SatBur4: Der westliche Hohn für das Afpaklirak-Pack: „Ihr seid nicht Paris!“

[Satire ]

Der Westen – WIR! – an AfghanistanPakistanLibanonIrak: „Ihr seid nicht Paris!“

Bei den Drohnenangriffen in Pakistan handelt es sich um eine seit 2004 von der CIA verdeckt durchgeführte Kampagne im Rahmen des Kriegs gegen den Terror. Dabei greifen ferngesteuerte, unbemannte Drohnen Ziele in Pakistan an, meist um von den US-Behörden identifizierte Terrorverdächtige gezielt zu töten.
(Wikipedia: „Drohnenangriffe in Pakistan“)

Pakistanische Kinder sind aber keine französischen Jugendlichen, die „nur“ ein Konzert genießen wollen in einer „Stadt, die das Leben feiert“:

Die völkerrechtliche Basis für die Angriffe ist umstritten.[3][4] US-Juristen haben die Praxis in offiziellen Anhörungen teilweise als „klaren Bruch des Völkerrechts“ bezeichnet.[5] Unter anderem führt die Tatsache, dass bei den Angriffen mit von den Drohnen abgefeuerten Hellfire-Raketen bereits mehrere Hundert Unbeteiligte getötet wurden, darunter auch zahlreiche Kinder, zu anhaltender Kritik sowohl aus den USA als auch aus anderen Ländern.
(ibid., Hervorhebg. SaSe)


Relevante Tote, irrelevante Tote

Bei der Bevölkerung in Pakistan sind die US-Drohnenangriffe zutiefst verhasst, da sie oft unbeteiligte aus der Bevölkerung treffen. Offizielle Informationen gibt es nicht, der US-Geheimdienst hält die genaue Zahl geheim, lediglich den Tod eines Zivilisten im Rahmen der Drohnenangriffe in Pakistan wurde eingeräumt, im Bezirk Nord-Wasiristan am 22. April 2011. Das Bureau Of Investigative Journalism zählte seit 2004 (Stand März 2013) 3105 Tote, dabei seien nur 47 Tote „high profile targets“ (gesuchte Terroristen). Unter den 3105 Tote waren 535 unbeteiligten Zivilisten, 2348 „andere Getötete“ und 175 Kinder. Unter dem Begriff „andere Getötete“ werden die Opfer zusammengefasst, die getötet wurden, ohne jegliche Anhörung oder Möglichkeit, sich durch eine Aussage zu verteidigen.[21]
(ibid.; Hervorhebg. SaSe)

Denen geschah wie folgt:

Die Menschen, um die wir trauern, wurden vor Cafés ermordet, im Restaurant, im Konzertsaal oder auf offener Straße. Sie wollten das Leben freier Menschen leben, in einer Stadt, die das Leben feiert ‑ und sie sind auf Mörder getroffen, die genau dieses Leben in Freiheit hassen.
(Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich der Terroranschläge in Paris am 14. November [sic!] 2015; Hervorhebg. SaSe)

Ach so, denen geschah solches eben gerade nicht! Da habe ich die Mörder verwechselt!


Das Durcheinander der „Mörder“
Auch andere Menschen treffen auf „Mörder“. Es sind die Mörder, die andere als Mörder bezeichnen:

Der 21-jährige Sadiq hatte einen Lebensmittelstand, den einzigen im Ort Gardda Zarrai in der afghanischen Provinz. Der junge Afghane war der Hauptversorger seiner Familie, die aus seinen Eltern sowie seinen vier Geschwistern besteht. Warum er zum Ziel eines Drohnenpiloten wurde, der womöglich irgendwo in der Wüste Nevadas saß, weiß bis heute keiner von ihnen.
(DIE ZEIT 30.07.2015: „Drohnenangriffe in Afghanistan: Die Todesengel kommen wieder“)

Wer die Mörder voneinander scheiden möchte, kann sich daran orientieren, dass Gardda Zarrai sicherlich keine Stadt ist, „die das Leben feiert“:

„Vom Körper meines Bruders blieb fast nichts übrig. Er wurde in Stücke gerissen“, erinnert sich der 28-jährige Islam an jenen schicksalhaften Tag vor drei Jahren. Im Juli 2012 wurde Islams jüngerer Bruder Sadiq Rahim Jan im ostafghanischen Paktia von einer Drohne getötet.
(ibid.)

Wir (Westen) dürfen unsere Toten ehren.
Wir (Westen) dürfen eure Toten verhöhnen:

Mehrere in Kabul ansässige Medien, wie das vom US-Kongress geförderte Radio Azadi, berichteten kurz nach Sadiqs Tod, dass ein Taliban-Kommandant in Gardda Zarrai von einer Drohne getötet worden sei. Als Sadiqs Familie davon erfuhr, war sie empört. In Gardda Zarrai gab es an jenem Tag nur einen Drohnenangriff und nur ein Opfer – ihren Sadiq. Dieser pflegte weder zu den Taliban noch zu anderen Extremisten irgendwelche Kontakte. Kein einziger Journalist hatte die Familie aufgesucht. Stattdessen machten die Medien ihren Sohn einfach zum Extremisten.
(ibid.)

Unsere Opfer sind „Helden“.
Eure Opfer sind Täter.
Ihr seid nicht Paris!


Solidarität in der Einbahnstraße

Im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut wurden bei einem Doppelanschlag mindestens 41 Menschen getötet, mehr als 180 wurden verletzt. Vor einem Einkaufszentrum kam es im Abstand von fünf Minuten und 150 Metern zu zwei Explosionen, teilte ein Regierungssprecher mit.
(ZEIT online 12.11.2015: „Mehr als 40 Tote bei Doppelanschlag in Beirut“; Hervorhebg. SaSe)

Das war kein Angriff auf die freie westliche Welt! Beirut ist auch keine Stadt, die das Leben feiert. Ein Einkaufszentrum ist kein Konzertsaal. Und 40 Tote sind nicht 132 [Stand: 17.11.2015 / 13.30 h]!

Kafranbel ist eine selbstverwaltete Stadt in Syrien, die sich erfolgreich sowohl gegen das Assad-Regime wie auch gegen den IS zur Wehr gesetzt hat. Deswegen wird sie seit rund vier Jahren regelmäßig von der syrischen Luftwaffe mit Fassbomben bombardiert – und seit Kurzem auch von russischen Kampfflugzeugen in deren vermeintlichen „Krieg gegen den Terror“ angegriffen. Kaum ein Tag vergeht, in dem die Aktivisten von Kafranbel nicht neue Namen von getöteten Zivilisten bekannt geben. Der Eintrag am Samstagmorgen auf der Facebook-Seite lautet:  „Wir beten für Frankreich, denn wir sind solidarisch mit dem französischen Volk und drücken den Familien jener, die bei den Anschlägen in Paris ermordet wurden, unser tiefstes Beileid aus.“
(ZEIT 14.11.2015 Andrea Böhm: „Wir sind alle Beirut“; Hervorhebg. SaSe)

Die unhinterfragte Überlegenheit westlicher Werte berechtigt uns, das libanesische „We are all Paris“ ganz selbstverständlich entgegen- und es kaum wahrzunehmen. Kein hart-aber-fair, kein Brennpunkt und Maybritt Illner schweigt. Da kann Andrea Böhm noch so fassungsringende Artikel in die ZEIT schreiben:

Keine Hierarchie von Toten
Mich hat das erst ungemein berührt und dann beschämt. Warum? Weil es bislang keinen Hashtag #WeAreAllKafranbel gibt; und weil ich nicht weiß, woher Menschen, die jeden Tag durch staatlichen Terrorismus sterben können, die Kraft nehmen, den Opfern von nicht staatlichem Terrorismus in einem anderen Land zu kondolieren. Und zwar aus tiefstem Herzen und ohne die leiseste Andeutung eines „Jetzt-seht-ihr-mal-wie-das-ist“.

(ibid.)


Westzynismus: „Eskalation des Terrors“

Ihr seid nicht Paris, ihr Zivilisten, Menschen und Kinder in Beirut, im Irak, im Jemen, in Syrien und diesem ganzen diffusen Afpaklirak. Wir sind die Welt, wir sind Werte. Nur unsere Toten zählen. Die „Leitmedien“ kodieren:

Am Tag drei nach dem blutigen Massaker von Paris, nach einer zuvor kaum für möglich gehaltenen Eskalation des Terrors der ISIS, stand die Vokabel vom „Weltkrieg III.“ im Raum.
(Meedia 16.11.15: „Die große Mobilmachung: die Medien und der gefährliche Kriegszustand in den Köpfen; Hervorhebg. SaSe)

Was Georg Altrogge hier skandalisierend mit „kaum für möglich gehaltene Eskalation des Terrors der ISIS“ meint, ist lediglich dessen Verschiebung auf der Weltkarte nach Westen. Es gibt keine „kaum für möglich gehaltene Eskalation des Terrors der ISIS“ – aus globaler Sicht! Aus der Sicht der Libanesen, Iraker, Afghanen & Co. Eine solche Bewertung ist nur statthaft aus der Perspektive: Ihr seid nicht Paris!

Es irrt Andrea Böhm. Es gibt ganz offensichtlich eine Hierarchie der Toten, des Terrors und dessen Eskalation. Das zweierlei Maß ist unser Wert! Diesen Wert gilt es zu verteidigen. Unterm Strich: Nato-Bündnisfall.


Westliche Intellektuellenarroganz contra Afpaklirak-Pack
Das Pack aus Afpaklirak distanziert sich (auch noch):

Unter dem Hashtag #Notinmyname distanzieren sich Muslime weltweit von dem Terror, der im Namen des Islam in Paris verübt wurde. Natürlich berichten auch die großen arabischen Medien. Auch sie verurteilen in ihren Schlagzeilen die monströsen Anschläge, bei denen mehr als 129 Menschen das Leben genommen wurde.
(Meedia 16.11.15 Constantin Schreiber: „#ParisAttacks: Constantin Schreiber über die Reaktionen der arabischen Welt“; Hervorhebg. SaSe)

So etwas haben deutsche Geistesleuchten nicht nötig, deren Selbstwahrnehmung sie blind dafür macht, dass Dritte möglicherweise gar nichts von ihrer moralischen Überlegenheit ahnen:

Ich distanziere mich nicht vom Terrorismus!
Warum auch?

Sich von etwas zu distanzieren, setzt voraus, dass vorher eine Nähe oder Distanzlosigkeit vorhanden war. Zum Terrorismus hatte ich nie Nähe. Ich verabscheue ihn, egal, ob rechts, links oder religiös motiviert. Dementsprechend verabscheue und verurteile ich auch den Terror, der bei den Anschlägen in Paris ausschlaggebend war. Distanzieren muss ich mich aber nicht von diesen Anschlägen. Es gab ja keine Nähe, ich war weder Täter noch Unterstützer. Und wer auch immer sich dieser Tage zu Paris äußert, tut das nicht in Form von Distanzierungen, sondern durch Verurteilung der Taten.
Aber wenn ich ein Muslim wäre, was wäre dann? Dann müsste ich mich also ganz offiziell vom Terrorismus distanzieren?
Wieso denn bitte das?
(Spiegelfechter 15.11.15 Jörg Welbrock alias Tom W. Wolf: „Ich distanziere mich nicht vom Terrorismus“; Hervorheb. SaSe)

Great! It’s so very sophisticated!
Zu beachten bei diesem Taschenspieler der Selbstherrlichkeit ist der Trick mit dem „Terrorismus“-Begriff! Das dozierende Geschwafel beruht auf dessen nicht definierter Verwendung. Jörg Wellbrock alias Tom W. Wolf, Denkfunk-Blubberer mit ätzendem Funkdrang, wohnt ja nicht in Ramstein-Land.

Demut und Distanzierung, das ist nur etwas für Afpaklirak-Pack. Westliche Überlegenheit kann sich selbst in diesem Moment nicht kleinmachen, nicht gleichmachen, nicht solidarisieren. Kein #notinmyname … zu Drohnenkrieg, Ressourcenausbeutung und Handelsimperialismus.
#myName: Arroganz.


Da, wo die Gewalt hingehört
Das Blut ist kaum getrocknet, die Leichen sind noch nicht alle identifiziert. Gleichwohl: Die „Grande Nation“ rotzt kurz die Tränen ab und bringt die Gewalt endlich wieder dorthin, wo sie hingehört:

„Ein Anschlag auf Zivilisten in Europa verstößt gegen die Spielregeln, die klar besagen, dass sich zivile Opfer auf Länder des Nahen Ostens – insbesondere Irak und Syrien – zu beschränken haben“, erklärt Nahost-Experte Klaus-Peter Brockschmidt. „Die Intensivierung der Luftangriffe auf Syrien, die Frankreich bereits seit über einem Jahr durchführt, sollte dies allen Beteiligten mehr als verdeutlichen.“
(Der Postillon 16.11.15: „Französische Kampfjets bringen Gewalt wieder dahin, wo sie hingehört“)

Über Risiken und Nebenwirkungen westlicher Werte und Heuchelei informiert folgender Beipackzettel, der nach Angaben des Postillons den Bomben beigelegt werde:

 

Grafik: Der Postillon: „Französische Kampfjets bringen Gewalt wieder dahin, wo sie hingehört“; mit freundlicher Genehmigung von Stefan Sichermann) http://www.der-postillon.com/2015/11/franzosische-kampfjets-bringen-gewalt.html

Grafik: Der Postillon: „Französische Kampfjets bringen Gewalt wieder dahin, wo sie hingehört“ (mit freundlicher Genehmigung von Stefan Sichermann)

 

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