiß ganz genau, dass die Bevorzugung von Einheimischen gegen geltendes Recht verstößt. Anders als der Schemmerhofer Bürgermeister Mario Glaser posaunen hier die Verantwortlichen allerdings nicht in aller Öffentlichkeit heraus, wie sie geltendes Recht auszutricksen gedenken.

Glaser bzw. sein „Steueramtsleiter“ (?) hatte den Gemeinderäten erst erklärt, dass ortsbezogene Aspekte, welche den Einheimischen zugutekommen, maximal 50 Prozent der Gesamtbewertung bei der Bewerberauswahl ausmachen dürfen. Übergangslos hat er anschließend versichert, dass man mit dem Modell der Firma Baupilot (alias „Ulmer Modell“) easy auf eine Quote von deutlich über 70 Prozent begünstigter Einheimischer kommen könne (Quelle).

Die Gurkenschalen legten sich an dieser Stelle der gemüseseitig empfundenen Rechtsverbeugung in erkennbare Falten …

Mich treibt die Frage um, ob ein sogenannter Steueramtsleiter mehr Kompetenzen hat als ein Salatinspektor bei McDonald‘s. Oder wie ein Volljurist so etwas öffentlich sagen kann.
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Sieht harmlos aus. Aber ich rate zur Vorsicht! Außerdem scheint mir diese Gurke viel zu penetrant den Einzeltäter heraushängen lassen zu wollen. Foto: Wilhelmine Wulff / pixelio.de

Sieht harmlos aus. Aber ich rate zur Vorsicht! Außerdem scheint mir diese Gurke viel zu penetrant den sozial ausgegrenzten Einzeltäter heraushängen lassen zu wollen?
Foto: Wilhelmine Wulff / pixelio.de

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Gurken-Exkurs zu den Kautelen
Das Thema mache ich kurz. Sehr kompliziert – auch wenn man sich nicht gerade auf die Kommunikation mit Gurken kapriziert. Immer wieder – und gern auch seitens der hochseriösen Firma Baupilot GmbH und ihres juristischen Trommlers Ivo Gönner – wird auf die sogenannten EU-Kautelen abgehoben. Dabei handelt es sich um einen zwischen der EU-Kommission, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie der Bayerischen Staatsregierung ausgehandelten POLITISCHEN Kompromiss, bei dessen Anwendung die Europäische Kommission in Aussicht stellt, keine Einwände mehr gegen die in Bayern praktizierten Einheimischenmodelle zu erheben.

Auch meine Gurke bekräftigt: Es lohnt sich nicht, sich weiter damit zu beschäftigen, eben weil es sich nur um einen politischen Kompromiss handelt – ganz genauso wie im Fall der PKW-Maut. Zu der hatte die Kommission auch ihr Einverständnis erklärt. Doch der Europäische Gerichtshof entschied anders. Mit den bekannten katastrophalen Folgen für den Steuerzahler.

Die Gurke möchte das offensichtlich für Ochsenhausen vermeiden?
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Mehr Rechtsunsicherheit beim Losverfahren
Durch ganze Berge von Gurkenschalen hindurch kristallisierte sich dann im weiteren „Gespräch“ (nicht wörtlich gemeint!) heraus, dass die Stadt Ochsenhausen sich ganz offensichtlich nun und deshalb und aus allgemeiner Rechtsverwirrung heraus für exakt das Bauplatzvergabe-Verfahren entschieden hat, das am meisten RechtsUNsicherheit bietet: das Losverfahren.

Hier unterlief der Gurke dann noch ein interessanter Lapsus mit der Botschaft: „Das Losverfahren garantiert der Stadt Ochsenhausen einen Termin beim Verwaltungsgericht Siegmagsbringen.“
Mein spontanes Auflachen wurde gurkenseitig als mangelnder sittlicher Ernst angesichts des Themas und der Lage gewertet.

Ganz anders hier mein liegendes Gemüse-Gegenüber: Die bisherige Rechtsprechung zum Thema Bauplatzvergabe akzentuiere unmissverständlich die hohe Bedeutung sozialer Kriterien wie zum Beispiel eine verbindliche Paarbeziehung, Zahl und Alter der Kinder, Schwerbehinderung (jau!) etc. Die Anwendung solcher Kriterien werde auch durch Bau-Gesetzbuch, Paragraf 1, Absatz 5 sowie Bau-Gesetzbuch Paragraf 1, Absatz 6 betont. Die Gemüse-Dozentin resümiert:

Gurke: „Bauplätze mit einer Fläche von 500 bis über 1.000 Quadratmeter ausschließlich für die Bebauung mit Einfamilienhäusern vorgesehen, unabhängig von der Kinderzahl der Bewerber in einem Losverfahren zu vergeben, wird keinem der vom Bau-Gesetzbuch gemachten Vorgaben für die Bauleitplanung gerecht.“

Immerhin konnte ich an dieser Stelle sprachwissenschaftliche Expertise einbringen:
Ich: „Noch dazu legt der Begriff <Einfamilienhaus> schon sprachlich nahe, dass es für Familien gedacht ist und nicht gleichwertig für Singles.“

Da hat die Gurke sich lebhaft von rechts nach links und zurück gerollt, was auf Gurkisch äußerste Zustimmung ausdrücken soll (nach Google-Übersetzer).
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Hier hatte ich irgendwann mal ein Gruppenbild eines Gemeinderats aufgenommen und mir leider den Namen der Kommune nicht notiert. Aber es sieht schon ein bisschen nach der Aufmunterung aus: "Freiwillige vor!" Foto: Rike / pixeliode

Hier hatte ich irgendwann mal ein Gruppenbild eines Gemeinderats aufgenommen und mir leider den Namen der Kommune nicht notiert. Aber es sieht schon ein bisschen nach der Aufmunterung aus: „Freiwillige vor!“
Foto: Rike / pixelio.de

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Schon das Grundgesetz spreche gegen das Losverfahren

Wer sich bisher völlig gedankenlos und verträumt seinen Gurkensalat reingeschaufelt hat, sollte dieses Tun noch einmal überdenken. Denn wer so einer Gurke erst einmal zuhört, nimmt staunend zur Kenntnis, dass die wasserhaltige Frucht unerwartete Nähe zu unserer verfassungsmäßigen Grundordnung aufweist. Womit sie sich schon einmal über alle Maaßen vom früheren Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz unterscheidet, der irritierenderweise denselben Vornamen führt wie ein Ich-fixierter Bürgermeister in Spaichingen.

Außerdem hat sie, meine kleine grüne Freundin, etwas getan, worauf manche / einige / zu viele Journalisten, die über die Causa Ummendorf berichtet haben, leider verzichten: auf die Lektüre des Beschlusses des Verwaltungsgericht „Siegmagsbringen“:

(Völlig korrektes) Gurken-Zitat aus dem Beschluss des VG Sigmaringen: „Vor Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz sind daher alle Bewerber um einen Bauplatz gleich zu behandeln. Es ist eine entsprechende Bewerberkonkurrenz sämtlicher Bieter für sämtliche Bauplätze durchzuführen, in welcher jeder Bewerber die gleichen Chancen erhält.“

Die Wissende mit Gemüse-Hintergrund warnt ausdrücklich davor, diesen Satz nachgerade als eine Empfehlung zum Losverfahren misszuverstehen. Denn besagter Grundgesetz-Artikel gebiete „wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln“. Und sie mündet in den klar artikulierten

Gurken-Alarm: „Die Gleichbehandlung aller (wesentlich gleichen) Familien in Unterscheidung zu den (wesentlich verschiedenen) Einzelpersonen ist mit dem Losverfahren nicht möglich.“

In einem solchen könnten und werden sich möglicherweise auch Singles (möglicherweise sogar unbemerkt und mit doppelter Chance) um einen Bauplatz bewerben. Das widerspreche dann aber Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz, das Ehe und Familie dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung unterstelle.

Das Fazit der inzwischen durch die permanenten Abschälungen schon auf den Querschnitt eines Streichholzes abgeschmolzenen Gurke und mithin ihre letzten Worte:

Gurke: „All dies zeigt, wie das vermeintlich rechtssichere Losverfahren gerade nicht rechtssicher ist und obendrein in großem Umfang zu einer Zweckentfremdung kommunal vergebener Bauplätze führt: Sie decken dann nicht mehr den Wohnbedarf einer Zielgruppe sondern dienen der Geldanlage von Einzelpersonen oder deren Familienangehörigen und führen zu einem sinnlosen Flächenverbrauch.“

Vor allem führt das vermeintlich rechtssichere Losverfahren in Ochsenhausen zu einer bis Oberkante Unterlippe mit Gurkenschalen angefüllten Biotonne im Landkreis Sigmaringen … Und meinen Gurken-Salat à la Heide (mit Crème fraiche, Dill und braunen Zucker) kann ich mir jetzt auch an die Wange schmieren! Dann trinke ich eben einen Tomatentee! Und freue mich still in mich hinein, dass ich zumindest in diesem Leben weder bauen will noch kann.
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Wer sich durch diesen Gurken-Berg durchgearbeitet hat, kann sich anschließend vermutlich mit guten Aussichten zum Zweiten Juristischen Staatsexamen anmelden. Foto: Dirk Schelpe / pixelio.de

Wer sich durch diesen Gurken-Berg durchgearbeitet hat, kann sich anschließend vermutlich mit guten Aussichten zum Zweiten Juristischen Staatsexamen anmelden.
Foto: Dirk Schelpe / pixelio.de

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