TS4/16: Genitivmord + Kritik minus + Deppensynopse + Cover-Blut + Filmgottlästerung

+++ Schweigen im Sattel – der geile „Netzfrauen“-Trick
Wenn jemandem der Gaul durchgeht, dann sind die ersten Kilometer in der Regel nicht so interessant. Zum einen besteht immer noch die Möglichkeit, dass der Reiter genügend Erfahrung und Kenntnis besitzt, das Tier zu bremsen. Zum anderen kann auch der Gaul selbst zur Vernunft kommen. Wenn jedoch Reiterinnen willentlich mit einer Reiszwecke zwischen Sattel und Mitgeschöpf unterwegs sind, das Pferd schon längst von allen guten Geistern verlassen durchs tiefe Unterholz prescht, dann lohnt sich wieder der Blick. So etwa behaupten die durch das sogenannte Tchibo-Gate endgültig der Lächerlichkeit anheimgefallenen Netzfrauen aktuell:

Wir „kritikunfähigen“ Netzfrauen hätten nie gedacht, dass wir uns mal wegen eines #‎Shitstorms bedanken müssen. Aufgrund des Shitstorms wegen dem Kunstfell wurden die Schweizer Medien aufmerksam und haben sich diesem Thema [sic!] angenommen. Es schaffte es sogar auf die Titelseite. Somit sind nun auch die Schweizer gewarnt und die Tierschützer haben uns gedankt. Manchmal hat auch ein Shitstorm etwas Gutes. Danke an alle Kritiker im Namen der Tiere.
(Facebook Netzfrauen Faden vom 02.01.2016; Hervorheb. SaSe)

SaSe konnte übrigens kein einziges Tier ausfindig machen, dass diese schwülstige Namensusurpation bestätigen wollte …
Holla, die Netzfee: Die Schweizer Medien seien aufmerksam geworden und hätten in Tätergemeinschaft mit den Netzfrauen dem standardsprachlichen Genitiv bei „sich annehmen“ den Tod besorgt. Inhaltlich fällt natürlich sofort und dringend auf: kein Artikel, kein Text verlinkt! Würde nicht sogar ein Netzmann im Freudentaumel über derlei berauschende Siege triumphierend den entsprechenden Link einstellen? Ja, würde er! Aber das ist eben der obergeile Netzfrauen-Trick: die Quellen erst gar nicht benennen!

Wer Google-Schweiz (!) auf die Suchbegriffe „Tchibo Schlüsselanhänger“ befragt, erntet nach vielen Werbeanzeigen erst auf Seite 3 ganz unten diesen Treffer mit einem Beitrag vom 21. Dezember 2015: Darin allerdings geht man nicht sehr liebevoll mit den Netzfrauen um.

Tunnelblick an, stur voran
Den Netzfrauen und ihrer Leserschaft schien das allerdings recht egal zu sein. Es könnten ja schließlich Tiere in Gefahr sein. Und sobald diese Botschaft angelangt ist, sind alle Fakten irrelevant. Es tritt ein besonders starker Reflex gegenüber Schutzbedürftigen wie Tieren ein und zusammen mit der gesenkten Hemmschwelle im Social Web stürzt sich das Kollektiv auf den gemeinsamen Feind. In diesem Fall eben Tchibo.
Wehrt sich der mutmaßliche Übeltäter oder stellt sich jemand mit Fakten an seine Seite, wird stur weiter die Offensive gefahren oder, noch besser, das Rollenspiel umgedreht. So kuschelten sich die Netzfrauen nach dem Statement von Tchibo in die Opferrolle. Man hätte ja nur gefragt, hieß es dann. Und jetzt würden sich gleich alle gegen einen stellen.
(Fifteen Seconds 21.01.15: „Was uns Fälle wie Netzfrauen gegen Tchibo über das Social Web verraten„)

Allerdings ist das gar kein Schweizer Medium, wie ein Blick ins Impressum verrät. Aber der Ruhm Ruch der Netzfrauen war ja schon vorher bis nach Österreich geweht.
Ein neuer Google-Schweiz-Versuch mit dem Suchauftrag „Netzfrauen Tchibo“ bringt nur die bisher schon bekannten Treffer, wie sie auch hier schon sehr schön arrangiert wurden.

Welche sich dem Dativ annehmende Schweizer Berichterstattung meinen die Mütter bloß? Das fragen sich übrigens auch besorgt die NetzFfrauen!
Und was treibt schwangerschaftsgestreiften Reiterinnen bloß dazu, den tiergequälten Gaul immer tiefer ins lichtarme Unterholz zu hetzen?


+++ (Ausgerechnet) „heute-show“ macht sich über Frauenquote lustig
Die Kabarettisten sollten auch lieber den Mund halten – wenn es um die Frauenquote geht. Dieselbe ist im deutschen Fernsehkabarett unter aller Kanone. Auch wenn die heute-show mit Martina Hill alias Tina Hausten, Christine Prayon alias Birte Schneider, Carolin Kebekus et al. nicht gerade zu den Frauenquote-niedrigsten Sendungen in ÖR gehört, vermittelt diese Häme gegen Großkonzerne ein leichtes Störgefühl.


+++ „Reichsdeppenrundschau“ mit aktuellem Pressespiegel
Die Headlines changieren zwischen „Die kranke Welt der Reichsbürger“ und „Die wirre Welt von Reichsbürgern“ oder handlungsorientierter „Was tun, wenn der Reichsbürger kommt“. Einen amüsierten Überblick über die aktuellen Meldungen hat die wie immer zuverlässige Reichsdeppenrundschau zusammengestellt.


+++ „Charlie Hebdo“: Blutiger Gott auf dem Cover
Das Cover der Gedenkausgabe von Charlie Hebdo anlässlich des Jahrestags des Anschlags am 7. Januar ist schon bekannt: ein blutiger Gott. Meedia berichtet.


+++ Filmgottlästerung:  Spott für Til Schweiger
Ich staune ja, dass immerhin noch über – wie viel? – 7 Millionen (Einschaltquote für „Fegefeuer“) Menschen diesen Womm-Rums-Bums-Tatort mit Til Schweiger angesehen haben und das C-Picture mithin überhaupt ertragen konnten. Für mich ein No-Go, weshalb ich zum Film selbst nichts sagen kann. Das tut wohltuend die Netzgemeinde, die exakt das über Schweiger, diesen Größenwahn auf zwei Beinen, ausschüttet, was er gar nicht ertragen kann: Häme und Spott. Micky Beisenherz jedenfalls fand Til Schweiger als Bergdoktor gut. Es gibt auch schon eine Dialog-Zusammenfassung: „Peng!“ Überhaupt rangiere dieser Tatort unter der Überschrift „Friedhof für Nuscheltiere“. Ach ja und: „Helene ist ihren Atem los“. Meedia bietet einen Überblick.
Und Stefan Winterbauer hat sich dann noch einmal extra Zeit für den Mann genommen, der seinem Namen nicht zu gehorchen weiß. Aber Til Schweiger beschäftigt die Redakteure bei Meedia auch darüber hinaus: seine Reaktion auf die TV-Kritik plus kleiner Pressespiegel. Die Quintessenz dieses Tatorts bündelt ein Tweet als nicht brutalen Tatort, aber „brutal scheiße“.
Der gesamte Verlauf ist so abgrundorientiert, dass Meedia dann noch einmal nachlegen muss. Jens Schröder sieht den Tatort in der Krise. Darin en passant erwähnt das RTL-Alternativprogramm, die Disney-Produktion Ralph reicht’s“, die ich persönlich nur empfehlen kann! So wurde es doch noch ein unterhaltsamer Sonntagabend!
Und ich fange jetzt lieber nicht mit der Presseschau zum unfähigen Schweiger bei anderen Medien an – außer dieser Beitrag der HuffPo vielleicht.

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