TS68/19: Ochsenhausen: Bevor Tanja Oelmaier zwei Räte aus dem Saal trägt …

Auch in Ochsenhausen sorgen die bei der letzten Kommunalwahl in den Gemeinderat gewählten bekennende Revolutionäre der Liste Pro-Ox schon jetzt für Schlagzeilen. (Das „auch“ bezieht sich auf die BÜB+ in Überlingen.) Mithin sieht es auch im Landkreis Biberach nach eingelösten Wahlversprechen aus.
Bis jetzt. Und das Jetzt ist noch ganz klein.

Das Thema allerdings ist dasselbe: „undemokratisches Verhalten“, „Vorberatungen im Hinterzimmer“.
Diese Monothematik entbehrt jedes Überraschungsmoments?

Dagegen: Pro-Ox proaktiv pro Transparenz? Die Bürgerrechtler der Wählerinitiative in Ochsenhausen sorgen vor allem dafür, dass die Öffentlichkeit ihre Kritik auch zur Kenntnis nimmt. Daran kann die Schwäbische Zeitung bei gewählten Gemeinderäten dann auch nicht mehr vorbei: „Reibereien im Ochsenhauser Gemeinderat“ titelt deren Bericht vom 3. Juli 2019.

Beachten Sie die von der SZVolontärin Sybille Glatz (oder einem redigierenden SZ-Redakteur) getroffene abwertende Wortwahl: „Reibereien“. Definition gemäß Duden: „die partnerschaftlichen Beziehungen beeinträchtigende Meinungsverschiedenheit, Auseinandersetzung über etwas, Streitigkeit“.
Der Begriff „Reibereien“ ist zur Bezeichnung der Dynamiken in einem Gemeinderat hervorragend nicht geeignet; zur Abwertung einzelner Gemeinderäte jedoch sehr wohl.

Übel, übel, solche journalistischen Kniekehlen-Tritte der ganz und gar nicht unabhängigen Schwäbischen Zeitung. Ein Gemeinderat ist kein Geflecht partnerschaftlicher Beziehungen! Vielmehr ist ein Gemeinderat der Ort demokratischer Willensbildung. Gemeinderäte haben den Auftrag der Bürger, den Bürgermeister zu kontrollieren.

Die Pro-Ox-Gemeinderäte Franz Wohnhaas und Armin Vieweger nehmen ihren demokratischen Auftrag wahr, werden aber in der Berichterstattung der SZ auf das Niveau des sozialen Störenfrieds herabgewürdigt.
Das ist Propaganda, nicht Journalismus.

Liebe Frau Glatz, da müssen Sie gar nicht mehr viel lernen! Sie haben sich, sollte diese diskreditierende Wortwahl auf Ihrem Mist gewachsen sein, jetzt schon für einen Redakteursposten bei der SZ qualifiziert.

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Pro-Ox-Kritik an der Besetzung der Ausschüsse
Immerhin bleiben Zwischenüberschriften wie „Pro-Ox fordert Transparenz“ in Volontärin Glatz‘ frühem propagandistischen Meisterwerk bei der Wahrheit. Berichterstattungsanlass ist der Pro-Ox-Protest gegen die nicht dem Proporz entsprechende Besetzung der Ausschüsse. Und an den Zahlen kommt auch Sybille Glatz nicht vorbei:

„Es sind insgesamt 55 Plätze zu besetzen. Wir haben bei der Wahl elf Prozent der Stimmen bekommen. Elf Prozent von 55 Plätzen entsprechen sechs Sitzen, das heißt nach dem Proporz würden uns sechs Sitze zustehen. Wir bekommen aber nur vier“, sagte Armin Vieweger. „Wir stellen zwei Gemeinderäte und haben nur vier Sitze. Das Sozial Ökologische Bündnis hat drei Mandate und bekommt zehn Sitze in den Ausschüssen und Verbänden. Merken Sie was? Das stimmt doch was nicht“, sagte er in Richtung der anderen Fraktionen.
(Schwäbische Zeitung 03.07.2019: „Reibereien im Ochsenhauser Gemeinderat“; Hervorhebg. K. B.)

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Eine Hauptamtsleiterin mit Kofferträgerqualitäten

Und da eilt sie schon wieder dienstfertig um die Ecke, die gute Hauptamtsleiterin Tanja Oelmaier. Auf sie kann sich Bürgermeister Andreas Denzel immer verlassen, auch wenn er sie noch so schofel behandelt. Zum Beispiel bei der spektakulären (weil ratzfatz-kurzen) Verhandlung vor dem Landgericht Ravensburg im Februar 2019. In meinem Kurzbericht zu dem theatralischen Auftritt von Bürgermeister samt professoralem Rechtsbeistand mit wehender Robe fehlt der Gentleman-Akzent: Die zwei in den Verhandlungssaal hineinstürmenden Wichtigtuer nämlich ließen die treue Hauptamtsleiterin Tanja Oelmaier ganz allein einen schweren Wäschekorb mit Aktenordnern hinter sich herschleppen. Darin waren die Unterlagen, in die sie dem Landgericht Ravensburg zuvor die Einsicht verwehrt hatten, was im Beschluss expressis verbis kritisiert wird.

By the way: Der Verfügungsbeklagte seinerzeit, der das Verfahren so furios gewonnen hat, ist der heutige Pro-Ox-Gemeinderat Franz Wohnhaas …
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Das ist natürlich nur ein Symbolbild! Tanja Oelmaier ist eine sehr attraktive und deutlich schlankere Dame. Die abgebildete Wüste allerdings ist faktisch - es ist die demokratische Ödnis in einem Bundesland, das seinen Bürgermeistern eine bundesweit exzeptionelle Machtstellung einräumt. Foto: Karl-Heinz Laube / pixelio.de Foto:

Das ist natürlich nur ein Symbolbild! Tanja Oelmaier ist eine sehr attraktive und deutlich schlankere Dame. Die abgebildete Wüste allerdings ist faktisch – es ist die demokratische Ödnis in einem Bundesland, das seinen Bürgermeistern eine bundesweit exzeptionelle Machtstellung einräumt.
Foto: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

Zurück in die Jetztzeit: Die treue Dienerin mit den Kofferträgerqualitäten erklärt dann auch den verladenen Pro-Ox-Gemeinderäten und der Weltöffentlichkeit (i. e. der SZ-Volontärin) das Geheimnis hinter der schreiend schrägen Ausschussbesetzung in Ochsenhausen. Lesen Sie zu! Hier können Sie etwas lernen: Die Ausschüsse würden nicht nach Proporz besetzt, sondern nach dem „Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren“.
(Hoffentlich ruft mich bald einer meiner Bildungsbürger-Leser an, damit ich erfahre, wie sich das bitte ausspricht?)

Wow. Und: stimmt! Zumindest im Grundsatz. Das ist eine von dem deutschen Physiker Hans Schepers 1980 vorgeschlagene Modifikation des Sitzzuteilungsverfahrens nach D’Hondt, um die Benachteiligung kleinerer Parteien bei diesem Verfahren zu vermeiden.

Okay. Neben ihrer Treue, die man sich in dieser sicht- und hörbaren Verlässlichkeit in partnerschaftlichen Beziehungen (!) oft nur wünschen kann, sowie ihrem Lastenschlepperin-Leistungsprofil hat Tanja Oelmaier solcherart die Pro-Ox-Querulanten, die Weltöffentlichkeit, die junge SZ-Volontärin und mich fortgebildet.
Fort gebildet.

Da müssen wir dann auch leider in kauf nehmen, dass die Gemeindeordnung selbst in Paragraf 40 und zu der Frage der Verteilung der Ausschusssitze gar nichts von diesem verknispelten Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren weiß.
Aber wenn ich die Hierarchien in Baden-Württemberg korrekt im Kopf habe, steht eine Tanja Oelmaier glasklar über der GemO?

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Ausschusssitzverteilungszoff in der Gemeinde Wain
Zu welchen demokratischen Auswüchsen es dagegen in Kommunen kommen kann, die einer solchen schlaubärigen Hauptamtsleiterin entbehren müssen, zeigen die Diskussionen und die SZ-Berichte darüber in der kleinen Gemeinde Wain (Landkreis Biberach).

Anders als Volontärin Glatz brachte der zuständige SZ-Redakteur für Wain die journalistische Energie auf, beim Landratsamt zu dieser heiklen Frage Expertise einzuholen. Der Pressesprecher des Landkreises Biberach, Bernd Schwarzendorfer, füllt daraufhin den von der GemO in den baden-württembergischen Feudalismus geschmetterten Begriff „Einigung“ mit Leben:

SZ: Herr Schwarzendorfer, wie müssen Ratsmitglieder ihre Ausschussmitglieder wählen?

Die Gemeindeordnung sieht den Grundsatz der Einigung vor, das heißt, die Ratsmitglieder verständigen sich einstimmig auf die Gemeinderatsmitglieder, die in einen Ausschuss berufen werden sollen. Eine Einigung heißt: Niemand darf sich der Stimme enthalten oder dagegen sein, alle Ratsmitglieder müssen dem Vorschlag zustimmen.
(Schwäbische Zeitung 07.07.2019: „Einigung heißt, niemand darf sich der Stimme enthalten“; Hervorhebg. K.B.)

Bitte beachten Sie auch die Leserkommentare unter obigem SZ-Artikel, in denen teilweise auf Ochsenhausen Bezug genommen wird. Die demokratischen „Reibereien“ in Wain werden dort ausdrücklich gelobt.

Hinsichtlich der journalistischen Nachwuchsförderung erlauben mir meine Leser bitte noch den kleinen Hinweis an die Kollegin Glatz, dass es berufsethisch nicht ganz ungeschickt ist, wenn man Behauptungen von kommunalen Funktionären einfach mal recherchiert?

Wer das Thema noch weiter vertiefen möchte, dem biete ich diesen Link an.

Aber die offensichtlich eben nicht „einstimmig“ beschlossene Ausschusssitzverteilung ist im Ochsenhauser Gemeinderat noch nicht das letzte Problem:

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Das schräge Demokratieverständnis des Gemeinderats Jürgen Lutz (FW)
Es ist nicht so, dass der Bericht der jungen SZ-Volontärin weitere Höhepunkte der feudalistischen Topografie im  Landkreis Biberach zu beleuchten verabsäumen würde:

Gemeinderat Jürgen Lutz, ebenfalls von den Freien Wählern, berichtete: „Ich habe eine Umfrage bei ähnlich großen Gemeinden wie Ochsenhausen gemacht. Überall gab es ein Vorgespräch mit allen Fraktionen vor der ersten Sitzung. Dass eine Fraktion sich weigert, an dem Gespräch teilzunehmen, konnten die gar nicht glauben. Ich sehe es so: Wer an dem Treffen nicht teilnimmt, läuft Gefahr sich rauszukatapultieren.
(Schwäbische Zeitung 03.07.2019: „Reibereien im Ochsenhauser Gemeinderat“; Hervorhebg. K. B.)

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Aha. „Vorgespräche mit Fraktionen vor der ersten Sitzung“ hört sich für mich nach Nichtöffentlichkeit an? Dafür ist Pro-Ox natürlich nicht zu haben. Sind solche Vorgespräche üblich? Was schreibt denn die linientreue SZ-Volontärin dazu? Nichts? Also: gar nichts? Das ist aber schade.

Nein, ich rufe Tanja Oelmaier zu dieser Frage jetzt nicht an. Die könnte es mir zwar bestimmt erklären, aber ich fürchte, es käme zu Reibereien am Telefon …

Und selbst wenn solche Vorgespräche üblich und legitimiert sind – die BÜB+ in Überlingen weiß von derlei Veranstaltungen zum Beispiel nix – , lässt uns das Zitat von Gemeinderat Jürgen Lutz einmal wieder in demokratische Abgründe blicken: Er warnt die Pro-Ox-Gemeinderäte davor, ihre Verweigerungshaltung gegenüber dem Hinterzimmer berge die Gefahr, „sich rauszukatapultieren“?

Das hätte Herr Lutz wohl gern?
Erde an Lutz: Die Pro-Ox-Gemeinderäte haben ein Mandat der Bürger, die sie gewählt haben. Weder unser Grundgesetz (ja, so etwas gibt’s) noch die Gemeindeordnung Baden-Württemberg kennen Katapult-Mechanismen, die einen solchen demokratischen Auftrag zunichtemachen könnten.

Auch wenn ich keinen Zweifel daran hege, dass Tanja Oelmaier die Herren Wohnhaas und Vieweger persönlich aus dem Ochsenhauser Ratsaal zu tragen in der Lage und der Gemütsverfassung wäre …

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