Tag Archiv:Volker Pispers

SaSe58: Applikation Paul Westheim „Heil Kadlatz“: Das Lachen der Grabpinkler

[Eine satirische Applikation mit der Aktualität angemessenem Zynismus]

Sie stehen – schon wieder! – in geschlossenen Reihen. Um die Gräber herum. Ihr Lachen ist dreckig weil siegreich. Mit gichtigen Griffeln, von der Geilheit nach Stimmungsmacht und Volksverhetzung gekrümmt, fummeln sie ihre schrumpeligen Gedönse aus den deutschlandfahnefarbenen Unterhosen und pissen auf die Gräber. Der Historiker. Der Intellektuellen. Der Satiriker. Der Demokraten – und anderer Wüste-Rufer. Über deren literarisches Gestrampele seit 70 Jahren lachen sie sich krumm und scheckig. Einander an Schultern und den weich gewichsten Rückgraten stützend, richten sie den trübbraunen Strahl auf den immer noch nicht mit genug Blut getränkten Boden. Den deutschen! Und sie ersäufen den Gedanken der Aufklärung gleich mit. Kant in Urinstein.

Es gibt wieder viel zu schänden. Heute strullert der versammelte Zug auf das Grab des Kunsthistorikers und Publizisten Paul Westheim (1886-1963). Wegen Heil Kadlatz!.

SaSe58: Applikation Paul Westheim "Heil Kadlatz"


Straf- und schamfrei das Wasser abschlagen
„Nimm das“, höhnt Björn Höcke dem im Pariser Exil Protokollierenden entgegen und zitiert damit – natürlich unwissentlich – die Jüdin bei der Selektion an der Rampe in Auschwitz nach Martin Amis Interessengebiet, die dem Lagerkommandanten Doll eine Handvoll Läuse ins Mördergesicht schmiert (S. 251). Höckes „das“ ist dagegen harmlos. Oder ist es das nicht? Es sind die „1.000 Jahre Deutschland“, die der AfD-Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag am dunklen Sonntagabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auskotzen darf – 79 Jahre nach Westheims erstmalig als Fortsetzungsroman in der Pariser Tageszeitung erschienenen Charakterskizze des faschistoiden Mitläufers und Vollstreckers in Person des Hausmeister Kadlatz und der „Grünkram“-Händlerin Trude Pelchau. Ohne Peitschenhiebe oder Genickschuss befürchten zu müssen. Also: die Höckes, Gaulands, Popps, Fitzeks & Co. Schon weil der Anteil der Zuschauer, welche Höckes Anspielung historisch korrekt einzuordnen wissen, zu unser aller Trost besser unbeziffert bleibt. Weiterlesen

SaSe57: Offener Brief der HuffPo an „Die Anstalt“: Euer „Ken-Jebsen-Gedächtnis-Kabarett kotzt mich an“

Sebastian Christ von der Huffington Post hat einen offenen Brief an Max Uthoff und Claus von Wagner geschrieben, der kein Blatt vor die Taste nimmt: Eure Verschwörungstheorien kotzen mich an lautet die reichlich derbe Überschrift und inventarisiert dann weiter: „riesiger Unsinn“, „Wirtshausstrategen“, „sachliche Fehler“, „großspurig“ und kulminiert in dem Label „Ken-Jebsen-Gedächtnis-Kabarett“.

Es ist nicht die erste Attacke, die Sebastian Christ gegen linkes politisches Kabarett reitet. Im März 2015 schalt er Volker Pispers, „der die Deutschen für dumm verkauft“. SaSe hatte in TS4/15 darüber berichtet.
Einen Überblick über Christ-Verlautbarungen in der HuffPo findet der Interessierte hier.

Inzwischen jedoch und durch enge beobachtende Begleitung der Umtriebe der Kabarettisten komme ich nicht umhin, die Christ-Kritik etwas ernster zu nehmen. Dabei löst sich SaSe von der alleinigen inhaltlichen Betrachtung der Sendung Die Anstalt. Denn ehrlich gesagt ist mir inzwischen nicht mehr klar, wie unabhängig die Redaktion dort überhaupt ist. Die Akteure des Vereins Global Change Now e. V. (GCN) mit engen Verbindungen zur Occupy-Bewegung, die personell alle Fäden bei der Kabarettistenvereinigung D(d)enkfunk in der Hand haben und im Internet mit Fake-Profilen unterwegs sind, haben auch bei Die Anstalt ihre Finger im Spiel. Das geht inzwischen schon so weit, dass Denkfunk die ZDF-Sendung samt Logo für sich vereinnahmt (vgl. SüS11). Diverse Facebook-Accounts, die sich als Fans von Die Anstalt gerieren, weisen kein Impressum auf. Dafür tauchen dort neuerlich die Denkfunk-Admins und –Denklenker auf. Es ist nicht abwegig zu vermuten, dass all diese Accounts ebenfalls von der Tom-Aslan-Truppe gemanagt werden.
Tom oder Umman Aslan ist der „Kopf“ hinter GCN, der zum Beispiel mit der Löschung eines Impressums bei Denkfunk versucht, diese Verbindung zu verdunkeln (vgl. HInfo5). Wie „seriös“ beim Verein GCN agiert wurde, das dokumentiert unter anderem ein aussagekräftiges Video-Interview aus dem Jahr 2010 (in HInfo5). Aslans (frühere?) Lebensgefährtin ist die alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der hinter Denkfunk stehen PatchworX Media GmbH, der Insichgeschäfte erlaubt sind (vgl. dazu HInfo1 und HInfo2). Weiterlesen

TS129/15: Nu(hr) bescheuert + Konsequenz + Bento-Galama + Verlust

+++ Bescheuert: Dieter Nuhr schimpft über Facebook
Die Medienpräsenz von Dieter Nuhr ist wirklich bemerkenswert. Nach meinem subjektiven Empfinden berichten die klassischen Medien über keinen anderen Satiriker so häufig wie über Dieter Nuhr. Dabei geht es fast immer um irgendeinen Ärger, den Nuhr mit X hat – mit Moslems, mit dem stern, mit Rechts-Satirikern etc. Jetzt rechnet er bei Focus online mit den Facebook-Usern ab: „Wie ein Schulhof!“ Und warum geht er dann dorthin – auf den Schulhof, fragt sich der mit Hirn Beglückte? Der Focus-Artikel enthält die Antwort: Er empfindet es als „blanke Notwendigkeit“, bei Facebook mitzumachen.
Was für ein Quatsch! Dümmer als Nuhr sind nur noch seine (FB-)Fans, die dem Selbstdarsteller ohne Botschaft immer noch hinterherlaufen, auch wenn er sie beschimpft. Wie bei Sado-Masos dahoim!
Auch Die Welt interviewt den Meister der Selbstinszenierung – anlässlich der diese Woche startenden neuen Kabarett-Sendung Nuhr ab 18. Es ist ein sehr ausführliches Gespräch, in dem Nuhr seine – stets unerträglich selbstgefällige – Sicht auf Gott & Lotte verrät. Weitere Berichterstattung im Kontext der neuen Sendung: Inforadio + Neue Osnabrücker Zeitung + T-online. Weiterlesen

SaSe52: Rezension Rand & Prischke „Die kleine Kapitalistensau“: Lesegenuss mit Goldrand

Angesichts der Tatsache, dass es unsere Kabarettisten derzeit mit der Kapitalismuskritik nicht so recht packen, kommt dieses Buch gerade recht: Die kleine Kapitalistensau von Meredith Rand und Dagobert Prischke, erschienen bei Klett-Cotta Stuttgart. Beide Autoren arbeiten als freie Journalisten und leben in Berlin.
„Mehr Win-Win geht nicht!“: Diesem Etikett des Verlags als Kaufargument kann man nur zustimmen. Denn für € 14,95 erhält man dieses:


$$$ Lexikon und Wertekanon des Kapitalismus
An dem Buch passt alles. Schon die Aufmachung verspricht Luxus und Abwechslung: viel Golddruck, teilweise Spaltendruck, verschwenderische Seitenaufteilung und –gestaltung, dann wieder Großdruck und viele Fotos in High-End-Quality von jungen glücklichen reichen Menschen – manchmal in erbärmlich schlecht sitzenden Anzügen und Kostümen (z. B. S. 112). Auch die Sprache stimmt: „Multifunktionsbuch“, „komprimierte Powererkenntnis“, für „Movers und Shakers“, „Global Player“, „High Performer“ mit „Killerinstinkt“, die „Teil einer globalen Leistungselite“ und „Quick Wins“ nicht abgeneigt sind, „schlüsselfertige 360-Grad-Lösungen“, „Big Data“ und „Fuzzy Logic“ präferieren. Das Buch holt den Kapitalisten auch sprachlich dort ab, wo seine Anglizismen ihn in die privilegierte Ecke gesetzt haben. Oder schult jene, die wenigstens so tun möchten, als gehörten sie dazu. Weiterlesen

TS121/15: Antisemit? + Amtlich + Apokalpyse + Aufruf

+++ Tagesspiegel fragt, ob Dieter Hallervorden Antisemit sei
Das skandalöse Liedchen des Komikers Dieter Hallervorden zieht weitere Kreise. SaSe hatte schon verschiedentlich berichtet (TS117/15 und SaSe45). Jetzt fragt der Tagesspiegel, ob Dieter Hallervorden ein Antisemit und Rassist sei – oder einfach bloß naiv oder besonders raffiniert. Die Journalistin Faitina Kailani argumentiert streng am Text des „subversiven“ Videoclips mit den eingängigen Bildern des freundlichen alten Mannes entlang. Sie stellt die Frage, was sich Dieter Hallervorden bitte dabei gedacht habe. Der wird in einer Stellungnahme gegenüber dem Tagesspiegel zitiert, wobei dann auch noch herauskommt, dass sich Mitwirkende an diesem Text unter einem Pseudonym verstecken.
In den Leserkommentaren unter dem Artikel wird auch ein Beitrag der Jüdischen Allgemeinen dazu verlinkt. Weiterlesen

SaSe49: DAS wichtige Interview: Christine Prayon konjugiert die kabarettischen Standards

Die Kabarettistin Christine Prayon hat am 21. September 2015 dem Tagesspiegel ein bemerkenswertes Interview gegeben. Bemerkenswert daran sind die Themen und die Ausführlichkeit: immerhin sechs Druckseiten! Wenn es ein Kabarettisten-Interview gibt, das auf die aktuelle Situation des Zunft rekurriert und die kabarettistischen Standards angesichts jüngerer Entwicklungen (wie z. B. die wachsende Popularität von Comedy) aktualisiert, dann ist es dieses.
Auf seitenhiebende Verweise anderer Ich-Ich-Ich-Interviews der jüngeren Zeit in Mimimi-Tonalität sei an dieser Stelle verzichtet.

Die Themen des Prayon-Interviews: von der gesellschaftlichen und politischen Missachtung (Stichwort: VG Wort) der wichtigen Arbeit der Kabarettisten (und Wortarbeiter generell) über die Differenz zwischen Kabarett und Comedy hin zu Aufgabe und Einfluss der heute-show. Weiter geht es mit der aufklärerischen Bedeutung der ZDF-Kabarettsendung Die Anstalt unter Berücksichtigung der Informationsfunktion von Kabarett bis zur Lyse der quälenden Grundsatzfrage „Was darf Satire?“ Weiterlesen

TS105/15: Nachzucht + Pause + Dahergeholztes + Showpläne + Enthusiasmus


+++ „Nuhr ab 18“: Comedy-Nachwuchssendung mit Dieter Nuhr
Dieter Nuhr
s „Heimatsender“ rbb zeichnet im September 2015 sechs Folgen der neuen Comedy-Show mit Dieter Nuhr auf. Die soll insbesondere dem Nachwuchs eine Plattform bieten. Dieter Nuhr führe, so überhöht der Text auf Kabarett-News, Comedy-Generationen zusammen. Gesendet wird dann ab Mitte Oktober zu nachtschlafender Zeit (nach obiger Quelle um 23.30 Uhr). Der Mix, aus dem die Sendung bestehen soll, hört sich sehr bunt (beliebig?) an: „Stand up, Poetry Slam, Musik-Comedy, witziger Diashow, Video-Tagebuch, Parodie… Gern auch neu, überraschend oder etwas verrückt! Alle Formen von Bühnen-Comedy sind möglich“.
Dass Nuhr ab 18, die Sendung, bei der schon der Titel abturnt und der die Welt mit einer weiteren Nu(h)r-Variation beschwert, hinsichtlich des Nachwuchses und damit auch der Zielgruppe in Konkurrenz zum Neo Magazin Royale treten muss, erwähnt die Huldigung an den Generationenzusammenführer nicht.  Weiterlesen

TS102/15: WDR-Comedy + Pispers-Kritik + Kita-Game + Triberg-Satire + SaSe-Freude

+++ WDR-Programmoffensive mit Comedy
Mehr junge Zuschauer möchte der WDR ansprechen und gewinnen. Dafür werden zwei Wochen lang neue Formate ausprobiert: „Comedy and sex“ laute die Losung, wie Meedia die Erläuterungen des WDR-Intendanten Tom Buhrow destilliert. Vom 24. August an werden 20 neue Unterhaltungsformate ausprobiert. Im Comedy-Bereich sind das:  der Sechsteiler Meuchelberg aus der niederrheinischen Provinz (eine Variante zur Erfolgsserie Mord mit Aussicht), eine Miniserie für Luke Mockridge sowie Das Lachen der anderen (hier bei Fernsehserien), in der Micky Beisenherz und Oliver Polack in fremde Lebenswelten eintauchen, indem sie eine Weile mit Öko-Aussteigern und MS-Kranken zusammenleben. Anschließend dann werde entschieden, welche dieser Sendungen ins reguläre Programm übernommen werden. 

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TS101/15: Maul halten + 2 x NMR + Satire-Mut + Bashir-Show + Worst Case + Fackelvideo

+++ "Postillon" richtet Aufmerksamkeit in der Flüchtlingsdebatte wieder auf die Urheber
Der Satire-Blog Postillon lenkt in der aktuellen Flüchtlingsdebatte die Aufmerksamkeit wieder auf die Ursachen und Urheber für Flucht und Vertreibung: Umfrage: Wer Waffenexporte verdoppelt, sollte in Flüchtlingsdebatte besser das Maul halten.
Dazu passend übrigens auch sehr WICHTIG der Beitrag des ARD-Politmagazins Monitor in der Sendung vom 13. August 2015 über die Vergabe von Entwicklungshilfe-Krediten einer Weltbank-Tochter an den deutschen Discounter Lidl, der gezielt zu Armut und Perspektivlosigkeit etwa für Gemüsebauern in Rumänien führt. 

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SaSe32: Öffentliche Replik auf Dieter Nuhrs FAZ-Beitrag „Digitales Mittelalter“

Sehr geehrter Herr Nuhr,

als mutmaßliche Angehörige der von Ihnen rangeingewiesenen „pöbelnden Masse“ überschreite ich mit dieser querulatorischen Widerrede vermutlich bei Weitem meine Kompetenzen und meinen sozialen Rang? Aber so langsam hat Ihr Selbstdarstellungs-Spaß auf Kosten der Griechen und sonstiger Dritter jetzt aber doch mal ein Loch! Und was die Kompetenzüberschreitung anbelangt, kann ich Ihnen ohnehin nur hilflos nacheifern (Stichwort: Nuhrs „Strukturreformpaket“ für Griechenland). 

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