Wir kommen vorläufig nicht vom Thema Langenargen weg. Dazu war das Ergebnis der Bürgermeisterwahl am 8. November 2020 zu spektakulär und zu aussagekräftig: ein Amtsinhaber Achim Krafft (CDU), der weder die notwendige 50-Prozent-Marke überspringen kann noch Mitbewerber Ole Münder überholt (Zahlen dazu hier).
Dabei gäbe es andernorts – etwa in Überlingen – dringend Wichtiges zu besenfen: hier!
Aber das, was sich gerade jetzt in Langenargen zwischen den Wahlen abspielt, ist prioritär. Es erklärt und illustriert das Thema dieses Blogs. Das, was in der kleinen Seegemeinde schiefläuft, hat strukturelle Ursachen und weist weit über den Bodenseeraum hinaus.
Deshalb kümmern wir uns heute einmal nur um Kleinigkeit, Petitessen, Nebensächlichkeiten, die im Normalfall keinen Senf und keinen Artikel verdienen. Aber es sind exakt diese permanenten Körnchen, die so viel Sand ins demokratische Getriebe schaufeln. Es sind genau diese Kleinigkeiten, welche auch die 49,72 Prozent der Wähler empören, die es in Langenargen nicht mehr ertragen, dass permanent gegen geltende Regeln und jeden Anstand verstoßen wird: von der Verwaltung, vom Bürgermeister, von Funktionären, von der Schwäbischen Zeitung.
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Nachträglich veränderte Behördendokumente
Auf die unschöne „Kleinigkeit“, dass in dem Behördendokument „Bürgermeisterwahl 2020 – Vorläufiges Endergebnis“ die Stimmenergebnisse nicht nach Anzahl, sondern nach Rangfolge des Eingangs der Bewerbungen angeben wurde, hatte ich ja schon in der Aktualisierung zu TS155/20 hingewiesen. Das ist ungewöhnlich (aktuelles Gegenbeispiel aus Dotternhausen).
Der Langenargener Hauptamtsleiter und Vorsitzender des Wahlausschusses Klaus-Peter Bitzer erklärt gegenüber dieser Redaktion, diese Reihenfolge sei von der Rathaus-Software so vorgegeben. Wir nehmen das zur Kenntnis – mitsamt dem Hinweis, dass andere Rathäuser dann offensichtlich eine bessere Software verwenden:
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Dagegen in Langenargen:
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Das Behördendokument weist eine weitere „Eigentümlichkeit“ auf. Bitte beachten Sie die auffällige und politisch bedeutsame Farbgebung der Stimm-Säulen: Achim Kraffts Stimmenanteil wird hier mit einer grünen Säule dargestellt, die von Ole Münder ist rot.
Da Farben in der Politik eine hohe symbolische Bedeutung haben, empfinde ich diese nicht den Tatsachen entsprechende Einfärbung durchaus als Manipulation. Achim Krafft ist alles andere als „grün“; er ist ein Schwarzer (CDU) – wie er im Buche steht. Nicht umsonst hatte sich die Fraktion Offene Grüne Liste (OGL) Langenargen hinter den Kandidaten Ole Münder gestellt. Ihn in dieser Abbildung mit einer roten Säule zu versehen, scheint mir auch kein Zufall? Rot ist die Farbe der Sozialdemokraten; für CDU-Personal und alte weiße männliche Wähler in Langenargen nachgerade ein rotes Tuch. Ole Münder jedoch hat zur Sozialdemokratie und all dem, wofür die Farbe Rot steht, keine nachweisbaren Verbindungen.
Auch hier erklärt Klaus-Peter Bitzer mir auf Anfrage, diese Farbgebung sei ebenfalls durch die Software vorgegeben. Die Farben der Grafik treffen nach seinen Angaben „in keiner Weise“ eine politische Aussage.
Was viele nämlich nicht wissen: In Langenargen bestimmen Hauptamtsleiter und Bürgermeister, ob und wann die politische Farbenlehre gilt.
Doch das ist noch nicht alles, was das Rathaus Langenargen an „lenkender Dokumentenvielfalt“ zu bieten hat. Denn dieses pdf-Dokument mit den beiden Säulen in Grün und Rot wurde – ohne jeden Aktualisierungshinweis auf der Homepage der Gemeinde Langenargen – inzwischen ausgetauscht. Wer dem oben gesetzten Link am 11. November 2020 folgt, findet auf einmal diese Darstellung:
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Diese Änderung an dem Behördendokument wurde nicht kenntlich gemacht und wird auch nicht erklärt. Ich habe mir sicherheitshalber beide Behördendokumente als pfd-Dokument inklusive der darin dokumentierten Meta-Daten gesichert.
Schön, dass wir Bitzer jetzt nicht mehr widerlegen müssen. Er tut es selbst. Denn wenn die Farbgebung der Säulen angeblich von der Software so vorgegeben ist, er sie aber nachträglich und ohne entsprechende Kennzeichnung ändert, scheint es mit der Software-Vorgabe ja nicht so weit her zu sein?
Wie gesagt: Petitesse! Kleinvieh, das Mist produziert. Aber nicht nur in Langenargen ist es die schiere Menge dieser Kleinigkeiten, Regelverstößen, Unregelmäßigkeiten, Affronts, Unhöflichkeiten, Manipulationen, Unehrlichkeiten und und und, welche die 49,72 Prozent der Wählerstimmen für den Neuanfang Ole Münder zusammengetragen haben.
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SWR-Gate
Der nächste Regelbruch bezieht sich auf das, was ein Mitglied der Facebook-Gruppe „Langenargen – die Gruppe“ so anschaulich als „SWR-Gate“ bezeichnet hat. Nach Angaben des Fernsehsenders SWR habe die Landesschau-Redaktion am 9. November 2020 anlässlich der Berichterstattung über das ungewöhnliche Wahlergebnis in Langenargen versucht, vom Amtsinhaber und Neubewerber Achim Krafft ein Statement zu bekommen (siehe SWR-Landesschau vom 09.11.2020 ab Sendeminute 24:03). Die Reaktion von Achim Krafft auf diese Presseanfrage nach Angaben des SWR:
Und was sagt der Amtsinhaber? Der sitzt in seinem, na ja, Weißen Haus und kommt nicht raus. Zumindest hat er keine Lust auf ein Fernsehinterview.
(SWR-Landesschau 09.11.2020, ab ca. Sendeminute 25:20; Transkript K. B.)
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Ein starkes Stück! Von Achim Krafft ist bekannt, wie schäbig er die Presse behandelt, solange es sich dabei nicht um die Schwäbische Zeitung, namentlich Tanja Poimer und Andy Heinrich, handelt. Freien Journalisten und Bloggern gibt er nur nach Lust und Laune Auskunft (hier). Aber dass Krafft sogar der SWR-Landesschau ein Interview verweigert, katapultiert abgewiesene Internetpublizistinnen in gehobene Gesellschaft und spricht Bände über das Demokratieverständnis dieses Bewerbers um das Bürgermeisteramt.
Doch mit diesem Regelverstoß nicht genug, begeht Krafft gleich den nächsten Affront. Anstatt zu seiner Sicht der SWR-Dinge eine Pressemitteilung herauszugeben oder zumindest auf seiner Wahlkampf-Homepage eine Erklärung einzustellen, missbraucht er den Facebook-Account „Langenargen – Die Gruppe“ dazu, dort seinen Wahlkampf fortzusetzen. Dabei hatte er bei der Anmeldung in dieser Gruppe ausdrücklich betont, er sei hier nur als „Bürger“ Mitglied.
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Ja, natürlich. Das glauben wir alle sofort: Der SWR hat ihn gar nicht gefragt, behauptet in seinem Beitrag aber exakt das Gegenteil. Das kennt man doch von der Lügenpresse?
Wie sicherlich von Krafft auch gezielt kalkuliert, springen ihm auf Facebook sofort seine Unterstützer mit hanebüchenen Unterstellungen gegen den SWR zur Seite! Als ob der Landessender irgendein Interesse daran hätte, den No-name-Kandidat ohne Parteizugehörigkeit Ole Münder irgendwelche Brücken zu bauen.
Wenn die Administratorin der Gruppe, die nach eigenen Angaben persönliche Verbindungen zu einzelnen SWR-Redakteuren habe, darauf hinweist, dass der SWR ihr gegenüber die Angaben im Fernsehbeitrag bestätigt habe, wird sie derbe und mit Verweis auf ihre politische (grüne) Ausrichtung niedergeschrieben.
Im weiteren Verlauf der FB-Diskussion spaltet Krafft dann gezielt Haare: Der SWR habe bei ihm nicht angerufen. Achten Sie auf die Wortwahl! Kommt nämlich raus: Natürlich hat der SWR nicht bei ihm persönlich angerufen, sondern im Rathaus. Weil man dort auch drehen wollte. Krafft sei aber nicht an seinem Arbeitsplatz gewesen. Von einem Rathaus-Mitarbeiter habe der SWR dann die Auskunft erhalten, Achim Krafft stehe für ein Interview nicht zur Verfügung. Warum sollte sich der SWR das ausdenken?
Anschließend polemisieren die Krafft-Unterstützer, die größtenteils kaum einen einzigen Satz fehlerfrei in die Tastatur hacken können, über die Pflichten von Journalisten, auf wer weiß was für Wegen einen Kontakt zu Krafft herstellen zu müssen, der sich nicht an seinem Arbeitsplatz befunden habe. Wobei noch zu fragen wäre: Warum eigentlich nicht? Krank? Im Urlaub? Kein Bock? Wunden lecken? Von der Organisationspflicht eines Bürgermeisters haben diese Schlaubären natürlich noch nie gehört. Wenn Krafft nicht im Rathaus anwesend ist, hat er organisatorisch sicherzustellen, dass ihn wichtige Anrufe und Informationen trotzdem erreichen. Die Journalisten vom SWR sind an der Stelle schon lange raus und müssen ihrerseits keine verknoteten Anstrengungen unternehmen, um den Rathauschef wer weiß wo ausfindig zu machen.
Nicht zuletzt ist zu fragen, wie sich Krafft der enormen Aufmerksamkeit entziehen konnte, die ein in Langenargen drehendes Fernsehteam, das vom Kandidaten Ole Münder vor Ort ein sehr souveränes Interview erhielt, zwangsläufig produziert. Üblicherweise (und empirisch gestützt durch diesen Fall) weiß das halbe Dorf schon Bescheid, bevor ein Journalist auch nur seinen Block ausgepackt hat.
Angeblich gebe es jetzt einen Schriftwechsel zwischen Krafft und dem SWR. Aber davon erfahren Bürger und Wähler natürlich nichts. So wie sie auch auf Kraffts Wahlkampf-Homepage oder durch Pressemitteilungen nichts von diesem skandalösen Vorgang erfahren: ein Bewerber um das Bürgermeisteramt verweigert der SWR-Landesschau ein Interview!
[Aktualisierung vom 12.11.2020 / 00.20 Uhr]
Inzwischen (und nach Erscheinen dieses Senfes) gibt es jetzt einen SchwäZ-Artikel zur SWR-Causa, der aufklärt oder es soll. Sehr lesenswert! Jetzt ist von einem „Missverständnis“ rund um den Begriff „Chef“ die Rede. Der SWR bedauere das „Missverständnis“. Sagenhaft!
Außerdem gibt es jetzt auch noch eine Pressemitteilung des SWR dazu. Die Langenargener Bloggerin Elke Krieg und ich können uns gemütlich zurücklehnen: Noch nicht einmal den „Vollprofis“ vom SWR gelingt, es konfliktfrei mit diesem Rathaus zu kommunizieren! Dafür haben wir beide das bisher ja nachgerade grandios hingekriegt!
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Ein Mitarbeiter aus Kraffts Wahlkampfteam schreibt SchwäZ-Artikel
Noch mehr Irregularitäten, Regelverstöße, Manipulationen? Kein Problem. Die Schwäbische Zeitung in Gestalt des freien Mitarbeiters Andy Heinrich springt dem Amtsinhaber doch gern zur Seite.
Dabei ist es an sich schon ein Skandal, dass Heinrich, der in einer freiberuflichen Geschäftsbeziehung zu Krafft steht, überhaupt nur eine einzige Zeile über den Bewerber in der SchwäZ schreiben darf. Abgesehen von früheren und auf diesem Blog schon dokumentierten Fällen hat Heinrich auch bei Kraffts Wahlkampf-Flyer freiberuflich mitgearbeitet und gehört mithin zu Kraffts Wahlkampf-Team:
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Aber weder Redaktionsleiterin Tanja Poimer noch der SchwäZ-Oberindianer Martin Hennings (hier) verhindern, dass Mitarbeiter aus dem Wahlkampf-Team von Krafft in der einzig verfügbaren Tageszeitung Artikel über den Bürgermeisterwahlkampf schreiben.
Das geht dann so: Am 10. November 2020 veröffentlicht die SchwäZ den Andy-Heinrich-Artikel „Langenargener zeigen sich vom Wahlergebnis überrascht“. Darin werden sechs „Bürger“ aus Langenargen nach ihrer Reaktion auf das Wahlergebnis befragt. Diese sechs Bürger sind:
+ (1) Angela Schrecklein: äußert sich pro Krafft
+ (2) Alt-Bürgermeister Rolf Müller: bleibt neutral
+ (3) Michael Zell: äußert sich pro Krafft
+ (4) Wolfang Köhle: ohne genannten Favoriten
+ (5) Bernhard Meyer: ohne genannten Favoriten
+ (6) Uwe Reininghaus: erwähnt Ole Münder ohne eigenes Bekenntnis
Was fällt auf? Nun ja, wer die SchwäZ abonniert hat, dem fällt vermutlich eher nichts auf? Mir fällt auf, dass Heinrich noch nicht einmal den Versuch gemacht hat, ein halbwegs „repräsentatives“ Stimmungsbild aus Langenargen wiederzugeben: Er befragt fünf Männer und nur eine Frau: 5:1.
Zwei von sechs Befragten, also ein Drittel, machen aus ihrem Favoriten Achim Krafft keinen Hehl. Zwei der Statement-Geber erklären sich nicht zu ihrem Kandidaten und nur ein einziger wähnt Ole Münder überhaupt. Kein einziger der von der SchwäZ dem Krafft-Wahlkampfteam-Mitarbeiter Heinrich Befragten bekennt sich klar zu Ole Münder. Und das obwohl das Wahlergebnis ein Fifty-fifty-Stimmungsbild für Langenargen abgibt. Der SchwäZ-Artikel versucht gezielt und penetrant, ein anderes Bild zu zeichnen.
Günther Schrecklein gehört irgendwie zur „Interessengemeinschaft Bierkeller-Waldeck“ und wurde beim Neujahrsempfang 2019 für seine Verdienste von Bürgermeister Achim Krafft ausgezeichnet (Quelle). Aber natürlich weiß ich nicht, ob und in welchem Verwandtschaftsverhältnis Angela Schrecklein zu Günther Schrecklein steht …
Michael Zell ist oder war in Langenargen Vereinsfunktionär; jedenfalls wird er im Amtsblatt 2013 als Vorsitzender des Sportvereins Oberdorf angegeben und ließ sich dort mit Krafft zusammen abbilden (Quelle). Michael Zell ist also ebenfalls kein „normaler“ und halbwegs repräsentativer Bürger.
Ich breche die Recherche zu der Frage, in welchem Abhängigkeits- oder Näheverhältnis diese angeblichen Bürger zum Kandidaten Achim Krafft stehen, hier jetzt ab. Die manipulative Richtung pro Krafft des Andy-Heinrich-Artikels dürfte erkennbar sein?
Mehr Wähler-Manipulation geht nicht?
Wir dürfen gelassen abwarten, ob Achim Krafft mit all diesen Mätzchen, Affronts, Manipulationen, Haar-Spaltereien in Arbeitsgemeinschaft mit seinem Wahlkampf-Team, einzelne Personen daraus wiederum praktischerweise und zeitgleich für SchwäZ schreiben, die Wähler in Langenargen überzeugt.
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