Bezug: Am 18. November 2015 zitierte die Schwäbische Zeitung unter der Überschrift „Spuckattacke eines Flüchtlings erschüttert Frau“ diverse Anwohner-Stimmen zu der Flüchtlingsunterbringung in der Graf-Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen. Der Artikel enthält folgende Passage:
Einer anderen Familie aus dem Ziegelesch ist ein Fußball aus dem Garten gestohlen worden. „Unser Sohn machte uns darauf aufmerksam, dass er seinen Lederball vermisst“, sagt die Mutter, die anonym bleiben möchte. Den Ball hatte sie im Mai bei Aldi gekauft. Den gab’s nur für ein paar Tage, deswegen konnten ihn die Flüchtlinge nicht selber kaufen, erzählt die Mutter. Der Junge bekam seinen Ball wieder, weil der Vater ihn zurückholte. „Mein Mann hat den Ball wiedererkannt, als eine Gruppe von Männern auf dem Weg vom Bolzplatz bei uns vorbeikam.“ Er hat sie angesprochen und gefragt, woher sie den Ball haben. Daraufhin entschuldigten sich die Flüchtlinge und gaben den Ball zurück.
(Schwäbische Zeitung 18.11.15: „Spuckattacke eines Flüchtlings erschüttert Frau“; Hervorheb. SaSe)
Einen Tag später fand in der Sigmaringer Stadthalle eine Bürgerversammlung zum Thema Flüchtlinge statt (Berichterstattung Schwäbische Zeitung, Südkurier).
[SATIRE]
Der entführte Fußball in ehrlicher Haut
Ein Unrecht ist geschehen. In Sigmaringen! Gut, es ist nicht wirklich „groß“, aber es ist immerhin doch: Unrecht. Und in Bezug auf den oder die Rechteverletzer trifft es eine Aussage so klar wie ein Röntgenbild. Es liefert einen unabweisbaren Beleg über Zustände, die herrschen. Nicht zu verwechseln mit einer Aussage über die Herrschenden.
Das verletzte Recht ist eines der höchsten (bei uns): Eigentumsrecht. Ein Fußball wurde widerrechtlich aus einem Vorgarten entwendet. Die Täter verletzten nicht nur Recht, sie führten den vormals acht-, nutz- und sinnlos im Vorgarten vor sich hin faulenzenden Ball überdies noch seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu. Sie spielten – Achtung: – Fußball mit ihm. Potzblitz und Regenwurm!
Die Täter waren Geflüchtete. Siehste!
Fußball – sauber – Sigmaringen
Der Vorgang berechtigt zur Empörung auch deshalb, weil die Abgaswerte dieses Fußballs einwandfrei und unmanipuliert gewesen sein sollen. Um die Empörung rein zu erhalten und sie in ihrer explosiven Authentizität eindrücklich inszenieren zu können, machen die Rechteinhaber (Fußball-Eigentümer) und Empörten keine Angaben darüber, welche Automarke sie fahren. Welchen Strom sie verbrauchen. Welche Aktien sie besitzen. Oder wie viel sie für den Tierschutz spenden. Das tut hier nichts zur Sache. Aber so etwas von gar nichts von.
Fußball, Eigentum (i. e. Geld) und Recht ist derzeit eine brisante Mischung. Gerade sind einige Fußballer, deren Freunde und Organisationen dabei, jede moralische Berechtigung zu verlieren. Und jetzt noch das. In Hohenzollerns eigener Stadt!
Der Sigmaringer Fußball war sauber. Blitzsauber! Gerade deshalb hätte er nicht entwendet werden dürfen von solchen, die offensichtlich keinen Bezug zu Recht und Ordnung, keinen Respekt vor dem Eigentum anderer haben. Und sollten nicht gerade sie, denen alles – also Fußball-Äquivalente wie Haus & Heim – genommen wurde, deren Rechte also vormals keine Sau interessierte, sollten nicht gerade solche ganz besondere Demut vor dem Eigentum Dritter zeigen? Wenigstens in Deutschland? Spätestens in Deutschland? Da wird man doch Respekt verlangen können vor den Werten, die da im Vorgarten ungeschützt der herbstlichen Witterung ausgesetzt herumliegen?
Wichtig: Die Empörten sind kein Aber.
Kein Respekt vor Kinderarbeit?
Wo bleibt der Respekt vor der ehrlichen Arbeit, die möglicherweise hinter diesem Billig-Fußball aus einem Discounter steckt? Zahlreiche Dokumentationen haben bewiesen, dass (auch) diese Produkte oft in ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt werden. Zum Beispiel in Pakistan. Da stechen sich fünf- bis dreizehnjährige Kinder von morgens um sieben Uhr bis in den späten Abend die Finger blutig, um für deutsche Vorgartenbesitzer billiges Sportgerät zusammenzunähen. Immerhin schaffen die dramatisch minderjährigen Butzelen, gebeugt auf dem harten Boden sitzend bei katastrophal defizitärer Ergonomik, zwei bis drei Fußbälle am Tag. Und obendrein erhalten sie sogar ein paar Cents dafür. Also das, was man ehrliche Arbeit nennt.
Aber so etwas kennen die Vorgarten-Täter in Baden-Württemberg natürlich nicht! (Wenn sie nicht gerade aus Pakistan kommen.)
Dieses Unrecht – Kinderarbeit – und noch ein paar andere Sauereien weltweit (deutsche Waffenexporte, europäische Wirtschaftsdeals mit blutbesudelten Diktatoren etc.) – trieben letzte Woche nahezu eintausend Sigmaringer Bürger in der Stadthalle zusammen! Nackt und zitternd standen dort globales Unrecht, Ausbeutung und Krieg am Pranger, schonungslos der so tief gründenden, so durch und durch lupenreinen Empörung der Bürger preisgegeben!
Unrecht ist geschehen. Und Sigmaringen hat nicht geschwiegen!
*
*
*** *** ***
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat und Sie die (hauptberufliche) Arbeit der Redaktion SatireSenf.de unterstützen möchten, freue ich mich über ein „Lesegeld“ via nachstehender PayPal-Optionen oder über das hier genannte Geschäftskonto:
[wp_paypal_payment]