TS09/19: Heiligenberg: Südkurier-Artikel wiederholt Falschinformation zur Kurtaxe

+++ Bitte lesen Sie diesen TagesSenf mit Hingabe. Zwei Leute haben sich zwei Tage lange die Birne strubbelig diskutiert, wie man all die Fehlinformationen und Unwahrheiten des hier zur Kuratierung anstehenden Südkurier-Artikels nachvollziehbar auseinanderdividieren kann! +++

Der Südkurier-Artikel vom 29. Januar 2019 „Tourismuschef: Kurtaxe in Heiligenberg entspricht Gesetzeslage“ ist kein „normaler“ Bericht, keine „reguläre“ Berichterstattung. Er hat eine Vorgeschichte. Diese beginnt mit dem Südkurier-Artikel vom 22. November 2018 „Gäste müssen mehr bezahlen“ (online barrierefrei nicht verfügbar). Darin berichtet Karlheinz Fahlbusch, der in seiner Funktion beim Südkurier keinesfalls zu unterschätzen ist und nach Ansicht einiger Satiriker inzwischen Inventarstatus genießt, über die Gemeinderatssitzung Heiligenberg am 20. November 2018. Thema war unter anderem die Verdopplung der Kurtaxe sowie im Gegenzug die Einführung der Echt Bodensee Card (EBC). Der Protokollant des Südkuriers zitiert Bürgermeister Frank Amann mit der Aussage:

Die Kurtaxe ist nicht zweckgebunden und fließt in den allgemeinen Haushalt ein, wie Bürgermeister Frank Amann auf Anfrage von Claudia Schacht (Bürgerliste) feststellte.
(Südkurier 22.11.2018: „Gäste müssen mehr bezahlen“)

Diese Aussage sei sachlich falsch, argumentiert Herbert März vom Verein Gastgeber Uhldingen-Mühlhofen (GUM). Das sowie den tatsächlichen (und für jedermann leicht überprüfbaren) Sachverhalt beschrieb er in einem Leserbrief an den Südkurier, der, wen vermöge es noch zu verwundern, (wieder einmal) nicht abgedruckt wurde. Der Leserbrief ist kurz, sachlich und informativ.
Leider kann SaSe ihn nicht veröffentlichen, weil März immer noch in Verhandlungen mit der Südkurier-Redaktion zur Veröffentlichung steht.

Inhaltlich weist März in seinem Leserbrief darauf hin, dass die vom Südkurier zitierte Aussage des BüM in Heiligenberg schlicht sachlich falsch sei. Paragraf 43 des Kommunal-Abgabengesetzes Baden-Württemberg definiere zweifelsfrei, dass Einnahmen aus der Kurtaxe zweckgebunden sind. Immerhin gibt es zu diesem wichtigen Thema mit Bezug auf die Deutsche Bodensee Tourismus GmbH, die Gemeinde Langenargen und deren Kurtaxe-Satzung ein Gerichtsurteil vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim vom 2. Januar 2018. Quintessenz dieses Urteils ist: Die Kurtaxe-Satzung der Gemeinde Langenargen vom 24.10.2016 in der Fassung vom 20.02.2017 ist unwirksam. Die Deutsche Bodensee Tourismus GmbH ist nicht kurtaxefähig.

Der Südkurier weigerte sich hartnäckig, den Leserbrief zu veröffentlichen. Die Begründung für diese Verweigerungshaltung: März lege dem Heiligenberger Bürgermeister Frank Amann „im Prinzip einen Rechtsbruch“ zur Last. [An dieser Stelle hat mir meine Redaktionsassistentin Dörte Dorsch wieder einmal die Tastatur weggenommen … und sie mir erst für folgenden Satz wiedergegeben]: Für die unabhängige Presse ist so ein Vorwurf Anfang einer investigativen Recherche und transparenten Berichterstattung.

Im nächsten Schritt wandte sich Herbert März an die Südkurier-Chefredaktion. Daraufhin erhielt er eine aufschlussreiche Mail aus der Südkurier-Redaktion Heiligenberg, in der angekündigt wurde, das Thema in einem „redaktionellen Artikel“ zu behandeln. Auf diesen „redaktionellen Artikel“ mussten die Heiligenberger Bürger, die Südkurier-Leser und Herbert März dann fast acht Wochen lang warten. Das Ergebnis ist der diesem TagesSenf zugrundeliegende Artikel.

Dazwischen lag noch März‘ Information und Beschwerde an den Deutschen Presserat, weil er durch die via Südkurier verbreitete Fehlinformation einen Verstoß gegen geltendes Presserecht vorliegen sah.

Nun erschien am 29. Januar 2019 der wiederum von Fahlbusch in Kooperation mit der Überlinger Lokalredateurin Jenna Santini verfasste Beitrag „Tourismuschef: Kurtaxe in Heiligenberg entspricht der Gesetzeslage“.

Obwohl ich viele Jahre meines Lebens an der Universität Konstanz verbracht habe, wo man mir beizubringen trachtete, alle möglichen Arten von Texten zu analysieren und zu verstehen, scheitere ich an diesem komplett verwirrenden, eher des- als informierenden Stück staatstragender Pressearbeit.
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Manipulative Überschrift – ungeprüfte Aussage
Immerhin aber vermag ich die dabei zum Einsatz kommenden Textstrategien zu erkennen. Und das beginnt schon mit der meiner Meinung nach manipulativen Überschrift. Ohne jemanden auf den Schlips treten zu wollen: Ob die Kurtaxe-Satzung in Heiligenberg der Gesetzeslage entspricht (oder nicht), das kann der Tourismuschef Thomas Muff gar nicht beurteilen. Mutmaßlich ist dem so, den Verantwortlichen darf entsprechendes Bemühen unterstellt werden. Aber das letztendliche Urteil darüber liegt bei den Gerichten. Und gerade der Fall Langenargen und das Urteil des Verwaltungsgerichtshof Mannheim haben ja gezeigt: Die gerichtliche Überprüfung kann allerlei böse Überraschungen für die Urheber einer Kurtaxe-Satzung bereithalten.

Die Botschaft (des Südkuriers) an die Bürger jedoch ist eindeutig und meines Erachtens manipulierend: Es ist alles okay, alles im grünen Bereich, kein Grund zur Sorge, zur Überprüfung oder zu rechtsstaatlichen Verfahren, die erst und allein diese Rechtmäßigkeit bestätigen könnten.

Außerdem wiederholen Fahlbusch und Santini noch einmal exakt die Fehlinformation, die durch März schon richtiggestellt wurde, was Santini in ihrer Mail an März vom 6. Dezember 2018 ja auch ausdrücklich bestätigt hatte. Darin schreibt sie:

Sie stellen zurecht die Äußerungen im Heiligenberger Gemeinderat hinsichtlich der zweckgebundenen Kurtaxe infrage. Ich habe den Gesetzestext gelesen, auf den Sie verwiesen haben.
(E-Mail Lokalredaktion Heiligenberg, Jenna Santini, am 06.12.2018 an Herbert März; Hervorhebg. K. B.)

Beachten Sie die „geschickte“ Wortwahl der Südkurier-Redakteurin. Sie behauptet, März stelle die Äußerungen im Heiligenberger Gemeinderat „infrage“. Das stimmt nicht: Er beanstandet sie als überprüfbar faktenwidrig. Der Bedeutungsunterschied zwischen „infragestellen“ und „beanstanden“ ist erheblich und vor allem: juristisch relevant!

Die Santini-Mail ist noch in einem zweiten Punkt fehlerhaft: Denn der Leserbriefschreiber beanstandet nicht die Äußerungen im Heiligenberger Gemeinderat hinsichtlich der zweckgebundenen Kurtaxe. Das Gegenteil ist der Fall: März kritisiert die potentielle Fehlinformation des Heiligenberger Bürgermeisters, dass die Kurtaxe eben nicht zweckgebunden sei und deshalb in den allgemeinen Gemeindehaushalt einfließen dürfe.

Fakt ist: Sie ist zweckgebunden und darf deshalb nicht in den allgemeinen Gemeindehaushalt einfließen.
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Wiederholte Falschinformation ist Desinformation?
TROTZDEM steht im Südkurier-Artikel vom 29. Januar 2019 erneut und faktenwidrig:

Der Gemeinderat hat beschlossen, die Kurtaxe während der Hauptsaison von April bis Oktober auf 2 Euro zu erhöhen. In der Nebensaison wird erstmals eine Kurtaxe von 1 Euro erhoben. Die Beträge beziehen sich jeweils auf einen Tag, wobei An- und Abreisetag zusammen einen Aufenthaltstag bilden. 75 Cent der Kurtaxe gehen an den Verkehrsverbund Bodo zur Finanzierung des kostenlosen ÖPNV für Feriengäste. Dies ist Bestandteil des Angebots der Echt-Bodensee-Card (EBC). Der Rest der Kurtaxe fließt in den allgemeinen Haushalt ein, wie Bürgermeister Frank Amann in der Ratssitzung erläuterte.
(Südkurier 29.01.2019: „Tourismuschef: Kurtaxe in Heiligenberg entspricht Gesetzeslage“; Hervorhebg. K. B.)

Diese Aussage ist falsch! Im dunklen Wald etwa wissen sie das.
Es kommt noch hinzu, dass der Südkurier bei dieser definitiven Falschinformation pikanterweise nicht den Konjunktiv verwendet, um solcherart darauf hinzuweisen, dass hier (nur) der Bürgermeister zitiert wird. Nein, die Aussage steht im Indikativ und erhält damit Tatsachencharakter, obwohl Santini und der Südkurier-Protokollant mit dem kompensatorischen Stab-Scanner wissen, was Santini auch in ihrer Mail schon schriftlich bestätigt hatte: Die Kurtaxe darf nur zweckgebunden verwendet werden und fließt eben nicht in den allgemeinen Haushalt ein.

Wie ist eine solche nachhaltige – meine Meinung nach: – Desinformation zu erklären?
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Erst zahlen, dann kostenlos nutzen?
Exegeten aller Länder, vereinigt euch und erklärt mir diesen Passus des vorliegenden Südkurier-Artikels:

DBT-Umlage nicht in Kurtaxen-Kalkulation
Thomas Muff, Heiligenberger Tourismuschef, erklärt zu der Gebühr: „Die 25 Cent sind entsprechend der vertraglichen Regelungen pro Übernachtung an die Deutsche Bodenseetourismus GmbH zu überweisen.“ Im Gerichtsurteil wurde ihm zufolge lediglich die Berücksichtigung der 25 Cent in der Kalkulation der Kurtaxe als nicht zulässig erklärt. Dies habe die Gemeinde auch so umgesetzt und die Umlage an die DBT in der Kalkulation nicht berücksichtigt. Der Tourismuschef sagt: „Wir haben lediglich eine Berechnung mit dem anteiligen Betrag für den ÖPNV gemacht.“ Dies ist laut Kommunalabgabengesetz zulässig: Dargelegt wird unter anderem, dass eine Kurtaxe erhoben werden kann, wenn es, gegebenenfalls auch im Rahmen eines überregionalen Verbunds, die Möglichkeit für die Gäste gibt, den ÖPNV kostenlos zu nutzen.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

Hö???

Hinsichtlich der Südkurier-Berichterstattung schwanke ich zwischen Bewunderung für das Vermögen, einen ohnehin komplizierten Sachverhalt vollends unverständlich zu machen, und dem Entsetzen darüber, dass sich Fahlbusch und Santini auch zur glatten Lüge hinreißen lassen; insbesondere wenn diese Lüge aus dem Artikel selbst heraus belegbar ist. Der ÖPNV ist für die Gäste mitnichten kostenlos!  Das haben die zwei journalistelnden Gescheitle oben selbst geschrieben:

75 Cent der Kurtaxe gehen an den Verkehrsverbund Bodo zur Finanzierung des kostenlosen [sic] ÖPNV für Feriengäste.
(ibid.)

Der Satz ist schon in sich unlogisch, denn wenn der Gast 75 Cent für den ÖPNV bezahlt, ist der ÖPNV für ihn nicht kostenlos. Man ahnt, was gemeint ist: Der Gast muss beim Einstieg in die jeweilige Darreichungsform des ÖPNV nicht noch einmal einen Fahrberechtigungsausweis erwerben. Er wickelt diese Kosten über die entrichtete Kurtaxe ab.

Aber so verwirrt man die Leser und Steuerzahler und macht ein komplexes Thema gänzlich unverständlich.
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Erklärungsoptionen bei „Die Anstalt“?
Der Sachverhalt ist hochkomplex. Ich habe Verständnis für Bürger, die bei diesem Thema und dem neuen Südkurier-Artikel schon nach der Überschrift mental aussteigen. Mir fällt es ja selbst nicht leicht, das alles noch auseinanderzufieseln.

Aber das Thema ist wichtig, denn es betrifft das grundsätzliche Finanzierungskonzept der Bodensee Tourismus GmbH, die im Jahr 2017 Defizite im sechsstelligen Bereich erwirtschaftet hat. Es geht um Steuergelder in Millionenhöhe! [siehe Anmerkung unten] im sechsstelligen Bereich.

Über die Motive des Südkuriers für diese verwirrende und potentiell falsche Angaben zitierende Berichterstattung ohne Richtigstellung lässt sich nur spekulieren. Mir fällt dazu insbesondere die wieder einmal sagenhafte Satire-Sendung „Die Anstalt vom 29. Januar 2019 ein. Thema dort war die Deutsche Bundesbahn mit besonderer Würdigung des Steuergelderversenkungsprojekts Stuttgart 21. Zur Sprache kam dabei auch die Rolle der Stuttgarter Zeitung (vgl. Faktencheck Die Anstalt vom 29.01.2019). Die Satiriker bezogen sich dabei auf einen Stern-Artikel vom 7. Oktober 2010 „Medien und Stuttgart 21: Fahrt auf schwäbischem Filz“. Darin stellt Autor Hans Peter Schütz in einer Zwischenüberschrift die Behauptung auf: „Ohne Stuttgarter Zeitung kein Stuttgart 21“.

Und tschüs!  Denn ich möchte nicht, dass Sie und der Justiziar des Südkurier mich bei meinen weiteren Gedankengängen dazu begleiten ….

Gemeinsam allerdings können wir gerne abwarten, was der Deutsche Presserat zu diesem Gesamtvorgang meint. Dort steht das Thema „Südkurier – Heiligenberg – Berichterstattung Kurtaxe“ für eine Sitzung im gleichnamigen März auf der Tagesordnung.

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Anmerkung zur Aktualisierung am 03.02.2019:
Zu meiner obigen Formulierung von „Verlusten in Millionenhöhe“ erhalte ich eine Leserzuschrift, die sich auf die Bilanz der DBT 2017 bezieht. Der offensichtlich mit betriebswirtschaftlicher Analysekompetenz ausgestattete SaSe-Leser weist darauf  hin, dass der Begriff „Millionenverluste“ seiner Meinung nach übertrieben sei. Zwar beziffert er auch für 2018 einen zu erwartenden (!) Fehlbetrag in Höhe von 830 300 Euro, geprüft liege der Jahresabschluss 2018 aber erst in einigen Monaten vor. Für 2019 wagt der Leser die Prognose, dass die DBT ohne Verluste abschließen könnte!

Ich bedanke mich für diese kompetente Analyse und übernehme deren Ergebnis gern korrigierend für meinen Artikel!

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