TS64/15: Einer geht + Satire-Dilettanten an der Uni Mainz + „Heil“-Kritik + „SuISIS“ + „extra3“ für Schulen

+++ Stefan Raab geht
„Nie wieder TV!“ titelt die BILD und zitiert damit den Entertainer Stefan Raab, der seine „Fernsehschuhe an den Nagel“ hängen und sich zum Ende des Jahres komplett aus dem Fernsehen zurückziehen will. Seine Ankündigung generiert in der Berichterstattung so Kalauer wie „TV-Rente total“. Jetzt orakelt die Medienwelt nach den Gründen, zu denen sich der Star ausschweigt. Es sei aber keine impulsive Entscheidung gewesen. Raab gibt private Gründe an.
Allerdings verdichtete sich in letzter Zeit auch die Kritik an dem Multitalent. Der Spiegel etwa hatte im Januar dieses Jahres TV total als „ein lieblos produziertes Stück Fernsehschrott“ bezeichnet. Die Show wirke wie von alten Männern gemacht und hergestellt. Ein in der HuffPo im März 2015 veröffentlichter Brief forderte ihn auf, alle seine Sendungen zu beenden. Begründung: „zu gestrig, zu lustlos, zu platt“. TV total sei der „höhenverstellbare Fliesentisch“ des deutschen Fernsehens. 

Für PRO7 und die Produktionsfirma Brainpool allerdings ist Raabs Abgang ein herber Verlust, der eine ganze Reihe von Sendungen betrifft: TV total, Schlag den Raab, Wok-WM, Turmspringen, Stock Car Challenge und Bundesvision Song Contest. Nimmt man das Stupipedia-Porträt von PRO7 ernst, wäre es das Aus für den Sender. Focus notiert die Reaktionen des Netz. Der Branchendienst Meedia bewertet den Raab-Rücktritt als „Paukenschlag“.


+++ Uni Mainz: Antisemitismus-Vorwurf gegen "Die Partei" / "Die Liste"
Es geht um die Wahlen zum Studentenparlament an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bei diesen Wahlen hat die der Spaßpartei Die Partei nahestehende Die Liste zwei Sitze gewonnen und dabei einen Skandal verursacht, wie die Huffington Post berichtet. Anlass der Empörung sind zwei Wahlplakate mit NS-Thematik. Zu diesen höchst zweifelhaften Plakaten liegt ein Statement von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, vor, das der HuffPo-Artikel nach BILD-Zeitung zitiert: "Hier werden auf übelste Weise alte judenfeindliche Plakate aus der Nazi-Zeit in abgewandelter Form wieder verwendet. Purer Antisemitismus.“ (Quelle). Die Liste wiederum hat in dieser Erklärung auf Facebook die Vorwürfe zurückgewiesen., sich aber gleichzeitig entschuldigt.
Der HuffPo-Artikel veröffentlicht des Weiteren ein Statement von Die-Partei-Chef Martin Sonneborn, das neben der Einordnung des Gesamtvorgangs die klare Ansage enthält, das verwendete Plakat mit Sigmar Gabriel sei geschmacklos.
Der Vorgang wird unter Umständen auch noch ein juristisches Nachspiel haben, weil sowohl Uni wie Junge Union und die Jungen Liberalen Strafanzeige angekündigt hätten.
SaSe-Meinung: Wo "Satire" nur noch aus Anwendungen von Godwin's Law besteht, fügen ihr Dilettanten nachhaltigen Schaden zu.


+++ Dietrich Brüggemanns Neonazi-Satire „Heil“:  „zwiespältig“ und „chaotisch“
Thomas Vorwerk bespricht bei Filmstarts.de das jüngste Dietrich-Brüggemann-Epos, die Neonazi-Satire Heil. Nach einer kurzen Inhaltsangabe arbeitet er die Stärken und Schwächen des Films heraus, die ihm im Fazit zu dem Label „sehr persönlicher Film“ von Brüggemann führen. Angewandt werde das satirische Gießkannenverfahren, Gag folge auf Gag und lasse keinen Raum für emotionale Anteilnahme. Die Pointen seien nur teilweise hintersinnig; einige auch ausgewalzte Kalauer. Sein Fazit:  „Mit Heil versucht Dietrich Brüggemann einen schwierigen Spagat zwischen bissiger Satire und unverblümter Albernheit. Das Resultat ist zwiespältig und ziemlich chaotisch, aber sowohl gellendes Gelächter als auch ein paar Denkanstöße sind einem im Kinosaal sicher“ (Quelle).


+++ Satire in der Schweiz: „Suisis“ – die anarchistischen Videos der Lara Stoll
Schweiz und Satire – das bleibt zumindest für Kenner der (Ost)Schweizer Mentalität eine sehr anspruchsvolle Verbindung?  Werkproben dieser Kombination liefern die Satiriker Lara Stoll und Cyrill Oberholzer in einer Qualität, die jetzt ein Porträt beim Tagesanzeiger veranlasst hat. Teil 1 der Video-Satire  um die Schweizer Terrorzelle Suisis bietet Anleitung zur Abstimmungssabotage. Für deutsche Ohren wird dabei allein schon der Kontrast zwischen dem ausgeprägten Schweizer Deutsch und den beiden in einer Waschküche posierenden „Terroristen“ zum Genuss. Das Porträt würdigt das "Gesamtepos" der noch jungen Künstlerin Lara Stoll, die schon auf eine erfolgreiche Poetry-Slam-Karriere verweisen kann und 2011 den Thurgauer Kulturpreis erhielt. Auch die Satire-Show Bild mit Ton fällt in ihre Zuständigkeit, zu der Loriot, Monty Python und Charlie Chaplin die Vorlage geliefert haben sollen. Jetzt produziert Stoll zusammen mit Oberholzer für den Tagesanzeiger.ch eine sechsteilige Videoserie mit dem Titel Langweilige Terroristen.


+++ Bundeszentrale für politische Bildung: Mit Satire gegen Rechtsextremismus
Die Bundeszentrale für politische Bildung bietet ein Unterrichts-Kit zur Rechtsextremismus-Prävention an. Die DVD besteht aus Videoclips der NDR-Satiresendung extra3, dort aus der Rubrik „NNN – Neueste Nationale Nachrichten“. Die Inhaltsangabe des Schulungsmaterials verweist darauf, dass die Clips einen satirischen Einstieg ins Thema böten, um aktuelle Entwicklungen in der Szene aufzugreifen und die dort verwendete Ideologie und Strategie zu entlarven. Das Material richte sich in erster Linie an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1.
Diskutiert wird das Angebot auch hier.

Dazu passt:



oder besser noch den Großmeister Walter Moers:


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