TS67/19: Überlingen: Ceterum censeo imperium regis Jan Zeitler esse delendum

Gallien in seiner Gesamtheit war – bildungsbürgerlich bekannt – divisa in partes tres. In wie viele Teile sich die Persönlichkeit von Überlingens Oberbürgermeister Jan Zeitler zerbröselt, ist bisher nicht überliefert.

Allerdings ergeben sich durchaus frappante Parallelen zwischen den beiden hier in Schreibe stehenden Herrschern. Denn die Hauptquelle zu Cäsars Feldzügen – eben das schülerknechtende literarische Großwerk „De bello Gallico“ – sei, so die Historiker-Kritik, stark von den Eigeninteressen des Autors geprägt.
Voilà!

Doch mit ähnlicher Durchschlagskraft wie das kleine gallische Dorf, das  durch die weltweit bekannten Cartoons immerwährenden Ruhm erlangte, leistet in Überlingen die Wählerinitiative Bürger für Überlingen BÜB+ dem Cäsarenwahn, dem Demokratiefraß und der Intransparenz Widerstand. Deren Angebot hatte die Überlinger Wähler bei der Kommunalwahl im Mai 2019 immerhin so weitgehend überzeugt, dass sie BÜB+ mit drei Mandaten und mithin Fraktionsstärke in den neuen Rat schickt.

Der hat sich noch gar nicht konstituiert und wird dies erst am 24. Juli 2019 tun. Und schon gibt es richtig Mais!
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Der Oberbürgermeister in Überlingen am Bodensee Jan Zeitler. (Ich glaube, mit dem Hintergrund stimmt irgendwas nicht ....?) Foto: Rolf Handke / pixelio.de

Der Oberbürgermeister in Überlingen am Bodensee Jan Zeitler. (Ich glaube, mit dem Hintergrund stimmt irgendwas nicht ….?)
Foto: Rolf Handke / pixelio.de

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Denn Fragmente der möglicherweise mehrteiligen Persönlichkeit des Überlinger Verwaltungschefs scheinen, so die BÜB+-Kritik, mit der Gemeindeordnung Baden-Württemberg unverträglich zu sein? Die nämlich enthält eine wichtige Regelung, um genau das zu verhindern, was jetzt gerade in Überlingen (und nicht nur dort!) gemäß der BÜB+-Kritik passiere: ein nur noch geschäftsführender Gemeinderat treffe weitreichende und ihm gar nicht erlaubte Entscheidungen.

Hören wir dazu die Regelnde selbst:

2) 1Die Amtszeit endet mit Ablauf des Tages, an dem die regelmäßigen Wahlen der Gemeinderäte stattfinden. 2Wenn die Wahl von der Wahlprüfungsbehörde nicht beanstandet wurde, ist die erste Sitzung des Gemeinderats unverzüglich nach der Zustellung des Wahlprüfungsbescheids oder nach ungenutztem Ablauf der Wahlprüfungsfrist, sonst nach Eintritt der Rechtskraft der Wahl anzuberaumen; dies gilt auch, wenn eine Entscheidung nach § 29 Abs. 5 Halbsatz 2 noch nicht rechtskräftig ist. 3Bis zum Zusammentreten des neugebildeten Gemeinderats führt der bisherige Gemeinderat die Geschäfte weiter. 4Wesentliche Entscheidungen, die bis zum Zusammentreten des neu gebildeten Gemeinderats aufgeschoben werden können, bleiben dem neu gebildeten Gemeinderat vorbehalten.
(Gemeindeordnung Baden-Württemberg Paragraf 30 Amtszeit, Absatz 2; Hervorhebg. K. B.)

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Trotzdem habe der „alte“ Gemeinderat in seiner letzten Sitzung einen solchen weitreichenden Beschluss gefasst – bezüglich des in Überlingen ohnehin umstrittenen Höhenmaßes für das geplante Ärztehaus.

Stadtrat Roland Biniossek (vormals DIE LINKE; in der neuen Legislaturperiode BÜB+-Gemeinderat) hatte noch versucht, diese Beschlussfassung durch einen entsprechenden Antrag zu verhindern. Aber wir kennen ja die desaströse Wucht von Cäsaren-Willen. Mit 13 zu 10 Stimmen (immerhin!)  wurde Biniosseks liebevoller Hinweis auf die Bestimmungen der GemO dem Erdboden gleichgemacht.

Cäsarenwahn und Teufelsteile ruhen bekanntlich im Detail. Das „Detail“ ist in diesem Fall eine immer heikle Bewertungsfrage. Und zwar die, ob dieser Beschluss nun „wesentlich“ sei oder nicht. Dazu befragt man am besten den Herrscher selbst, der in seiner Sitzungsvorlage die Wesentlichkeit dieses Beschlusses königlich unterstreicht:

„Die Entwicklung des Ärztehauses kann den Auftakt eines städtebaulichen Gesamtquartiers markieren.“
(zitiert nach BÜB+-Blog 05.07.2019: „BÜB+ legt Beschwerde beim R[egierungs]P[räsidium] ein“)

Auch ein schöner Schuss ins Knie!

Für Wähler völlig neu und ungewohnt, scheint BÜB+ seine Wahlversprechen einhalten zu wollen? Und so geht die Party schon vor der ersten Gemeinderatssitzung in neuer und cäsarenkritischer Zusammensetzung los: BÜB+ appelliert an das Regierungspräsidium (RP), diesem ordnungswidrigen Treiben ein Ende zu setzen (Brief an das RP).

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Vermutlich alle Bürgermeister in Baden-Württemberg haben in Hogwards gelernt. Neben der obersten Disziplin, eigentlich unabhängige Gemeinderäte in das bedingungslose Joch der sogenannten Loyalität zu zwingen, lernen die Verwaltungschefs dort auch, ihre Regelverstöße nicht so plakativ zu gestalten. Wer zum Beispiel kennt schon die vielen Regelungen der Gemeindeordnung Baden-Württemberg? Foto: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

Vermutlich alle Bürgermeister in Baden-Württemberg haben in Hogwarts gelernt. Neben der obersten Disziplin, eigentlich unabhängige Gemeinderäte in das bedingungslose Joch der sogenannten Loyalität zu zwingen, lernen die Verwaltungschefs dort auch, ihre Regelverstöße nicht so plakativ zu gestalten. Wer zum Beispiel kennt schon die vielen Regelungen der Gemeindeordnung Baden-Württemberg?
Foto: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

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Anders als die oben erwähnten Cartoon-Helden verlegt sich die BÜB+ in ihrem Widerstand also nicht auf Hinkelsteine und Zaubertränke. Mit professioneller Expertise spielen die Verantwortlichen dort auf der wirksamsten Klaviatur in einem Rechtsstaat: dem Formaljuristischen!

Und ad nauseam an dieser Stelle der immer wieder essentielle Hinweis: Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Was die BÜB+ im Moment in Überlingen kritisiert, ist ebenso der Fall zum Beispiel in Langenargen (hier und hier).

Meine Meinung: Die selbstherrlichen Bürgermeister der Region, die qua Amt in Baden-Württemberg eine ohnehin besonders starke Stellung haben, verstoßen in bedenklich vielen Fällen, wie nicht zuletzt dieser Blog immer wieder dokumentiert (hier sogar vom Verwaltungsgericht Sigmaringen bestätigt), gegen die Gemeindeordnung Baden-Württemberg und andere Vorschriften.

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Schutzhinweis:

Die Einnagelung des lateinischen Zitats in die SaSeTagesSenf-Überschrift wurde mit zwei Alt-Philologen bei politisch korrektem Genderproporz in stundenlangen Telefon-Konferenzen abgesprochen. Alle beteiligten Autoren legten großen Wert darauf, dass sich „delendum esse“ keinesfalls auf eine Person beziehen dürfe. Dem gebietet in der vorliegenden Variante „imperium regis“ Einhalt.
Bevor ich jetzt wieder Neuformulierungsmails von Oberlehrern im Ruhestand erhalte, gestehe ich freiwillig, dass man „Jan Zeitler“ auch noch hätte in den korrekteren Genitiv („Zeitleris“) setzen können. Dem allerdings stehen die unschöne Genitiv-Dopplung, vor allem aber die Google-Algorithmen entgegen.
Und übrigens: Auf meinem Blog bin ich die Cäsarin! Und ich versichere Ihnen: nice!

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