TS92/19: Bauplatzstreit Ummendorf: Die Schwäbische berichtet einseitig und manipulativ

Ein Ende der juristischen Auseinandersetzungen rund um die Bauplatzvergabe in Ummendorf (Landkreis Biberach) ist nicht absehbar. SaSe hatte im Juni 2019 über den spektakulären Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen mehrfach berichtet: TS65/19, TS70/19 und TS74/19.

Mehrfach berichtet hat auch die Schwäbische Zeitung (SZ). Und der SZ-Redakteur Markus Dreher greift das Thema am 14. September 2019 (und folgende; der Artikel hat mehrere Veröffentlichungsdaten!) erneut auf: „Im Ummendorfer Bauplatzstreit geht’s jetzt um die Hauptsache“.

Aber auch dieses Mal genügt die SZ dem journalistischen Grundsatz der ausgewogenen Berichterstattung nicht. Denn kein einziges Mal bisher kam der Verfügungskläger, der die ganze Sache überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte, bei der SZ zu Wort. Dreher scheint zu wissen, dass er mit dieser groben Verletzung des Pressekodex hart am Wind segelt. Und er versucht, sich folgendermaßen aus der Verantwortung zu winden:

Der Gemeinderat Thomas Dörflinger hatte ja vor der Sommerpause angeregt, dies zu versuchen. Nach Reicherts Auskunft lehnten die Kläger sein Gesprächsangebot schlussendlich ab, nachdem er auf der Anwesenheit eines Zeugen bestanden habe. Wie die Kläger den Ablauf schildern würden, ist unbekannt: Weder Gerichte noch die Gemeinde sagen, wer die Kläger sind.
(Schwäbische Zeitung 14.09.2019: „Im Ummendorfer Bauplatzstreit geht’s jetzt um die Hauptsache“; Hervorhebg. K. B.)

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Ganz offensichtlich möchte Markus Dreher damit dem Leser suggerieren, dass die SZ leider (*schnief) gar nicht weiß, wer der Verfügungskläger ist.

Wer glaubt denn bitte so etwas? Wenn der SZ-Redakteur Markus Dreher über Monate hinweg nicht in der Lage wäre (Sie beachten den Konjunktiv?), den Namen des Verfügungsklägers zu recherchieren, dann muss er bitte seinen Beruf aufgeben!
Wie kann man sich als Journalist nur so eine Blöße geben?

Das war jetzt eine rhetorische Frage, denn diese Blöße steht meiner Meinung nach im Dienste der unausgewogenen Berichterstattung zugunsten des Ummendorfer Bürgermeisters Klaus Bernd Reichert, der im Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. Juni 2019 ganz ordentlich eins aufs Mützchen bekommt.

Da die Inhalte dieser RECHTSPRECHUNG, welche die Amtsführung von Klaus Bernd Reichert doch erkennbar charakterisieren, in der SZ-Berichterstattung ebenfalls geflissentlich nicht zitiert werden, hier kurz ein Auszug:

Leitsätze
1. Für die Vergabe von Bauplätzen aufgrund einer Bauplatzvergaberichtlinie, die eine Gemeinde zur Förderung eines bestimmten Personenkreises erlässt, ist gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn die Gemeinde im Interesse der Entwicklung der örtlichen Sozialstruktur auf die Vergabe der Bauplätze einwirken will.

2. Es widerspricht dem Sinn und Zweck des Gebots der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen, wenn in nichtöffentlichen Klausurtagungen und einer nichtöffentlichen Sitzung die maßgebliche Sachdiskussion vorweggenommen wird und in öffentlicher Sitzung lediglich kursorische Wortmeldungen erfolgen und dann abgestimmt wird.
3. Ein Gemeinderatsbeschluss ist gem. § 18 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 GemO rechtswidrig, wenn ein Mitglied des Gemeinderats in der Beratung und Beschlussfassung mitwirkt und sich in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Abstimmung über eine Vergaberichtlinie auf einen Bauplatz in dem Gebiet bewirbt.

(Verwaltungsgericht Sigmaringen Beschluss vom 17.06.2019 Az. 3 K 7459/18; Hervorhebg. K. B.)

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Nach vorläufiger (!) Einschätzung der Sigmaringer Verwaltungsjuristen war das Vorgehen der Gemeinde Ummendorf bei der Bauplatzvergabe rechtswidrig. Mehr noch: Das Auskungeln der Vergabekriterien in nichtöffentlichen Sitzungen widerspreche dem Sinn und Zweck des Gebots der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen.

Diese wichtige Botschaft des Verwaltungsgerichts Sigmaringen, ein alarmierendes „Zeugnis“ der Amtsführung von Klaus Bernd Reichert, wird von der SZ in dieser Drastik gar nicht kommuniziert!

Und darüber hinaus lässt die SZ den wichtigsten Beteiligten, den Verfügungskläger, unter der mehr als windigen Behauptung, man kenne seinen Namen nicht, nicht zu Wort kommen.

Das ist Hofberichterstattung comme il faut!

Wenn ich einmal versuche, mich so dumm zu stellen, wie Dreher die Leser verkauft, empföhle ich ihm, mit einer, zwei oder drei der 27 Familien zu sprechen, die vom Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen betroffen sind. Einfach mal das journalistische A. B. durchdeklinieren? Die alle nämlich kennen den Namen des Verfügungsklägers. Da wird sich bestimmt eine undichte Stelle finden?
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Krass manipulativ: „Ehepaar“ statt „Familie“
Aber Dreher und die SZ gehen noch viel weiter, um das Bisschen zu retten, was vom Ruf des Ummendorfer Bürgermeisters nach dem vernichtenden Beschluss noch zu retten ist. Dabei kommt wieder das hinterfotzige Framing (anderes Beispiel auf diesem Blog) zum Einsatz: Vermittels ganz subtiler und in ihrer tieferen Wirkung für den Laien gar nicht erkennbarer Begriffe wird das Verhalten des Lesers beeinflusst.

Und so bezeichnet die SZ die Verfügungskläger nicht gerade wahrheitswidrig, aber auch nicht wahrheitsgetreu, auf jeden Fall aber abgrenzend gegenüber den anderen Familien als „Ehepaar“:

Der Rechtsstreit um die Bauplatzvergabe in Ummendorf geht ins nächste Stadium: Das leer ausgegangene Ehepaar, das im Eilverfahren einen vorläufigen Vergabestopp erwirkt hat, reichte inzwischen Klage in der Hauptsache ein. Darüber informiert die Gemeinde jetzt in einem Schreiben sämtliche 159 Bewerber auf einen der 33 Bauplätze.
(Schwäbische Zeitung 14.09.2019: „Im Ummendorfer Bauplatzstreit geht‘s jetzt um die Hauptsache“; Hervorhebg. K. B.)

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Bevor wir zu dem hier angewandten Framing kommen, noch der Hinweis auf eine falsche Tatsachenbehauptung der SZ: Nach den dieser Redaktion vorliegenden Informationen erhielten nicht alle 159 Bewerber auf einen der 33 Bauplätze das genannte Schreiben. Raten Sie, wer nicht!

Framing: „Ehepaar“ hört sich natürlich ganz anders an als „Familie“. Zu „Ehepaar“ assoziiert der Leser möglicherweise auch „kinderlos“. Und die SZ-Leser wissen natürlich um die vielen (27)  FAMILIEN, die durch das rechtswidrige Vorgehen der Gemeinde jetzt in massive und teilweise existentielle Nöte geraten sind.

Wichtig: Ursächlich für die Not der bauwilligen Familien ist nicht der Beschluss des VG Sigmaringen. Ursächlich für die Probleme der Familien sind erst recht nicht die Verfügungskläger, die ihn erwirkt haben. Ursächlich ist die Gemeinde Ummendorf mit ihrem hinter verschlossenen Türen ausbaldowerten Bauplatzvergabeverfahren, das von berufener Stelle vorläufig als rechtswidrig und die demokratischen Grundsätze verletzend  bewertet wird.

Freiwillige vor, die mir erzählen wollen, dass Markus Dreher tatsächlich nicht weiß, dass es sich bei dem angeblich und von ihm so geschickt geframten „Ehepaar“ um eine Familie mit zwei Kindern im nicht schulpflichtigen Alter handelt?

Dabei ist die Verwendung der Bezeichnung „Ehepaar“ noch die harmlosere der von Dreher verwendeten Varianten des Framings. In seinem Artikel „Plötzlich wankt der Traum vom sicher geglaubten Eigenheim“ vom 31. Januar 2019 hatte er noch tiefer ins Mus gelangt. Derweil er gemeinsam mit den betroffenen FAMILIEN pseudo-empathisch durch das weite Tal der Tränen schlendert, von den Nicht-Klägern ausschließlich als „Familien“, „der junge Familienvater“ und „Eltern“ oder „die Mutter von zwei Kindern“ schreibt, wählt er für den Verfügungskläger diese maximal als dysphemisch zu bezeichnende Bezeichnungsvariante:

Anfang Dezember haben leer ausgegangene Bewerber beim Verwaltungsgericht Sigmaringen eine einstweilige Verfügung beantragt, um den Verkauf zu stoppen, bis über die Rechtmäßigkeit dieses Punktesystems entschieden ist.
(Schwäbische Zeitung 31.01.2019: „Plötzlich wankt der Traum vom sicher geglaubten Eigenheim“; Hervorhebg. K. B.)

Ein „leer ausgegangener Bewerber“ – da weiß man ja, woran man ist? Wer leer ausgeht, wird schnell neidisch, biestig, streitsüchtig? Auf der einen Seite lauter „Familien“, „Eltern“, „Mütter“ – und auf der anderen: ein leer ausgegangener Bewerber! So spaltet man die Bürger. Die Fronten sind klar und markieren Letztgenannten fast schon als asozial, wenn ihm die Merkmale [+Familie], [+Eltern], [+Kinder] in der SZ-Berichterstattung wahrheitswidrig entzogen werden.

Die Fakten sind andere und werden von der SZ – ich behaupte: bewusst – unterschlagen: Auch die Verfügungskläger sind eine Familie. Auch die Verfügungskläger sind Eltern. Auch sie haben Kinder – wie die anderen betroffenen Familien auch.
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Die Gemeinde Ummendorf verschleppte monatelang die Herausgabe der Dokumente
Und wenn ich Lust dazu habe, belege ich den SaSe-Lesern in einem weiteren TagesSenf, wie die SZ-Leser über die Hintergründe des gedehnten Zeitfensters bis zum VG-Beschluss getäuscht werden. Die lange Dauer bis zum Beschluss wurde insbesondere von dem Landtagsabgeordneten und Ummendorfer Gemeinderat Thomas Dörflinger (CDU) öffentlichkeitswirksam und in stilisierter Empörungspose kritisiert (hier).

Die Fakten sind auch hier ganz andere – und werden von der SZ den Lesern und Bürgern nicht zur Kenntnis gebracht. Damit das Verwaltungsgericht Sigmaringen ENDLICH die Unterlagen von der Gemeinde Ummendorf bekommt, die es schon am 20. Dezember 2018 angefordert hatte, war erst ein Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg am 15. Februar 2019 notwendig.

Die Gemeinde Ummendorf hat also die Herausgabe wichtiger Dokumente und Unterlagen monatelang verweigert, bis sie durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg dazu gezwungen wurde. Bürgern und Lesern dann anschließend glauben machen zu wollen, das Verwaltungsgericht Sigmaringen hätte unnötig lang für den Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren gebraucht (hier der entsprechende SZ-Artikel dazu), ist – labeln wir es ganz milde – eine mittlere Unverschämtheit! Die Populisten nennen so etwas Fake-News.

Ach, ich sehe gerade: Ich hatte ja schon Lust!

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Verkauf des redaktionellen SZ-Artikels als „bezahlter Werbeinhalt“
Immerhin lässt sich derart einseitige Berichterstattung mit vollendetem Framing extrem gut verkaufen. Denn der aktuelle redaktionelle (!) Ummendorf-Artikel vom 14. (oder wann auch immer) September 2019 ist bzw. war (siehe unten) inzwischen von der SZ als „bezahlter Werbeinhalt“ auch für Nicht-SZ-Abonnenten frei zugänglich!
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Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Schwäbische Zeitung online am 17.09.2019. HIer wird ein redaktioneller und noch dazu politisch hochbrisanter Artikel als "bezahlter Werbeinhalt" verkauft und jenseits aller Bezahlschranken für Leser zugänglich gemacht. Das ist quasi die Todsünde des Journalismus und ein schwerer Verstoß gegen den Pressekodex, der verlangt, Redaktion und Werbung strikt zu trennen. Erst auf meine Nachfrage hin sei dieser Zugang zu dem Artikel als "bezahlter Werbeinhalt" gesperrt worden. Die SZ behauptet, es handele sich um einen "technischen Fehler".

Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Schwäbische Zeitung online am 17.09.2019. Hier wird ein redaktioneller und noch dazu politisch hochbrisanter Artikel als „bezahlter Werbeinhalt“ verkauft und jenseits aller Bezahlschranken für Leser zugänglich gemacht. Das ist ein schwerer Verstoß gegen den Pressekodex, der verlangt, Redaktion und Werbung strikt voneinander zu trennen. Erst auf meine Nachfrage hin sei dieser Zugang zu dem Artikel als „bezahlter Werbeinhalt“ gesperrt worden. Die SZ behauptet, es handele sich um einen „technischen Fehler“.

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Das ist quasi die Todsünde des Journalismus. Und weil der Vorwurf so schwer wiegt, blieb mir nichts anderes übrig, als bei der SZ anzurufen und um eine Stellungnahme zu bitten, wie so etwas denn bitte sein kann?

Lassen Sie uns gemeinsam lachen. Ein Mitarbeiter aus dem SZ-Marketing erklärt mir nach entsprechender Rückfrage bei der Redaktion in Biberach:  „Das war ein technischer Fehler, der jetzt sofort behoben wird!“

*LOL*

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