TS51/16: #Böhmermann: Die mutige „heute-show“ und eine FAZ-Spitze gegen den Böhmermann-Anwalt Schertz

+++ Das Zitat der Woche!
Der Strafrechtsexperte Udo Vetter bringt die Entscheidung der Bundesregierung im Fall Jan Böhmerman hinsichtlich der Ermächtigung zur Strafverfolgung nach dem uralten Majestätsbeleidigungspargrafen 103 Strafgesetzbuch, bei der das Votum von Angela Merkel den Ausschlag gegeben hatte, mit seinem Zitat auf den Schwachsinnspunkt:

Die Regierung erlaubt die Strafverfolgung wegen eines Gesetzes, das sie für unnötig hält. Finde den Fehler.
(zitiert nach Meedia 15.04.16: „Udo Vetter zur Merkel-Entscheidung: ‚Einladung an ausländische Despoten, mehr deutsches TV zu gucken'“)


+++ Satiriker-Reaktionen auf die Entscheidung der Bundesregierung

Zum Beispiel: Oliver Kalkofe auf Facebook, der Merkel die Werte dieses Landes verraten sieht.
Auch interessant: Dieter Nuhr hält es für angebracht, „Verständnis“ für die Entscheidung der Bundesregierung zu zeigen (Quelle). Dazu muss man vielleicht aber auch wissen, dass Nuhr im Sommer 2015 selbst fett Zoff mit Böhmermann hatte.
Christoph Sieber kategorisiert bei Denkfunk die Entscheidung der Regierung als erwartungsgemäß und rückgratlos.


+++ Die Causa Böhmermann international
Die internationale Diskussion des Falls Böhmermann greift n24 auf und sammelt Stimmen von Oslo bis Wien. Den Umgang mit Satire in der Türkei protokolliert die Neue Zürcher Zeitung.
Wie die Böhmermann-Chose von türkischen Satirikern wahrgenommen wird, damit beschäftigt sich WDR5 in dem Beitrag Die aktuelle türkische Satire-Szene boomt.


+++ „Titanic“-Anwältin Gabriele Rittig: „Die perfekte Satire“
Die FAZ lässt die Titanic-Anwältin Gabriele Rittig zu Wort kommen, die Böhmermanns Schmähgedicht als „perfekte Satire“ bewertet.


+++ „Die Tagespress“ riskiert etwas
Der erfolgreiche österreichische Satireblog Die Tagespresse zeigt den verzagten deutschen Satirikern, wie es geht: Statt vollmundiger Solidaritätserklärungen zugunsten von Jan Böhmermann riskieren sie selbst etwas: Ihnen sei ein Sex-Tape von Erdogan und einer Ziege zugeschickt worden, das sie aber aus rechtlichen Gründen nicht veröffentlichen könnten. Weiter heißt es in der Satire:

Daher wird das zwölfminütige Video, in dem Erdogan angeblich einer Ziege ins Ohr hauchen soll, er werde sie „härter rannehmen als ein kurdisches Dorf“, unter Verschluss gehalten. „Denn das würde ganz klar zu weit gehen. Das entspricht nicht mehr unserer Funktion als seriösestes Medium Österreichs.“
(Die Tagespresse 13.04.16: „Respekt vor dem Gesetz: Tagesspiegel zeigt zugespieltes Sex-Tape mit Erdogan und Ziege nicht“)

Dieser publizistische Mut erntet die verdiente Meta-Berichterstattung.

Auch die heute-show am 15. April 2016 (Mediathek) pokerte hoch und ließ die Ziege „Chantal“ vor die Kamera, deren Zeugenaussage vor Gericht dann jedoch nicht veröffentlicht wurde … Vermutlich aus Respekt vor dem Gesetz?


+++ Satire vor Gericht – der Überblick
Der Bayerische Rundfunk bereichert die Böhmermann-Berichterstattung mit einem hilfreichen Überblick über gerichtliche Entscheidungen zu Satire in prominenten Fällen. Das Fazit: „Schon häufig haben deutsche Gerichte über satirische Beiträge geurteilt. Und gar nicht so selten gegen die Satire und für die Persönlichkeitsrechte.“


+++ Herrliche Spitze der „FAZ“ gegen Böhmermann-Anwalt Christian Schertz
Das geht runter wie Öl: In einer Nachlese zur brisanten heute-show vom 15. April 2016 setzt die FAZ ganz nebenbei eine schmerzhafte Spitze gegen den Böhmermann-Anwalt Christian Schertz:

Die „heute show“ hat offenbar noch nie Post von einem Juristen wie dem bekannten Anwalt bekommen, den sich Jan Böhmermann nun genommen hat, um sich gegen Erdogan zu verteidigen. Der ist nämlich als Rechtsbeistand durchaus nicht unhäufig auf Seiten derjenigen zu finden, die der Presse ihre Grenzen aufzeigen wollen. Was vollkommen legitim ist, weil es den Meinungsstreit in eine juristische Auseinandersetzung überführt, wie sie einen Rechtsstaat auszeichnet. Aber so etwas lässt sich wohl schwerlich in eine Pointe in einer Satiresendung des Senders verwandeln, der, wie schon erwähnt, so seine Probleme mit dem Text hat, mit dem alles anfing.
(FAZ 16.04.16: „TV-Kritik heute-show: Was fällt denn dem Welke ein?“; Hervorhebg. SaSe)

Danke, FAZ, dass du mich der Formulierungszwänge zu dieser Unverträglichkeit – und meiner Meinung nach dem „Verrat“ von Böhmermann an den von Abmahnungen und Presserechtsprozessen betroffenen Kollegen – enthebst. Ausgerechnet Christian Schertz! Man möge sich nur die Terminrollen der Pressekammern Hamburg auf der Buskeismus-Seite von Rolf Schälike ansehen, um sich einen Eindruck davon zu verschaffen, wie oft diese Kanzlei auf der „anderen“ Seite steht – also nicht der, die um Pressefreiheit ringt. Nach meinem persönlichen Eindruck zeigt sich in der Wahl ausgerechnet dieser Kanzlei auch die Spießigkeit von Jan Böhmermann.

*

*

Apropos heute-show: Die Welt staunt und titelt: „Hoffentlich hat Erdogan diese Sendung nicht gesehen“. Quotenmeter vermeldet dazu dann noch, dass die heute-show am Freitag knapp einen neuen Rekord verpasst habe.


+++ Nicht so sehr offtopic: Band „Frei.Wild“ mahnt Blog „Ruhrbarone“ ab
Das Beispiel Erdogan macht Schule. Insgesamt wird vermutlich die krebsgeschwürige Branche der Abmahnanwälte in nächster Zeit ihre Umsätze steigern können? Völlig unbeachtet vom Jan-Böhmermann-Hype läuft parallel eine gesellschaftspolitisch ebenfalls sehr gehaltvolle Abmahnchose: Der Blog Ruhrbarone (Stefan Laurin) hatte am 8. April 2016 den Artikel Der Echo braucht Frei.Wild über die Auszeichnung der umstrittenen Band verfasst und darin deutlich seine Meinung über die Musiker und ihre Botschaft artikuliert, was (eigentlich?) vollumfänglich von der Meinungsfreiheit gedeckt sein sollte. Rumms: Abmahnung! Bericht bei Meedia. Glücklicherweise zeigt auch Stefan Laurin Standing, unterzeichnet die verlangte Unterlassungserklärung nicht und nimmt hier zu der Abmahnung Stellung!

Copyright © 2024. Powered by WordPress & Romangie Theme.