TS115/19: KONTEXT zur Qualitätsjournalismus-Kampagne der südwestdeutschen Verleger

Die Kampagne des Verbands Südwestdeutscher Zeitungsverleger zum angeblich exerzierten Qualitätsjournalismus in der vergangenen Woche war eine derbe Provokation für alle unabhängigen und kritischen Journalisten. Für die von einer Werbeagentur konzipierte Kampagne gibt es eine eigene Webseite mit der unverortbaren Behauptung, die beste Zeit für guten Journalismus sei jetzt. Die Webseiten-URL verspricht: „Journalismus zeigt Gesicht“.

Zum Verband der Südwestdeutschen Zeitungsverleger gehören auch die beiden regionalen Tageszeitungen Südkurier und Schwäbische Zeitung (SchwäZ). Deren Anführungszeichen-Qualitätsjournalismus ist durchlaufendes Thema auf diesem Blog.

Das hausbackene Selbstporträt der stellvertretenden SchwäZ-Redaktionsleiterin Tanja Poimer in Tettnang – „Flädle oder Fritatten“ – vom 3. November 2019 muss als klümpchenhaltiger Ausfluss dieser Kampagne gesehen werden.

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Kampagne mit einem Symbol der Gleichschaltung
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Schon wieder realsatirische Qualität hat das Kampagnen-Element, am 6. November 2019 über 50 Zeitungen aus diesem Verband mit der identischen Titelseite erscheinen zu lassen:
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Was denken sich Werbefuzzis eigentlich bei so etwas? Eine rhetorische Frage. Hoffentlich geht diese Aktion in die Medien- und Pressegeschichte des Landes ein. Denn symbolträchtiger für den Verlust von Presse- und Meinungsvielfalt ging es nicht. Ausschnitt Bildzitat Screenshot Kreiszeitung Böblinger Bote 06.11.2019

Was denken sich Werbefuzzis eigentlich bei so etwas? Eine rhetorische Frage. Hoffentlich geht diese Aktion in die Medien- und Pressegeschichte des Landes ein. Denn symbolträchtiger für den neuerlichen Verlust von Presse- und Meinungsvielfalt 2019 geht es nicht.
Ausschnitt Bildzitat Screenshot Kreiszeitung Böblinger Bote 06.11.2019

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Die Gleichschaltungssymbolik dieses Einheitsauftritts von mehr als 50 Zeitungen im Ländle scheint keinem der Verantwortlichen bewusst zu sein?

Damit immerhin beweist der Verleger-Verband Kontinuität und Traditionsbewusstsein. Der Journalist und Autor Tobias Jaecker erinnert in seinem Vortrag „Journalismus im Dritten Reich“ an die Reaktion des damaligen Verleger-Dachverbandes  auf die Abschaffung des Grundrechts auf Presse- und Meinungsfreiheit:

Vom Verband der deutschen Zeitungsverleger (VDZV) war kein Widerstand mehr zu erwarten. Nach der antijüdischen Boykottaktion Anfang April 1933 hatte sich der VDZV in einer Ergebenheitsadresse mit den Nazis solidarisch erklärt und gegen die „Greuelhetze“ aus dem Ausland protestiert (Frei/Schmitz 26). Der NSDAP war es ein leichtes, den Verband zu übernehmen. Am 28. Juni 1933 wurde Max Amann zum Vorsitzenden ernannt, der Verband wurde in Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger (RDZV) umbenannt. Die Delegierten des Journalisten-Verbandes Reichsverband der Deutschen Presse (RDP) wählten am 30. April einstimmig den Reichspressechef der NSDAP, Otto Dietrich, zu ihrem neuen Vorsitzenden (Frei/Schmitz 1999: 26 f.). Ferner beschloss die Versammlung, „Juden und Marxisten“ künftig nicht mehr aufzunehmen.
(Tobias Jaecker Vortrag „Journalismus im Dritten Reich“, 2000).
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KONTEXT: „Wenn Vielfalt Wurst ist“
Die verschiedenen Reaktionen und Kommentare zu dieser Kampagne decken nahezu alle Schwächen und Heucheleien derselben ab. Josef-Otto Freudenreich von der Wochenzeitung KONTEXT ordnet  in dem Beitrag „Wenn Vielfalt Wurst ist“ die grüne Landesregierung und Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Werbeikone der Kampagne zutreffend ein.

In dem KONTEXT-Beitrag „Die Stunde der Pharisäer“ legen die Chefredakteurin Ulrike Trampus der Ludwigsburger Kreiszeitung, die sich der Kampagne entzogen hatte, der Leiter des VERDI-Fachbereichs Medien Siegfried Heim und einige Journalisten, die vormals für Zeitungen des Verbandes tätig waren, Zeugnis ab. Zu denen gehört auch der früher Südkurier-Redakteur Michael Lünstroth, der SaSe-Lesern vielleicht aus dieser Satire bekannt ist.
Eine gewisse Karin Burger ist auch dabei.

Im Übrigen sei neuerlich auf die SaSe-Satire-Serie zum Südkurier verwiesen. Oder auf den TagesSenf zum Tag der offenen Tür bei der Schwäbischen Zeitung im Mai 2019. Und für die Masochisten unter meinen Lesern hier noch einmal ein Original-Beleg des Südkurier zu den Schweine-Honoraren  für freie Mitarbeiter (detailliert mit Erklärungen hier).

Zum Abschluss noch der Beweis dafür, dass das Kampagnen-Element der Gesichtszeigerei auch zur ästhetischen Belastung werden kann:
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Karin Burger Foto: Thomas Ascher mit imposanter Akribie und Kompetenz unter wahrhaft widrigen Arbeitsbedingungen ...

Karin Burger
Foto: Thomas Ascher mit imposanter Akribie und Kompetenz unter wahrhaft widrigen Arbeitsbedingungen …

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