TS136/15: Lügenpresse + Ambition + Sterbehaus + Nur-Kabarett

+++ „Tagesspiegel“: Satire über Lügenpresse
Das Mimimi der Rechten und noch schlimmer derer, die es nicht sein wollen, über „Lügenpresse“, „Trolle“ & Co. wird zunehmend unerträglich. Bernd Matthies reagiert im Tagesspiegel mit der Satire Wie die „Lügenpresse“ funktioniert“.


+++ Satire in Flüchtlingsunterkünften?
Deutschlandfunk berichtet über das Projekt: „Der Weg zur deutschen Einheit“-Satire soll in Flüchtlingsunterkünften gezeigt werden. Der passende Euphemismus zu diesem Projekt scheint mir: „sehr ambitioniert“?


+++ Satire-Qualitäten: Das „Sterbehaus“ der Deutschen Bank
Der faszinierende ZEIT-Artikel Deutsche Bank: Sie nennen es Sterbehaus ist nicht als Satire gekennzeichnet. Und es soll auch wohl keine sein. Und trotzdem weise ich ihm deren Qualität zu. Das Sterbehaus ist der passende Beleg zu dem Effekt, den ich in meiner „Applikation“ von Paul Westheims Roman Heil Kadlatz! in SaSe58 angesprochen hatte: das permanente Einhämmern der Realsatire auf den satireverliebten Zeitgenossen. Der Artikel ist literarisch: Die Skurrilität der Protagonisten kuschelt sich mit Tränen in den Augen an den Zynismus des Systems. Gemeinsam führen sie Letztgenanntes ad absurdum.
Und merke auf: Den Hinweis auf diesen sensationellen Artikel habe ich bei D(d)enkfunk gefunden! Also scheint irgendjemand dort (wenigstens noch) intelligent zu lesen? Oder ist der Beitrag nur wieder Futter für die flache Kapitalismuskritik und soll – siehe folgende Meldung unten – „die alten Standards bedienen“?


+++ Blatt-Kritik: Tim Wolff über „Tichys Einblick“
Der Titanic-Chefredakteur Tim Wolff hat sich auf Bitten von turi2 das „Blatt“ Tichys Einblick mal etwas genauer angesehen. Ganz nebenbei schlägt er dabei einige Wegweiser für Satire ein; hilfreich in diesen kreise(l)nden Zeiten. Wolff erinnert an die satirische Leitorientierung des Komikers George Carlin: „Bullshit is everywhere und unterfüttert die permanente SaSe-Kritik am aktuellen Output des populistischen Mainstream-Kabaretts mit:

Diese Worte des amerikanischen Komikers George Carlin (1937–2008) stellen eine gute Handlungsanweisung für Satiriker dar. Erinnern sie doch daran, nicht ständig die alten Standards neu zu bedienen, nichts dem Verdacht zu entziehen, eine weitere Quelle für Dummheit zu sein. Das gilt natürlich auch und gerade für die eigenen Vorurteile, die man in einem Satirikerleben anhäuft (Es entspricht übrigens sieben normalen Leben). Macht man dies nicht, produziert man am Ende nur Kabarett.
(turi2 01.11.2015: Blattkritik: Tim Wolff, Chefredakteur „Titanic“, über „Tichys Einblick“; Hervorhebg. SaSe)

Senf: Das liest sich wie der tägliche mentale Fitnessplan für den Satiriker, der das Genre lebt und nicht nur als Output- und CD-Verkaufsanlass begreift: „nicht ständig die alten Standards neu zu bedienen“. Welchem SaSe-Leser fielen da nicht Hülle und Fülle von ad nauseam insbesondere durch bestimmte Kabarettisten bediente Standards ein? Gerade auch jetzt – beim Flüchtlingsthema? Dann stürmt Wolff den Denk- und Ethosgipfel: „Das gilt natürlich auch und gerade für die eigenen Vorurteile“.

Den letzten Wolf-Satz im obigen Zitat verstehe ich nicht. Er würde bedeuten, Wolff trennt Kabarett von Satire? Gölte es da nachzufragen? Oder diese Trennung anwenden? Da reißen Horizonte auf … Kabarett hat mit Satire gar nichts zu tun? „Nur-Kabarett“! Dann habe ich mich ganz umsonst (über Denkfunk) aufgeregt? Das wäre eine elegante Lösung, um den Themen-Komplex (beide Lesarten für „Komplex“ möglich) auf einen Schlag loszuwerden? Mmmhhh …

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