TS09/17: Gemeinderat-Notizen im Schatten eines Eingriffs in die Pressefreiheit

„Da ich den sich inzwischen überstürzenden Ereignissen rund um den Energiepark Hahnennest und anderen Skurrilitäten aus der Gemeinde Ostrach mit meinen Veröffentlichungen kaum mehr hinterherkomme, sei den treuen SaSe-Lesern zunächst nur ein kleiner TagesSenf mit Links zur aktuellen Berichterstattung der Regionalpresse dargereicht.“
So lautete die erste Einleitung zu diesem TagesSenf, die jetzt schon wieder hinfällig wird durch das nächste Highlight. Das wurde während des Layouts des ersten Teils dieser Meldung von Oliver Paul, Leiter des Reinhold-Frank-Schulzentrums Ostrachtal gesetzt.
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+++ Gemeinderat beschließt Änderung Bebauungsplan für Biohybrid-Energiespeicher
Am vergangenen Montag, 4. September 2017, fand im Foyer der Grundschule des Reinhold-Frank-Schulzentrums eine hochinteressante Gemeinderatssitzung statt. Auf der Tagesordnung stand zwar nicht alles, was im öffentlichen Teil der Sitzung Thema war (trapp-trapp, ich bin die Gemeindeordnung Baden-Württemberg) – ein informativer Vortrag von Roland Schönbucher über Jugendgemeinderatsarbeit etwa kam für Räte, Presse und Besucher vergleichsweise „überraschend“ -, dafür hatte es TOP 1 massiv in sich:

Änderung [Bebauungsplan – Klammerausdruck zum  Verständnis ergänzt von SaSe] „Regenerative Energie Hahnennest Fohrenbühl“- Hybridanlage
– Aufstellungsbeschluss
– Billigung des Entwurfs und Beschluss zur Offenlage

„Natürlich“ (dazu später mehr) ging der entsprechende Beschluss nach einer mehr als einstündigen lebhaften Diskussion zum Thema Lärmschutz für primär die Bewohner von Kalkreute einstimmig in die Welt hinaus. Vorher hatten sich insbesondere die Gemeinderäte Jürgen Arnold (CDU), Rudolf Birkhofer (CDU) und Jörg Schmitt (SPD) für die Erhaltung eines Restes von Lebensqualität für Kalkreute verwendet. Wo diese jene inzwischen verorten, dokumentiert eindrücklich ein Bittbrief von Kalkreuter Bewohnern an Bürgermeister und Gemeinderat, der (noch) hier (Vorlage Nr. 6) abrufbar ist. Sie sollten ihn lesen. Für mich hat er den Rang eines zeitgeschichtlichen Dokuments, wenn man sich das 21. Jahrhundert dazu notiert.

Aber gegen Bürgermeister Christoph Schulz‘ Märchenstunde zum Thema Gutachter (Stichwort: Schützenverein) kam das Kalkreuter Bitten und Flehen nicht an.  Überhaupt entstand – bei mir – insgesamt der Eindruck, dass Schulz doch eher die Interessen der ebenfalls mit zwei RepräsentantInnen anwesenden Erdgas Südwest vertritt. Aufstellungsbeschluss und Billigung des Entwurfs erfolgte Ostrach-natürlich wieder einstimmig.

Sofern ich es zeitlich schaffe, soll zu der Gemeinderatssitzung noch ein LITERARISCHER Bericht folgen. Die klassische, unkritische, durch die verlangte Kürze (Zeilenvorgaben an die freien Mitarbeiter) gefährlich verfälschende „journalistische“ Berichterstattung der etablierten Regionalpresse liest sich dann so.

Mit Hintergrundinfos zu den Nickeligkeiten des verwaltungstechnischen Verfahrens – etwa die Frage, warum der Bebauungsplan geändert werden muss – glänzt der Südkurier-Vollprofi hier.
Erdgas Südwest macht natürlich auch beim Südkurier einen mächtig schlanken Fuß!

Der Glanz der Südkurier-Berichterstattung allerdings wird durch einen lustigen („Landrastsamt“) und einen schwer sinnentstellenden Fehler etwas getrübt. „Da steht Schützenswertes“ zitiert der Südkurier eine Aussage der Erdgas-Südwest-Vertreterin FALSCH und auch inhaltlich unlogisch zur möglichen Explosionsgefahr der neuen Anlage. Tatsächlich sagte Melanie Gimmy: „Das steht NICHTS Schützenswertes“.

 

Bildzitat Screenshot Südkurier 05.09.2017: "Neue Hybridanlage: Lärmschutz bewegt die Bürger" lediglich zu Beweiszwecken. Es ist davon auszugehen, dass die falsche Widergabe der Äußerung von Erdgas Südwest, die SO ja auch keinen Sinn ergibt, nach Veröffentlichung dieses TagesSenfes rasch geändert wird und dann für meine Leser nicht mehr nachvollziehbar ist. Der übrige Text wurde mit Rücksicht auf das Urheberrecht des mir ja sowieso heiligen Südkuriers gegraut!

Bildzitat Screenshot Südkurier 05.09.2017: „Neue Hybridanlage: Lärmschutz bewegt die Bürger“ lediglich zu Beweiszwecken. Es ist davon auszugehen, dass die falsche Widergabe der Äußerung von Erdgas Südwest, die SO ja auch keinen Sinn ergibt, nach Veröffentlichung dieses TagesSenfes rasch geändert wird und dann für meine Leser nicht mehr nachvollziehbar ist. Der übrige Text wurde mit Rücksicht auf das Urheberrecht des mir ja sowieso heiligen Südkuriers gegraut! Apropos Grauen …

Wie es zu solchen Fehlern beim Südkurier kommt, war am Pressetisch in der zitierten Sitzung ebenfalls erfahrbar: Der Südkurier-Man prahlte vor seinen beiden Kolleginnen damit, die Artikel oft schon mit Ende der jeweiligen Gemeinderatssitzung fertig geschrieben auf seinem Tablet zu haben.
Klammer auf – korrigiere Berufsbezeichnung: „Protokollant“ – Klammer zu!

Zu den weit über den Bedarf hinaus gelieferten Pointen von der Gemeinde Ostrach – siehe dazu auch unbedingt nachstehende Meldung über einen Eingriff in die Pressefreiheit durch den Schulleiter des Reinhold-Frank-Schulzentrums – gehört bei obiger Südkurier-Kolportage auch, dass es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass vermutlich der 1.000-Kühe-Stall dann im Einzugsbereich einer möglichen Explosion der Anlage liegen dürfte. An der Stelle entfaltet das Erdgas-Südwest-Diktum erst so richtig seine Bedeutung: „NICHTS Schützenswertes!“
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+++ Reinhold-Frank-Schulzentrum: Schulleiter leistet sich Eingriff in die Pressefreiheit
Freunde und Kollegen fragen mich, warum ich mich im Moment so derart auf den Ort Ostrach einschieße, mit dem ich sonst aber auch so gar nichts zu tun habe. Das ist schnell erklärt: Meinem persönlichen Eindruck nach ist diese Gemeinde im 21. Jahrhundert mit seinen Rechten und Pflichten sowie den verschärften Anforderungen an die Weitsicht verantwortlicher Kommunalpolitiker (und Schulleiter …) noch nicht angekommen. Jede Ostrach-Recherche gerät zum publizistischen Highlight. So auch diejenige zu einer Tafel mit  – meiner Meinung nach –  unfassbaren Verhaltensregeln für die Schüler des Reinhold-Frank-Schulzentrums. Sie findet sich so im Foyer der Grundschule. Eltern von Schülern dieser Einrichtung sagen, diese Tafel stände seit Jahren dort.
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Nein, das ist nicht der Kampf der Negel im Tunnel! Das ist ein schlecht ausgeleuchtetes Foto der besagten Tafel im Foyer des Reinhold-Frank-Schulzentrums Ostrachtal mit den monierten Verhaltensregeln inklusive Rechtschreibfehler. Trotz der schlechten Bildqualität dient es den schieren Beweiszwecken. Foto: Karin Burger

Nein, das ist nicht der Kampf der Negel im Tunnel! Das ist ein schlecht ausgeleuchtetes Foto der besagten Tafel im Foyer des Reinhold-Frank-Schulzentrums Ostrachtal mit den monierten Verhaltensregeln inklusive Rechtschreibfehler. Trotz der schlechten Bildqualität dient es den schieren Beweiszwecken.
Foto: Karin Burger

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Ja, das Foto ist unterirdisch schlecht. Mein kleiner Blitz reichte nicht aus. Überdies musste ich das Foto während der laufenden Gemeinderatssitzung schießen und wollte die direkt vor dieser spektakulären Tafel sitzenden Räte nicht (auch noch physisch) aufscheuchen (wenn es die SaSe-Berichterstattung auch ansonsten schon tut). Deshalb hier das Transkript des dort prangenden Textes; inklusive der acht Rechtschreibfehler, mit denen der Ostracher „Lehrkörper“ hier seine Schüler beglückt. Es ist immer derselbe Fehler (der fehlende Punkt am Ende jeden Satzes)  und er ist – hier greift die doppelte Bedeutung des Wortes – SYSTEMATISCH!

Wir wollen Ruhe im Schulhaus!

– Wir schleichen
– Wir flüstern
– Wir warten im Klassenzimmer auf den Lehrer
– Wir verlassen zügig das Schulgelände
– Wir hören auf jeden Lehrer
– Ich bin für mich selbst verantwortlich

Selbstverständlich hatte ich mich vor Veröffentlichung meiner Kritik an diesen altertümlichen Botschaften um eine Stellungnahme des gerade erst frisch eingesetzten Schulleiters Oliver Paul bemüht.

Da der kurz vor Schuljahresbeginn jedoch aus offensichtlichen Gründen sehr in Anspruch genommen ist, rief mich die für den Grundschulbereich verantwortliche Lehrerin Daniela Frey zurück. Sie erklärte mir ausführlich, welche Ziele die Schule mit diesen anachronistischen, im arrogant-hochherrschaftlichen Pluralis benevolentiae („wir“ …) gehaltenen Verhaltensvorschriften zu erreichen trachte. Auf diese durchaus nachvollziehbaren Zielbeschreibungen werde ich an anderer Stelle noch eingehen. Satirisch ließe sich einwenden, es sei wohl das Ziel, das hier im Weg steht!

Den systematischen Rechtschreibfehler räumte Frau Lehrerin schon mal ein und bot an, die seit Jahren in der Schule (!) herumstehende Tafel mit Edding auf den aktuellen Stand der Rechtschreibung bringen zu wollen …
Darauf einen Hopfensteiner!

Keine Probleme hat Frey mit so Ansagen wie „wir schleichen“, „wir flüstern“. Sie seien kindgerecht.

Immerhin kann ich aus meiner bisher noch kurzen Ostrach-Empirie diesen geduckmäuserten Kindern schon mal versprechen: Im Ostracher Gemeinderat winkt euch mit der Erziehung zum Schleichen und Flüstern eine steile Karriere! Später ändert sich allenfalls noch: „Wir hören auf jeden Erdgas-Südwest-Wunsch[.]“

Kurz nach dem netten Telefonat mit der sehr auskunftswilligen Lehrerin Daniela Frey meldet sich noch einmal die Sekretärin des Schulleiters mit folgender, WÖRTLICH notierter Ansage: „Bevor Sie das veröffentlichen, möchte Herr Paul die Veröffentlichung lesen.

Hallelujah! Hier kommt vermutlich die jahrelange Sozialisierung der verschiedenen Institutionen im Landkreis Sigmaringen durch die Redaktionen der Regionalzeitungen zum Tragen? Darf es bitte wahr sein? Ein Schulleiter in Ostrach, der dem Vernehmen nach auch als „digitaler“ Schulleiter angekündigt worden sein soll (nach dem sich selbst als „analog“ kategorisierenden Vorgänger), lässt einer freien Journalistin mitteilen, dass er ihre Publikation vor Veröffentlichung lesen möchte? Da ist schon die pure Bitte eine Zumutung und ein – in meinen Augen – nicht zu beschönigender Eingriff in die Pressefreiheit.

Aber die SaSe-Leser können sich darauf verlassen: Oliver Paul liest das hier gerade eben genauso zum ersten Mal wie sie!

Das ist es, was ich meine mit „wird jede Recherche zum publizistischen Highlight“. Gerade eben lautete die Überschrift noch „In Ostrach müssen Schüler schleichen“ und wird sofort getoppt durch „Eingriff in die Pressefreiheit“!

Leuts, ich bleib am Ball! Und der ist nicht nur rund, sondern schreiend bunt!

Kurz vor der Veröffentlichung meldet sich Schulleiter Oliver Paul dann noch persönlich per Telefon bei mir. Er entschuldigt sich für den Vorgang des Anrufs mit der Ansage, er wolle die Veröffentlichung vor der Veröffentlichung sehen. So sei das nicht gemeint gewesen. Möglicherweise gab es da intern ein kommunikatives Missverständnis? Keinesfalls wolle er (meine) Pressefreiheit infragestellen. Oliver Paul lädt mich herzlich in das Reinhold-Frank-Schulzentrum ein, um mir ein Bild vom pädagogischen Gesamtkonzept machen zu können, das mitnichten darauf abziele, den aufrechten Gang („wir schleichen“) der Schüler zu beugen.

Ja, können wir alles machen. Und das auch noch gern. Aber die Tafel steht seit Jahren in der Schul-Botanik herum. Und die Ansage mit der gewünschten Einsichtnahme vor Veröffentlichung ist so erfolgt. Nachträgliches Zurückrudern ist verständlich und legitim und wird hier ordnungsgemäß, aber eben auch im Gesamtkontext berichtet.

Aus meiner Sicht können wir trotzdem noch gute Freunde werden, Herr Paul. Und für orthografische Fragen steht Ihnen Frau Sprachwissenschaftlerin sowieso immer gern zur Verfügung.

 

1 Kommentar

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boah, nicht nur die Gemeinderatsitzung vom Montag hat es in sich. Hier lässt sich sowas von gaserwärmend die gute Zusammenarbeit des Bügermeisters und seinen Gemeinderäten mit der Energiefirma erkennen (tolles Team), nein auch die im Veranstaltungsort (Schulzentrum Ostrach) im Voyer vorhandene Ordnungstafel für die Schüler hat es insich, nach dem Motto „Ordnung ist das halbe Leben“ wird hier den Schüler klare Kante gezeigt (flüstern, schleichen….).

Zu dem Fauxpas der Vertreterin der Südwest Energie, es gäbe im Falle einer Explosion eines Tankwagens im Umkreis von 100m nichts Schützenswertes,
na denn toll 1000 Kühe sind halt nichts Schützenswertes

Da muss man ja satirisch antworten oder bitterlich weinen!

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