TS138/15: „Satoon“ + Faschismus funzt + „El Club“ + ARD-Satire + Syrer-Fake

+++ „Satoon“ – Konkurrenz für „Titanic“?
Die Mischung soll „ungewöhnlich“ sein, die von Cartoon, Comics und Satire. Damit tritt ein neues Satiremagazin an den Start: Satoon. In der Holzklasse! Erstauflage: 50.000 Exemplare. Geburtsdatum: 7. November 2015. 3,50 Euro kostet der Spaß, der dann aber auch ca. 92 Seiten bietet. Satoon-„Kopf“: Thomas Völcker, der nach Medienmilch-Berichterstattung auf sage und schreibe 18 Zeichner und Autoren zurückgreifen könne. Das erste Cover ist schon verfügbar und turnt ab durch Amazon-, Netflix- und Co-Werbung eben dort!
Die verlagseigene Pressemitteilung tönt leicht megalomanisch: Die Zeitschriftenregale seien „enthumorisiert“. Müssen sich das Titanic und Eulenspiegel wirklich ins Stammbuch schreiben lassen? Das neue Satiremagazin (dagegen?) stelle komische Unterhaltung und sachliche Information nebeneinander. Potzblitz und Regenwurm! Dabei komme den Cartoons tragende Bedeutung zu. Das klingt aber spannend, klingtesnicht?
Der Sammelankündigung in WUV zu den insgesamt drei Printneustarts diese Woche ist dann noch die Herausgeber-Verlautbarung zu entnehmen, dass dieses Land Humor bitter nötig habe. Hammer! Auch die Finanznachrichten nehmen sich der Neuerscheinung an.
Ob dieser Internetauftritt zu dem bisher leider nach Wiederbelebung eingeschlafener Satirefüße klingenden „Innovation“ gehört, lässt sich deshalb nicht sicher sagen, weil zumindest ich dort kein Impressum finde.

Senf: Ich weiß auch nicht, warum ich mich jetzt so gar nicht für das Blättle begeistern kann. Aber in Zeiten nahezu täglich neu erscheinender Satire-Blogs hat für mich noch eine Printversion von Satire das zum Konsum einladende Verführungspotenzial geschabten Elefantenhufs.


+++ Serdar Somuncu im Deutschlandfunk über den aktuellen Faschismus
Anlässlich der Neuerscheinung von Somuncus Buch Der Adolf in mir und der Tatsache, dass das Urheberrecht für Adolf Hitlers Mein Kampf ausläuft, hat der Deutschlandfunk ein Interview mit dem kantigen Kabarettisten geführt: In Deutschland funktioniert heute noch ein faschistoides System.


+++ „El Club“: Brisante Satire über Pädophilie bei Priestern
Er sei ernster als eine schwarzhumorige Satire, schreibt rp-online über den neuen Kinofilm des chilenischen Regisseurs Pablo Larraine (Drehbuch: Guillermo Calderón): El Club. Der beginne wie eine harmlose Rentner-Gaunerkomödie. Vier ältere Männer leben in einer WG an der Nordküste Chiles. Zur Teilnahme an Hunderennen richten sie einen Windhund unter gruseligen Bedingungen ab. Bald kommt heraus: Alle Vier sind ehemalige Priester und vorbestraft wegen Pädophilie. Dynamik erhält der Plot durch einen Neuzugang zur WG, die sich als offener Strafvollzug herausstellt und von einer ebenfalls „vielschichtigen“ Nonne geleitet wird. Der Film lasse sich jedoch nicht als schwarzhumorige Satire abtun. Dafür nehme er das Thema viel zu ernst. Ein trister Film, der aus einer menschengeschaffenen Hölle berichte.
Der Spiegel sieht das so.


+++ Satire-Abend in der ARD – Highlight Olli Dittrich
Das war gestern Abend ein sehr anstrengender Satire-Abend in der ARD. Weil lang. Immerhin begann er gleich mit dem Highlight, sodass niemand etwas verpasst hat, der nach Olli Dittrich in seiner Paraderolle als Franz-Beckenbauer-Double Schorsch Aigner ins Bett ging: Das FIFA-Märchen: Fragen an Schorsch Aigner. Die Berliner Morgenpost würdigt das sensationelle Satire-Stück, das von Dittrichs hervorragenden Schauspieler-Qualitäten lebt, nicht unbedingt originell, aber so: „Eine Sternstunde des deutschen Fernsehens“. Man wünschte sich mehr solcher Satire-Dokus! Berichterstattung auch bei Spiegel.

Olli Dittrich macht den qualitativen Absturz zum nachfolgenden Nuhr im Ersten erst richtig schmerzhaft. Dort das bekannte Personal: Ingo Appelt, Torsten Sträter. Neu und als einzige Frau trat Hazel Brugger auf, die es auch verdient hätte, mit ihrer starken Kabarettleistung endlich unabhängig von der muffigen Altherrenriege zu werden! Auftritt mit und bei Dieter Nuhr können meiner Meinung nach für einen seriösen Kabarettisten karriereschädlich sein. Und wenige besitzen so viel künstlerische Souveränität und mediale Autarkie wie ein Abdelkarim, dem selbst ein Nuhr-Gastspiel nicht schaden kann.

Wem es mit Nuhr und Appelt noch nicht abgelöscht hatte, der durfte eine neue Ausgabe des Satire-Formats von Olaf Schubert bestaunen: Humorzone (HP; Mediathek). Dort beeindrucken die extrem kurz getakteten Auftritte von Kabarettisten, die man eher seltener (als Torsten Sträter und Dieter Nuhr) im Fernsehen sieht, auch wenn Schubert ebenfalls nicht ohne den präsenilen Vorleser mit der Mütze auskam. Gag am Rande: Zum Abgang überreichte er Torsten Sträter eine Wechselmütze in Pullunder-Optik! Ein viel zu kurzer Hochgenuss war Rainald Grebe. Des Weiteren: der offensiv-sympathische Maxi Gstettenbauer, der souveräne Dietmar Wischmeyer, der Sprachvirtuose Willy Astor („ … mit dir bei Esso ess“), Özcan Cosar und … Karel Gott! Die Qualitäten der genannten Kabarettisten lassen sich auch klar aus der Tatsache ableiten, dass keiner der genannten Autor bei D(d)enkfunk ist!


+++ „Postillon“ narrt wieder die Medienwelt
Er schafft es immer wieder: Stefan Sichermann, der Herausgeber des erfolgreichsten Satireblogs ever. Erneut fallen Medien auf eine Postillon-Meldung (02.11.15) herein: Einzig anwesender Syrer auf Syrien-Friedenskonferenz in Wien serviert Häppchen. Ohne den Satirecharakter zu erkennen und für bare Münze genommen, verbreitete sich die Meldung weltweit. Syrische und britische Medien griffen sie auf. Der Weser-Kurier zeichnet den Irrlauf nach.
Der letzte Erfolgslauf dieser Art war der Postillon-Fake betreffs einer angeblichen Exklusivmeldung zu Roland Pofallas Wechsel von der Politik in den DB-Vorstand 2014.

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