TS44/19: Überlingen: Oberbürgermeister Jan Zeitler hält eher nicht so viel von Gewaltenteilung

Am 3. Mai 2019 berichtet der Südkurier – selbst einigermaßen fassungslos – über Äußerungen von Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler (SPD) anlässlich einer Einladung der Kreuzkirche Überlingen. Thema der feudalherrlichen Emissionen war „Suchet der Stadt Bestes, damit Lebensqualität erhalten bleibt“.

Anders als in Salem-Mimmenhausen hatte der Südkurier diese Veranstaltung mit Fritz statt mit Fritzchen besetzt. Es ist der Redakteur Stefan Hilser himself, der schon im ersten Absatz die Brisanz der Veranstaltung beziehungsweise der oberbürgermeisterlichen Äußerungen umzingelt:

Er lieferte einen Vortrag, in dem herauszuhören war, wie Zeitler sich daran stört, wenn abseits des Kommunalparlaments Entscheidungen kritisiert oder gar juristisch angegangen werden. Als Beispiel nannte er die Kritik des ADFC an der Radwegeführung in der Stadt. Sie lasse ihn „kalt“, sagte er.
(Südkurier 03.05.2019: „Im Zeichen des Kr[eu]zes: Wie Zeitler nach dem Besten für die Stadt sucht“)

So viel journalistische „Einordnungswucht“ würden sich viele Bürgerrechtler in den eher ländlich geprägten Gemeinden der umliegenden Landkreise wünschen. Mögliche Erklärungen für den offensichtlich divergenten Umgang des Südkurier mit Bürgerkritik an der Verwaltung in den verschiedenen Berichtsgemeinden oder – wie in diesem Fall – der Selbstentblößung der Feudalherren hatte ich schon in einem früheren Artikel in der völlig unterschiedlichen Abonnenten-Klientel gesucht. Es ist schwer vorstellbar, dass der Südkurier in Überlingen eine so bedeutende Veranstaltung wie die in Mimmenhausen mit einem journalistelnden Rentner besetzt, von dem wirklich unabhängige Berichterstattung schon deshalb nicht zu erwarten ist, weil sie a) nicht sein Beruf ist und der Berichterstatter b) in der Berichtsgemeinde auch leben (können) muss.

Stefan Hilser hört heraus, was er auch mit Zitaten belegt. Das höre ich auch und bin damit nicht allein. Nur kann ich mir als Blogglerin erlauben, was Hilser in seiner Rolle verwehrt ist: Das Gehörte noch klarer zu benennen. Der Überlinger Oberbürgermeister Jan Zeitler hält ganz offensichtlich nicht so viel von der Gewaltenteilung?  Ist ja auch nur ein Verfassungsgrundsatz in diesem Lande …

Wenn ein Oberbürgermeister sich öffentlich derart unbeschwert gegen verfassungsmäßige Grundsätze ausspricht, ist es vorderstes Privileg der am gleichen Ort vorhandenen demokratischen Kräfte, einen solchen Feudalherren-Klops nicht unkommentiert zu lassen. In Überlingen gibt es dafür die Wählerinitiative Bürger für Überlingen BÜB+.

Und die hat sofort reagiert. In dem Beitrag „Was bedeuten 51[]%?“ auf dem BÜB+-Blog veröffentlicht die Wählerinitiative ihre „Stellungnahme“ zu den oberbürgermeisterlichen Verlautbarungen. Darin kommt sie schon im ersten Absatz auf den entscheidenden Punkt:

Die BÜB+ hat die Widersprüchlichkeiten in diesem Vortrag, wie teils auch sehr fragwürdige Auffassungen, zur Kenntnis genommen. Erstaunt haben sie uns allerdings nicht, sind solche Aussagen fast schon normal in allen Politikebenen nach dem Motto: „Das einzige was stört, sind die Bürger“. Als Bürger dieser Stadt muss man sich fragen, welche Vorstellungen von Bürgerbeteiligung, Mitbestimmung und Gewaltenteilung der Oberbürgermeister im Grundsätzlichen hat. Sind es nicht nur Institutionen, ist es vielleicht sogar der Bürger selbst, der beim Durchregieren stört? Es ist das verfassungsmäßige Recht eines jeden Bürgers, sich an übergeordnete Behörden, Petitionsausschüsse, an die Justiz und an die Medien zu wenden, wenn er sich in seinen Rechten verletzt sieht und/oder politische Ziele erreichen will. Dies gilt umso mehr für Gruppen von Menschen, Initiativen und Vereine, wie der Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), den OB Zeitler frontal angeht: Deren Meinung zur katastrophalen Radwegesituation in Überlingen „lässt ihn kalt.“
(Bürger für Überlingen BÜB+ 05.05.2019: „Was bedeuten 51[]%“)

Zusammen mit Hilser (und mir) gelangen die BÜB+‘ler zu der Bewertung, dass der OB mit seinen Äußerungen „der Demokratie völlig widersprechende“ Unterscheidungen vornehme, die „sehr bedenklich“ seien. Der BÜB+-Blog verlinkt dann auch gleich den nächsten Südkurier-Artikel zum Thema, der einen Pressetext von Ulf Janicke für die Überlinger Gemeinderatsfraktion LBU/Grüne wie auch die BÜB+-Stellungnahme zum Gegenstand hat.

Genannter Pressetext liegt mir leider nicht vor und war in der Kürze der Zeit auch nicht zu beschaffen. (Kleiner Hinweis am Rande: Er gehört natürlich sofort auf die Homepage der LBU/Grünen, wenn man schon den eigenen Facebook-Account nicht mehr aktualisiert …) Deren Stellungnahme konzentriert sich stärker auf das Thema der berechtigten Kritik des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) an Gefahrenpunkten im Überlinger Radwegesystem, welche OB Zeitler so selbstherrlich zurückweist.

Für das Thema dieses Blogs relevanter aber sind die euphemistisch bestenfalls als „merkwürdiges Demokratieverständnis“ zu bezeichnende Äußerungen des Überlinger Oberbürgermeisters zum Thema Gewaltenteilung und Interessensvertretung.

Verfassungsschutz, guckst du: Überlingen!

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