TS56/19: Kommunalwahl 2019: Alte Männer, festgekrallt am Abgrund des Stadt-Land-Gefälles

Noch befinde ich mich in Schockstarre, was die Ergebnisse der Kommunalwahl 2019 in den umliegenden Landkreisen betrifft. Es ist ja nicht so, dass große Veränderungen zu erwarten gewesen wären. Und es ist auch nicht so, dass die Erfolge der Frische-Winde-Gruppierungen und der Grünen insbesondere im eher städtischen Umfeld nicht ermunternd wären; in Konstanz sind sie sogar drastisch.

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Hoffnung aus und für Salem

Furios sind die Wahlergebnisse in Salem, wo Ulrike Lenski von der GOL „Stimmenkönigin“ geworden ist und es alle fünf kritischen Frauen aus verschiedenen Fraktionen in den Gemeinderat geschafft haben.  Bürgermeister Manfred Härle, der sich in zwei Jahren zur Wiederwahl stellen will, muss jetzt mit einem Gemeinderat zusammenarbeiten, in dem die Grüne Offene Liste GOL ebenso viele Sitze hat wie die CDU, die 12,3 Prozent verloren habe. Das ist doch zumindest mal ein Anfang?
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Harte Zeiten für den Überlinger Sonnenkönig-Bürgermeister
In Überlingen zieht die Liste Bürger für Überlingen BÜB+ gleich mit drei Räten in den Gemeinderat ein, erreicht damit Fraktionsstatus und entflieht mithin dem kurz vor den Kommunalwahlen noch von Oberbürgermeister Jan Zeitler durchgepeitschten Maulkorberlass hinsichtlich des Amtsblatts „Hallo Ü“. Der Südkurier bezeichnet die BÜB+ und LBU/Grüne als die „großen Wahlgewinner“.

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Auf dem flachen Land persistiert das greise Patriarchat
ABER: Die tiefe Kluft zwischen Stadt und Land reißt immer weiter auf. Und im Abgrund wuselt es nur so von alten Männern, die den Schuss nicht gehört haben,  der nachrückenden Jugend keinen Platz machen und in ihrem ganzen patriarchalen Habitus so abschreckend wirken, dass sich kaum Frauen als Kandidatinnen finden lassen. Entsprechend ist das Wahlergebnis in den kleineren Kommunen nach  meinem Empfinden niederschmetternd und unheilverkündend.

In Uhldingen-Mühlhofen hat es von der Aktiven Wählergemeinschaft AWG  – allerdings auch nicht gerade ein Jungbrunnen! – nur ein einziger Kandidat in den Gemeinderat geschafft. Merke auf: Der AWG-Kandidat Markus Wesch wurde von den Bürgern der Seegemeinde von einem unteren Listenplatz herauf bis in den Rat gewählt. Das ist auch eine Botschaft.

Die AWG-Frau Annerose Häußermann dagegen, die insbesondere ökonomischen Sachverstand und Zahlenkompetenz in ihre Arbeit eingebracht hätte, konnte nicht ausreichend Wählerstimmen auf sich vereinigen.

Wie die praktische Arbeit eines einzigen AWG-Rates nach der Arroganz, mit der diese Gruppierung vor der Wahl gegenüber ihren Mitbewerbern aufgetreten ist, aussehen kann, ist schwer vorstellbar. Transparenz wurde versprochen. Mit zumindest einem Gemeinderat hat die AWG jetzt immerhin Zugriff auf Gemeinderatsinformationen. Es bleibt die spannende Frage, wie diese Informationen dann weiter behandelt werden und wann sie wo den Bürger erreichen.

Der eigentliche Wahlgewinner in UM seien die Grünen, vermeldet der Südkurier.

Selbst die Tageszeitung interessiert sich keinen Millimeter für die jeweilige Frauenquote und weist sie in keiner Form aus. Da die Vornamen der gewählten Gemeinderäte vom Südkurier teilweise und im Fall Uhldingen-Mühlhofen abgekürzt werden, erfordert die Bestimmung der jeweiligen Frauenquote einen größeren Rechercheaufwand. Auch keine zufällige Variante der Missachtung. Welche Partei an welcher Milchkanne wie viel Prozent verloren hat, ist dem Südkurier allemal wichtiger als die Frage, wie repräsentativ die Kommunalparlamente denn eigentlich hinsichtlich der Genderfrage sind.

Zu den Verlierern in UM zähle die SPD. Stimmt: Der SPD-Kandidat Domenico Ferraro, der sich im Wahlkampf so frischluftig präsentierte, konnte sich trotz seines beeindruckenden Engagements mit dem neuen Blog UM gestalten nicht durchsetzen; anders als sein Kollege Dr. Wolfram Klaar. Meine Güte: Klaar ist 82 Jahre alt! Der junge Familienvater Ferraro könnte mindestens sein Sohn sein. Ehre dem Alter, keine Frage, zumal mir diese realitätsferne Forderung selbst Zugriff auf diesen Respekt ermöglichen würde. Aber warum blockiert ein 82 Jahre alter Gemeinderat den jüngeren Nachwuchs auf der nämlichen Liste? Und nicht nur in UM machen die Alten den Jungen keinen Platz!

Eher Hoffnung verbreiten die Wahlergebnisse aus Ochsenhausen (Landkreis Biberach), zu denen es vielleicht noch einen eigenen Artikel geben wird. Die Hoffnung allerdings bezieht sich singulär auf die Themen Tranparenz und Allgemeinwohl; für die Frauen hat zumindest die alternative Kandidatenliste Pro-Ox gleichfalls kein Angebot.

Meine eigene Wohngemeinde Sauldorf, die ich sonst aus schon erklärten Gründen publizistischer Unabhängigkeit aus der SaSe-Themenpalette ausklammere, bestätigt den Trend: Auch weiterhin nur zwei Fraktionen im Sauldorfer Gemeinderat: CDU und Freie Wähler. Und unter den 12 Räten nur eine einzige Frau!

Während ich noch verstört eine Ergebnisliste nach der anderen in den diversen Landkreisen abrufe und versuche, den passenden Senftopf zu finden, geht der Blogger-Kollege Franz Schreijäg aus Ostrach hinsichtlich einer tief befriedigenden Bewertung der Ergebnisse als Erster durchs Ziel. Ich kann nicht anders, als mich seinem absolut zutreffenden Kommentar zu den Wahlergebnissen in den kleineren Kommunen – von Schreijäg am Beispiel  Ostrach pointiert formuliert – vollumfänglich anzuschließen!

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