TS108/19: Südkurier Überlingen: Warum fragst du denn die Kirche?

Günter Hornstein ist CDU-Gemeinderat in Überlingen und Sprecher seiner Fraktion. Seiner Partei ist die Christlichkeit ein so hohes Anliegen, dass sie den Begriff sogar im Namen führt. Er war es nicht. Und auch nicht seine Fraktion.

Manuel Wilkendorf ist SPD-Gemeinderat in Überlingen und Sprecher seiner Fraktion. Er repräsentiert den (rein formellen?) Generationswechsel, der die Überlinger Genossen derart besoffen macht, dass sie sich auf ihrer Ortsvereinshomepage zu dem selbst verliehenen Titel „die neue SPD in Überlingen“ vergaloppieren. SPD heißt übrigens: SOZIALdemokratische Partei Deutschland. Er war es nicht. Und auch nicht seine Fraktion.

Es waren nicht die Christen und es waren nicht die Gemeinderäte, welche sich das Soziale balkenbreit an Brust und Stirn heften.

Es ist die vom Namen her weitaus bescheidener daher schlappende Wählerinitiative Bürger für Überlingen BÜB+, die das kommunale Augenmerk auf das Thema Menschlichkeit und soziale Verantwortung richtet: die Obdachlosenunterkünfte in Überlingen. *

Kommunal verwaltete Dreckslöcher, von der Kirche abgesegnet
Und da sieht es (nicht nur) in der Bodensee-Stadt mit der permanent vermarkteten landschaftlichen Idylle übel-dübel aus! Nachdem die BÜB+, also nicht die Christen und nicht die Sozialen, neulich im Gemeinderat einen Statusbericht über die baulichen Zustände der von der Stadt verwalteten Obdachlosenunterkünfte eingefordert hatte, sah sich sogar der Südkurier veranlasst, einmal persönlich bei so einer gesellschaftlichen Randexistenz vorbeizuschauen. Also raus mit dem Mikro aus dem Anus der Macht und richtig ran an den Rand-Menschen.

Ohne den bewundernswerten Mut und die dankenswerte Offenheit der ehemaligen Rechtsanwältin Birgit Stinner wäre der Südkurier bei seiner waghalsigen Reportage am scharfkantigen Rand der Gesellschaft aber nicht weit gekommen. Als sich dem Klischee querstellende Biografie eignet sie sich ganz besonders für die Öffentlichkeit.

Vor allem liefert sie Fakten, die sich noch nicht einmal mehr vom Südkurier schönen lassen: Stinner lebt in einem „stinkenden Drecksloch“ (das ist ein Zitat!). Schimmel zeige sich an Wänden und Decken der sanitären Anlagen (Quelle). Stinner bewohne ein „Baracke“ mit sechs Quadratmetern Fläche.

Da wäre Stinner als Hund besser dran! Wie neulich schon einmal angeführt, steht Hunden in Deutschland nach der Tierschutz-Hundeverordnung deutlich mehr Fläche zur Verfügung. Kaniden Daseinsformen mit einer Widerristhöhe von 65 Zentimetern und mehr, wovon man bei Stinner getrost ausgehen darf,  müssen in diesem unseren von Christen (!) und Sozialdemokraten (!) regierten Lande  in der Zwingerhaltung – also  in der analogen Unterbringungsform zu Obdachlosenunterkünften – MINDESTENS zehn Quadratmetern zur Verfügung stehen.
P. g., Frau Stinner!

Bezeichnungen und bauliche Merkmale wie „Dreckslöcher“, Schimmel, Feuchtigkeit und keine Möglichkeit, die Unterkunft überhaupt zu beheizen, sind allerdings faktische Qualitäten von kommunal verwalteten Obdachlosenunterkünften, die nicht nur auf Überlingen zutreffen. Eine selten auf diesem Blog genannte Kollegin von mir bereitet dazu gerade einen Bericht vor. Ich darf ihr nicht vorgreifen. Mist. Dass sich allerdings die Gemeinderäte in ihrem Ort einen kalten Dreck für die Menschen in solchen Unterkünften interessieren, das ist schon belegt.

Ich verstehe fast alles an dem Südkurier-Artikel „So lebt es sich in Überlingen am Rand der Gesellschaft“. Und ich mag mir die Sanktionen gar nicht ausdenken, denen der Südkurier seitens der Stadtverwaltung für so viel kritische Berichterstattung ausgesetzt sein wird.
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Des Metzgers Expertise zur Melancholie des Mastbullen
Was ich überhaupt nicht verstehe, das ist diese verstörend zynische Passage:

Der Überlinger Münsterpfarrer Bernd Walter überzeugte sich kürzlich bei einem Besuch davon, dass doch für eine Notlage hier ausreichend Abhilfe geschaffen sei: „Es ist nicht komfortabel und nicht schön, aber zur Not reicht es aus.“
(Südkurier 24.10.2019: „So lebt es sich in Überlingen am Rand der Gesellschaft“)

Der Vertreter einer Institution, die sich durch systematischen und massenhaften sexuellen Missbrauch von Kindern über Jahrzehnte hinweg auf Jahrzehnte hinaus für das Thema Mitmenschlichkeit und soziale Verantwortung komplett diskreditiert hat, darf zur „Notlage“ der Anwältin Stinner und ihrer Leidensgenossinnen seinen unqualifizierten Senf abgeben? Der Mann verfügt abgesehen vom Fehlen der minimalsten ethisch-moralischen Voraussetzungen ja noch nicht einmal über Expertise in irgendeinem der hier relevanten Bereiche: Gesundheitswesen und Hygiene, Psychologie, Soziologie u. ä.

Noch nicht einmal das fast entschuldigend in seinen unsäglichen Zynismus implementierte Label „Notlage“ trifft den Kern: Eine Notlage ist per definitionem etwas Vorübergehendes. In dem Überlinger „Drecksloch“ jedoch hausen die vom Sozialdemokraten Oberbürgermeister Jan Zeitler und Münsterpfarrer Bernd Walter herabgewürdigten Menschen teilweise schon 30 Jahre lang! Wie der Südkurier-Artikel selbst angibt.

Ich hab’s nicht so mit der Bibel, unter deren Schutz Zyniker wie der Überlinger Münsterpfarrer Bernd Walter ihre Menschenverachtung exekutieren dürfen. In diesem Fall jedoch bete ich dafür, dass er dereinst im Sinne von Matthäus 25, 40/41 bei seinem Chef Rechenschaft ablegen muss!
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Hiermit verleihe ich dem Überlinger Münsterpfarrer Hans Walter den Regionalpreis für Zynismus anlässlich seines Kommentars zu der Unterbringung von Obdachlosen im "Drecksloch" der Stadt Überlingen. Foto: Jens Schmitz / pixelio.de

Hiermit verleihe ich dem Überlinger Münsterpfarrer Bernd Walter den Regionalpreis für Zynismus anlässlich seines Kommentars zu der Unterbringung von Obdachlosen im „Drecksloch“ der Stadt Überlingen. Gleichzeitig präge ich zunehmend eine pöse Allergie gegen diesen Nachnamen aus.
Foto: Jens Schmitz / pixelio.de

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