Unter der Überschrift „Start der Aussaat für die Durchwachsene Silphie“ flutet eine Pressemitteilung der Fachverbands Biogas e. V. seit dem 19. April 2018 die agrarwirtschaftliche Fachpresse. Teilweise liegt die dazugehörige Veröffentlichung hinter einer Bezahlschranke (z. B. bei agrarzeitung online). Bei top agrar ist sie zugänglich. Ohnehin steht der für diesen TagesSenf auslösende Passus ganz am Anfangder Meldung:
Auf 1.100 Hektar in ganz Deutschland säen Landwirte in den kommenden Wochen die Durchwachsene Silphie, meldet der Fachverband Biogas. Die Energiepflanze vereine viele positive Eigenschaften für Biogas, Bienen und Bevölkerung. Der Anbau auf Ökologischen Vorrangflächen seit diesem Jahr möglich.
Mit einer speziellen Sämaschine ist der baden-württembergische Saatguthersteller Energiepark Hahnennest gestern ins oberbayerische Markt Indersdorf gekommen, um auf den Ackerflächen des Landwirtes und Biogasanlagen-Betreibers Josef Götz auf sieben Hektar die Energiepflanze Durchwachsene Silphie auszusäen.
(top agrar 25.04.2018: „Silphie: Aussaat-Tour durch Deutschland startet in Oberbayern“; Hervorhebg. SaSe)
Im weiteren Artikelverlauf erfährt der Leser, dass deutschlandweit inzwischen schon 3.000 Hektar mit dem mehrjährigen und ursprünglich aus Nordamerika stammenden Korbblütler bepflanzt seien.
Senf: Diese Bezeichnung ist neu: Der Energiepark Hahnennest (EPH) wird in der Pressemeldung des Fachverbandes Biogas e. V. als „Saatguthersteller“ benannt. Das wirft Fragen auf: Wo liegen die Produktionsstätten dieses „Saatgutherstellers“? Welche der zahlreichen Firmen und Unternehmen rund um den EPH genau produziert das Saatgut? Welche anderen Saaten als die Silphie werden hergestellt?
Im bundesweiten Normalfall würde sich die recherchierende Journalistin mit diesen Fragen einfach an den Hersteller wenden. Nur leider: Die EPH-Unternehmen beantworten kritische Presseanfragen nicht beziehungsweise, so formuliert es die SWR4-Kollegin in ihrem Bericht von der Petitionsausschuss-vor-Ort-Veranstaltung Ende März, „reden nicht mit den Medien“. Der vom BUND als „agrarindustrieller Komplex“ kritisierte EPH ist verdächtig intransparent.
Der Verkäufer des über die Fachpresse hinaus von Regionalzeitungen in ganz Deutschland kostenlos beworbenen Saatguts immerhin lässt sich rasch ermitteln: die Metzler & Brodmann Saaten GmbH. Sie firmiert auch im Impressum der Webseite Donau-Silphie.de.
Ein starkes Verkaufsargument für die bisher kaum erforschte Pflanze dürfte dabei auch die seit Januar 2018 bestehende „Greeningfähigkeit“ sein.
Und bei den EPH-„Saatgutherstellern“ dürfte die Kasse ohnehin vernehmlich klingeln: Das Silphie-Saatgut mit Anbauvertrag, inkl. Maissaatgut und Aussaat, kostet gemäß Bestellformular 1950 Euro pro Hektar. Für 3.000 monokultivierte Hektar Anbaufläche bundesweit wäre das ein Umsatz von 5.850.000 Euro. Dafür muss ein bäuerlicher Landwirt ohne Konzernverbindungen lange melken …
Erfreulich zu oben genannter Pressemitteilung des Fachverbandes Biogas e. V., der sich fragen lassen muss, warum er beim EPH nicht nach zertifizierte Nachhaltigkeit fragt, sind Leserreaktionen wie zum Beispiel diese auf Proplanta.de:
Das hört sich nach Werbeprospekt an.
„Ab dem zweiten Jahr kann auf Pflanzenschutzmittel weitgehend verzichtet werden. „….Was heisst das im Klartext? Insektizide, Fungizide oder Herbizide weg? Oder alle drei?
„Nach der einmaligen Aussaat muss der Boden nicht mehr bearbeitet werden. Davon profitieren Bodenlebewesen wie beispielsweise Regenwürmer. Oberirdisch bietet die von Juni bis September gelb blühende Silphie Insekten und Wildtieren Nahrung und Lebensraum. „
Welchen Ertrag hat der Landwirt dann im zeiten Jahr? Im ersten wird Mais untersät, richtig?
Insekten kann sie schlecht Lebensraum bieten, da ja die ersten 2 Jahre Insektizide gespritzt werden. Oder?
„Biogas kann einen wertvollen Beitrag zu mehr Artenvielfalt auf unseren Ackerflächen leisten“….das kann nur ein Scherz sein…..nichts gegen die Silphie, kann ja nicht schlechter als Mais sein.
(Proplanta.de 20.04.2018: Leserkommentare von „Anja“ unter „Aussaat der Durchwachsenen Silphie kann beginnen“; Zitat in Originalorthografie)
Der darauf folgende Kommentar zeigt, dass sich nicht einmal mehr die Zielgruppe selbst täuschen lässt und die plumpe Werbung durschaut:
Vollkommen richtig. Es ist absolute Augenwischerei, die Silphie wird früher als der Mais abgeerntet, die Insekten haben wenig davon und die Direktsaaten sind für die Pflanzenentwicklung, aufgrund der ungleichen Bestandsdichte, eher negativ. Wenn schon Silphie, dann als Pflanzung mit vernünftigen Pflanzenzahlen/ha.
Bei der Ernte wird durch die schweren Maschinen der Boden massiv belasten, eine Auflockerung des Bodens nach wenigen Jahren erscheint absolut notwendig, Z.B. mit einem Tiefenlockerer (Impos o.a.).
(ibid. Leserkommentar „mk“)
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Steuergelder für ein bundesweit agierendes Unternehmen mit Millionenumsätzen
Ungeklärt ist noch die Frage, warum ein mit Steuergeldern des Ministeriums Ländlicher Raum gepimpeter Wirtschaftsförderverein wie REMO e. V. – Räumliche (!) Entwicklung Mittleres Oberschwaben – mit Werbeaktionen wie dieser ein Unternehmenskonglomerat „Energiepark Hahnennest“ unterstützt, das bundesweit agiert (aktuelles Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern), mutmaßlich Millionenumsätze generiert – und deshalb keine Förderung aus Steuergeldern verdient.