TS24/20: Bürgermeister in Kreistagen: Die NRWZ interviewt die Frösche

Ich hatte das Demokratie-sensible Thema „Bürgermeister in Kreistagen“ (unpassenderweise) im Kontext Spaichingen schon einmal angerissen und erklärt. Die diesbezügliche Sondersituation wie auch die bundesweit einmalig starke Position von Bürgermeistern in Baden-Württemberg und Bayern ist in der Süddeutschen Ratsverfassung begründet (Bachelor-Arbeit dazu). Die vereinigt sämtliche kommunalen Kompetenzen in einer Person.

In Niedersachsen etwa ist ein Kreistagsmandat für den Bürgermeister einer kreiszugehörigen Gemeinde grundsätzlich ausgeschlossen und durch jüngere Gerichtsurteile bestätigt.

Paradoxerweise jedoch ist derselbe Mechanismus für den Landtag Baden-Württemberg anerkannt: Landräte können nicht Landtagsabgeordnete sein. Die Parlamentsreform 2016 formuliert die strikte Unvereinbarkeit von Amt und Mandat.

Die Neue Rottweiler Zeitung (NRWZ) greift das Thema in ihrem aktuellen Beitrag „Lähmende Abhängigkeit vom Landrat? Dr. Aden hält Bürgermeister im Kreistag für fehl am Platz“ auf. Zur Person und Sache:

Dr. Gerhard Aden  ist ehemaliger Landtagsabgeordneter der FDP, sitzt jetzt für die Partei im Gemeinderat von Rottweil und im Kreistag (Bild). Und er ist bekanntermaßen ein streitbarer Geist. Vergangene Woche hat er mal wieder an ein altes Thema erinnert: die vermeintlich nicht gegebene Unabhängigkeit von Bürgermeistern, die ein Kreistagsmandat innehaben. Das solle man gesetzlich verbieten, fordert Aden. Die NRWZ hat diese Forderung im Kreistag Rottweil vertretenden Bürgermeistern vorgelegt. Sie sind, wen wundert’s, anderer Meinung als Aden.
(Neue Rottweiler Zeitung 08.02.2020: „Lähmende Abhängigkeit vom Landrat? Dr. Aden hält Bürgermeister im Kreistag für fehl am Platz“)

Anschließend dürfen sich – in alphabetischer Reihenfolge – verschiedene Bürgermeister des Kreises zur Trockenlegung der Sümpfe äußern. Wo doch der Volksmund schon länger weiß, dass das Statement der Frösche zu dieser Frage vorhersehbar ist. Auch bei der NRWZ ist die Überraschung nicht groß: Die Bürgermeister mit Kreistagsmandat sind gegen Adens Forderung. Den – zum Beispiel von Gerichten in Norddeutschland immer wieder konstatierten – Interessenskonflikt aus dieser Amt-Mandat-Kopplung anerkennen sie nicht oder reden ihn klein.

Den Informationsgewinn aus diesem NRWZ-Artikel halte ich für gering bis verzichtbar. Weder erklärt er die kommunalverfassungsrechtliche Sondersituation in Baden-Württemberg noch werden Adens Argumente (und die der Kritiker dieser Amt-Mandat-Kopplung) aufgeführt.

Einen Zeitungsartikel kann man nicht mit einer Bachelor-Arbeit vergleichen, aber wer sich für dieses wichtige Thema interessiert, dem sei dieselbe von Michaela Kopf aus dem Studienjahr 2010/2011 am der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg empfohlen. Zwar muss auch diese junge Dame zusehen, dass sie sich nicht selbst die Karriere im Verwaltungswesen dieses Landes verbaut, dennoch kommt Kopf zu dem Fazit:

Abschließend  kann  gesagt  werden,  dass  es  einiges  gibt,  was  für Bürgermeister  im  Kreistag  spricht,  aber  dass  es  auch  vieles  gibt,  was gegen eine Kreisvertretung durch die Bürgermeister spricht.
(Bachelorarbeit Michaela Kopf 2010/2011, Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg: „Bürgermeister in Kreistagen – Ist damit Demokratie möglich?“)

Die Bewertung des Phänomens macht sie ausdrücklich auch vom quantitativen Anteil der Bürgermeister an den Kreisräten insgesamt abhängig.

Das Thema erhält in Baden-Württemberg dann noch einmal einen besonders unglücklichen Dreh, weil die AfD-Fraktion im Landtag im August 2019 einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, der die Unvereinbarkeit von Bürgermeisteramt und Kreistagsmandat formuliert. Nun tritt sicherlich der Kemmerich-Effekt ein und wir müssen mit der inhaltlichen Diskussion zu diesem Thema leider die nächsten 1.000 Jahre abwarten!

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