Nachdem ich den Südkurier – namentlich die Redaktion Meßkirch mit dem neuen kommissarischen Redaktionsleiter Manfred Dieterle-Jöchle – gerade erst so gründlich zusammengefaltet habe, hier der Link auf das krasse Gegenteil: In Salem war es im Juni 2019 auf der Riesenbaustelle der „Neuen Mitte“ zu einer Messerattacke eines 42-jährigen Arbeiters auf seinen 47-jährigen Kollegen gekommen. Der Südkurier Salem nimmt den Vorfall vier Wochen später zum Anlass, in einem nahezu sensationellen Berichtsformat über das Leben der Arbeiter dort zu berichten: „Nach Messerstecherei auf Salemer Baustelle: Wie sieht das Leben der Arbeiter dort eigentlich aus?“
Das Format nennt sich Feature und ist überhaupt nicht neu. Nur beim Südkurier!
Als Alternative für des Lesens Müde bietet der Verlag den Beitrag auch als 10-minütigen Podcast an. Das Ganze stammt von Steffen P. Schmidt. Er kommt in seinem Bericht tatsächlich ohne ein einziges Statement von Behörden oder zweibeinige Wichtigkeiten aus. Stattdessen stehen Menschen, in diesem Fall durchgehend sehr freundliche Bauarbeiter aus verschiedenen Nationen, im Mittelpunkt seiner Berichterstattung. Mal etwas ganz Anderes!
Ob diese Freundlichkeit eine Delle bekommen hätte, wenn der Journalist nach Mindestlohn und Scheinselbstständigkeit gefragt hätte, ist eine rhetorische Frage …
Aber auch für Features braucht es natürlich etwas Übung. Da ist noch Luft nach oben: Eine Prise weniger Märchenonkel und eine Schicht weniger Sozialkitsch. Aber vom Ansatz her: Tunnellicht!
Fragt sich nur, wie viele Dekaden Südkurier-Leser von so abgehängten Redaktionen wie Meßkirch noch warten müssen, bis sie dort auch in den Genuss von Berichtsformaten kommen, die dem Jahrhundert und dem gesellschaftlichen und kommunikativen Status quo annähernd gerecht werden.