[Satire!]
Von oben nach unten.
Nach ganz unten.
1. Global: Nepal
In Nepal und den angrenzenden Ländern hat die Erde gebebt und tut es noch. Wieder eine Naturkatastrophe mit Tausenden Toten. Nicht nur der Bergsteiger Reinhold Messner, auch einige seiner Kollegen, kritisieren öffentlich die Zwei-Klassen-Rettung der Opfer. Bei den Hilfsaktionen würden die Prioritäten falsch gesetzt, wenn nicht primär den Menschen in Kathmandu geholfen werde, sondern lebenswichtige Kapazitäten für die Rettung der Bergsteiger eingesetzt würden:
Es ist zynisch, dass man um die Bergsteiger am Mount Everest, die sich für 80.000 bis 100.000 Dollar diese Besteigung kaufen können, einen solchen Hype macht", sagte Messner. Am Mount Everest gebe es genügend Ärzte und Essen. Außerdem könne man die Betroffenen mit dem Hubschrauber ausfliegen.
(Spiegel online 27.04.2015: Erdbeben in Nepal: Reinhold Messer kritisiert „Zwei-Klassen-Rettung“)
2. National: Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Gedenkfeierlichkeiten KZ Ravensbrück
„Plastikgeschirr für Überlebende, feines Gedeck für den Staatsbesuch: Was lief schief am 70. Jahrestag der Befreiung des Frauen-KZ in Ravensbrück?“, fragt Lena Klimkeit im ZEIT-online-Artikel Holocaust: Die Scham nach dem KZ-Gedenken. Die Eingangsfrage ist schnell beantwortet, denn wieder einmal und selbst an diesem historisch sensiblen Ort erfahren Prominente, Reiche und Politiker Vorzugsbehandlung. Sie tafelten an drei sogenannten VIP-Tischen in edlem Ambiente mit silbernen Gabeln, Weingläsern und weißen Decken. Das hehre Gedenken des gemeinen Volks hingegen, zu dem in diesem Fall auch die Überlebenden des Holocaustes gehörten, fiel spätestens in dem Moment systemkonform in die Realität zurück, als beim anschließenden Essen die Plastikgabel im Zuge bestimmungsgemäßen Gebrauchs zerbrach.
Bemerkt wurde diese Ungleichbehandlung vor allem von den Helfern:
Den Helfern wie Hannah Rainer geht es nicht um Erbsenzählerei. Womöglich haben die Gäste auch gar nicht wahrgenommen, was den Helfern so unangenehm war. Für sie ist es eine Frage des Respekts gegenüber den Überlebenden, ihnen die meiste Aufmerksamkeit während einer Gedenkfeier zu schenken. Und sie fragen sich, ob Ravensbrück ein Einzelfall ist.
(ZEITonline, 24.04.15: Holocaust: Die Scham nach dem KZ-Gedenken)
3. Fatal: "Denkfunk" – Ablasshandel mit Privilegien
Den zu Recht empörten Helferinnen bei den Gedenkfeierlichkeiten im KZ Ravensbrück kann auf ihre Frage, ob die Vorgänge dort ein Einzelfall seien, ruhigen Gewissens geantwortet werden: nein. Sie sind systemimmanent. Derlei kapitalistische Prinzipien sind (auch) den Deutschen inzwischen so dermaßen in Fleisch und Blut übergegangen, dass sich selbst Kabarettistenvereinigungen nicht entblöden, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu kapitalisieren und nur jenen Zugang zu ihren Videos oder zur Diskussion ihrer Videos (Zutreffendes bitte ankreuzen – siehe unten) zu verschaffen, die sich das auch leisten können. Oder kurz: noch mehr Klassenunterschiede zu etablieren.
Bildzitat Screenshot Denkfunk.de, Mitgliedschaften
Weiche von mir, Prekariat! Zugang zur Diskussion der in den Videos der ersten Kabarettisten-Kirche dieses Landes thematisierten Systemkritik haben eben nur Kräftige. Zahlungskräftige. Und schließlich gibt es ja auch noch so systemrelevante Einrichtungen wie Facebook, wo man nolens-volens nicht nur an Diskussionen, sondern offensichtlich auch am weltweiten Datenhandel teilnimmt.
Doch nicht nur die Diskussion der Inhalte von Denkfunk-Videos ist nur für diejenigen reserviert, die es sich leisten können:
Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot Denkfunk.de, Nutzungsbedingungen
Nach diesen Informationen in den Nutzungsbedingungen auf Denkfunk.de sind auch die systemkritischen (!) Inhalte des Gewerbeunternehmens mit Abo-Verkauf nur für Privilegierte i. e. Abonnenten zugänglich. Das ist ja gerade der tiefere Sinn von Systemkritik … Und die ist eben nur etwas für feine Menschen Leute.
Obwohl …. Vielleicht sollte man die (eigentlich rechtsverbindliche) Angabe auf der Webseite von PatchworX Media GmbH doch nicht so stehen lassen? Zu der Verfügbarkeit der Denkfunk-Videos gibt es nämlich aus derselben Quelle auch noch eine ganz anderslautende Auskunft. Presseangefragt hört sich das dann auf einmal so an:
Die Videos sind kostenlos für jeden Netzuser zugänglich. Ob Abonnent oder nicht.
(Presseantwort der PatchworX Media GmbH am 21.04.2015 an die SaSe-Redaktion; Hervorhebg. von SaSe)
Sehense! Alles halb so schlimm. Welcher der beiden Angaben denn nun stimmt? Keine Ahnung! Vielleicht kommt es darauf an, wer wessen Geschlechts und welcher Herkunft wann bei welcher Luftfeuchtigkeit fragt?
Besser allerdings ist es, wenn sich das Zwei-Klassen-System auch in der Systemkritik gleich mehrfach manifestiert und auf verschiedenen Ebenen eingezogen wird, also: Binnendifferenzierung:
Bildzitat Screenshot Denkfunk.de, Mitgliedschaften
Wer also 60 oder 120 Euro im Jahr abledern kann, dem aber 600 Euro doch ein wenig zu viel sind, der hat dann leider keinen Zutritt mehr zur exklusiven „Denkfunk-Gala – Veranstaltungen mit unseren Autoren“. De facto sind es jetzt also schon drei Klassen: 1. (gar) keine-Denkfunk-Mitglieder, 2. Denkfunk-Mitglieder niederer Kaste, 3. Denkfunk-600-Euro-Premium-Upperclass-Mitglieder. NUR Letztgenannte dann dürfen teilhaben an der exklusiven Gala, so eine Art Bilderberg-Konferenz für Ohnmächtige mit Humor {Copyright: Karin Burger}!
Noch einmal zur Erinnerung, wer die oben genannten Autoren sind: zum Beispiel die Kabarettisten Urban Priol, Christoph Sieber, HG Butzko, Luise Kinseher, Stefan Hanitzsch, Tobias Mann, Anny Hartmann, Andreas Rebers, Frank Lüdecke, Helmut Schleich, Nessi Tausendschön und und und.
Niemand hat etwas gegen faire Geschäfte, Basis von Zivilisation und Wohlstand. Bei Denkfunk jedoch wird weder mit Waren noch mit einer Dienstleistung „gehandelt“, sondern systemkonform und in Aufnahme bewährter Modelle der nur vergangen geglaubten Vergangenheit mit Privilegien: Zugang zu (systemalternativem) Herrschaftswissen, Aufnahme in den inneren Kreis, Zutritt zum Kabarettisten-Kaiserhof.
Man kann es aber auch positiv sehen: Wer schon bei Denkfunk.de trainiert hat und dort draußen bleiben musste, der guckt dann nicht ganz so blöd, wenn die Plastikgabel in Ravensbrück splitternd die Grätsche macht oder er als Aborigine in Nepal von Rettung leider ausgeschlossen ist. Das Kapital hat überall Vorfahrt!
SaSe-Refrain: Es stört die Form, nicht der Inhalt! Über die Form allerdings – Stichwort „Ablasshandel“ und den fast übergriffigen Eindruck des Wasser-predigen-Wein-trinken – ist eine Annäherung an Strukturelles möglich!
Sie dürfen Luther zu mir sagen!
Noch mehr SaSe-Insubordinationen gegenüber Denkfunk? Aber ja:
SüS1 + SaSe15. Und da kommt auch (leider) noch mehr …
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SaSe–Leser-Senf: (per E-Mail am 02.05.15; Hervorhebg. wie im Original):
Genau! Es ist Zeit für die Wahrheit. Nix mehr Zwei-Klassen-Gesellschaft, es handelt sich eindeutig um eine Zwei-Kassen-Gesellschaft!