SüS8: Keine NachDenkZeiten: Mit der Not der Griechen zum Gutmenschen-Orgasmus

[Satire]

Nutzen Sie die Gunst der Stunde! Die griechische Bevölkerung rutscht durch die Folgen der fatalen Austeritätspolitik jeden Tag tiefer in die humanitäre Katastrophe! Die medizinische Versorgung ist nicht mehr gewährleistet. Die Mortalitätsrate von Kleinkindern steigt ebenso wie die Suizidrate der Griechen. Auf diesem fruchtbaren Acker dokumentierten menschlichen Elends gedeihen intransparente Spendenaktionen von Hans & Franz, von Krethi & Plethi und Privatpersonen mit klingendem Namen oder berufsständischem Heiligenschein, dafür aber ohne jede institutionelle Rahmung: kein Verein dahinter. Oder wenn: dann ohne jede Überprüfbarkeit. keine Webseite, keine Adresse, keine Kontaktdaten, keine Satzung, keine Jahresberichte, kein Freistellungsbescheid. Nix.

Das ist Ihre Chance, sich wieder ein wenig besser zu fühlen! Bereichern Sie sich an der Not der Griechen – und sei es nur über das herrliche Gefühl, durch eine Spende ins Nirgendwo Gutes getan zu haben. Spenden Sie jetzt, sofort, ohne Nachdenken, spontan, besinnungs- und möglicherweise sinnlos!

Die aktuelle Katastrophensituation in Griechenland bietet die seltene Möglichkeit, Ideologie und politisches Statement mit der guten Tat zu verknüpfen. Wer sich – zu Recht – über die EU und die um sie gruppierten Institutionen im Umgang mit Griechenland empört, der muss nachgerade für jedes noch so windige Projekt unter der Überschrift Griechenland spenden! Was für ein herrliches Gefühl: den Griechen Gutes tun! Beglaubigen Sie Ihre neoliberale Haltung! Versilbern Sie ihren Protest gegen Wolfgang Schäuble. Versichern Sie sich (selbst) Ihrer systemkritischen Haltung, Ihres Anti-Kapitalismus. Errichten Sie der bei Ihnen noch erhaltenen Empathie-Fähigkeit ein Glaubmal – durch eine Spende an irgendeinen Hampelpampel, von dem Sie später noch nicht einmal Rechenschaft einfordern können!


Ganz wichtig: KEIN Seriositätscheck!
Wer sich morgens im Spiegel anlächeln möchte für sein brodelndes Gutmenschentum in Verbindung mit einem politischen Statement, der sollte unbedingt alle Tipps und Hinweise der einschlägigen Verbraucherschutzorganisationen und Spendenwächter in den Wind schlagen! Bitte informieren Sie sich auf gar keinen Fall beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), beim Deutschen Spendenrat, bei der Initiative transparente Zivilgesellschaft, bei der Stiftung Warentest, auf dem Verbraucherschutzportal CharityWatch.de oder kurz und informativ hier darüber, woran man seriöse Vereine und Spendensammler erkennt. Überprüfen Sie bitte nicht, ob hinter dem Spendenaufruf ein existierender, eingetragener und  als gemeinnützig anerkannter Verein mit aktuellen Freistellungsbescheid steht oder doch nur eine Privatperson, von der Sie a) keine Spendenquittung erhalten werden und von der Sie b) niemals Rechenschaft für die Verwendung der Spendengelder fordern können!

Bitte melden Sie die derzeit für Griechenland sammelnden "Konstrukte" auf gar keinen Fall der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD). Denn dann könnte es passieren, dass diese intransparenten Spendensammler zumindest für das Bundesland Rheinland-Pfalz ein Spendensammlungsverbot erhalten! So wie das dieser stattlichen Liste intransparenter Vereine in der Vergangenheit schon widerfahren ist. Bitte ignorieren Sie auch unbedingt diesen Ratgeber der ADD zum „Informierten Spenden“. Weinen Sie mit den Spendenwächtern, dem Journalisten Stefan Loipfinger und SaSe darüber, dass Rheinland-Pfalz leider das einzige Bundesland ist, dass potenziellen Spendenverdödelern in den Arm fällt.

Bitte schauen Sie sich nicht die Liste der vielen Vereine an, vor denen das DZI warnt, um dadurch eine  Ahnung davon zu bekommen, worauf bei Spenden für humanitäre Aktionen grundsätzlich zu achten ist.

Bitte konsultieren Sie auch nicht die Liste der Vereine, welche das DZI für „nicht förderungswürdig“ hält, um dadurch ein Kriterienkatalog an die Hand zu bekommen, was seriöse Spendensammler sind.

Bitte ignorieren Sie vollständig die verschiedenen Seriositätschecks der Stiftung Warentest, die etwa 2013 von 44 überprüften Tier- und Naturschutzorganisationen für allein 17 dieser teilweise sehr prominenten Orgas keine zufriedenstellende Auskunft über die Verwendung der Mittel erhielt. Studieren Sie nicht die Kriterien (z. B. Transparenz und Wirtschaftlichkeit), nach denen die Stiftung Warentest dabei vorgegangen ist, um diese Kriterien bei den aktuellen Spendenaufrufen zu Griechenland in Anwendung zu bringen. Das Ergebnis könnte Sie sehr betrüben!

Vertrauen Sie unbedingt, kritiklos und ohne die sonst erwünschte Mediennutzerkompetenz den Unterstützer-Statements des Gegenöffentlichkeitsprojekts Ihres Vertrauens: hier und hier! Stören Sie sich nicht daran, dass diese Fürsprecher sich in dem speziellen Themenbereich Spendenakquise und karitative Vereine in der Vergangenheit auch schon einmal getäuscht hatten.

Aber selbstverständlich können Sie dem Spendenaufruf eines unter persistierendem Antisemitismus-Vorwurf stehenden Ken Jebsen zugunsten einer Privatperson vertrauen! Zumal auch dieser wieder von dem Gegenöffentlichkeitsprojekt Ihres Vertrauens unterstützt wird. Da braucht es keinen Verein, keine Gemeinnützigkeit, kein Spendensiegel oder zumindest das Siegel der Initiative Transparente Zivilgesellschaft. Der Spendensammler selbst ist Arzt! Sie wissen doch hoffentlich, dass man Ärzten immer und völlig bedenkenlos vertrauen und noch viel mehr Ihnen Spendengelder übergeben kann?

Nehmen Sie auf gar keinen Fall die vielen Spendenskandale der Vergangenheit zur Kenntnis. Denn immerhin lassen sich auf dem Weg über den Appell an die gute Tat bis zu 50,5 Millionen D-Mark in die eigene Tasche schaufeln, wie der größte und spektakulärste Spendenskandal beim Deutschen Tierhilfswerk 2004 bewies.

Ziehen Sie auch keine Lehre aus diesem jüngeren Spendenskandal eines Promis im Kontext mit einem intransparenten Verein. Jegliche Parallelen zu anderen Promis und deren Vereine, die noch nicht einmal im Internet zu finden sind, verbieten sich schon aufgrund der unzweifelhaften Seriosität des Ehrenvorsitzenden und dieser Fürsprache des Gegenöffentlichkeitsprojekts Ihres Vertrauens!

Lesen Sie auf keinen Fall den SPIEGEL-Artikel 2014 zum Check der Top-50-Spendenorganisationen in der Bundesrepublik, um dadurch womöglich Ihre Spende für Griechenland auf seriöse Beine zu stellen.

Lesen Sie auf gar keinen Fall das Buch Spendenmafia – Schmutzige Geschäfte mit unserem Mitleid von Stefan Loipfinger, um dadurch den Hauch einer Ahnung zu bekommen, wie umfassend der Missbrauch im Spendendschungel sein kann. Denken Sie auch bitte nicht darüber nach, dass „intransparent“ zumindest nach Meinung von Stefan Loipfinger auch „unseriös“ bedeuten könnte und dass Ihre Spenden (für Griechenland) auch dann nicht ihr Ziel erreicht, wenn die Vereinsverantwortlichen einfach nur unwirtschaftlich arbeiten oder einen viel zu hohen Anteil an Verwaltungskosten produzieren.

Bildzitat Screenshot Spendenaufruf auf RT Deutsch: Geht doch! In zwei Tagen fast 45.000 Euro für eine Privatperson ohne Vereinshintergrund,
ohne Referenz, ohne erkennbare Logistik, ohne bekannte Infrastruktur, ohne alles!
Wer bitte braucht für Griechenland-Hilfe irgendwelche etablierten Vereine,
die dann auch Spendenbescheinigungen ausstellen können, vom Finanzamt und Spendenwächtern überprüft werden
und Rechenschaft ablegen müssen?

 

Meiden Sie Kompetenz, Transparenz und Erfahrung!
Auf gar keinen Fall sollten Sie sich bei Ihren Spenden für Griechenland an etablierte, bewährte, überprüfte Vereine halten, die  das DZI-Spendensiegel tragen, über Erfahrung in der humanitären Hilfe sowie über die dazu notwendige Infrastruktur und Logistik und Partnerorganisationen vor Ort verfügen, die Ihnen aufgrund bestehender anerkannter Gemeinnützigkeit eine steuerlich abzugsfähige Spendenbescheinigung ausstellen können – oder die einfach nur und wenigstens im Internet präsent sind, dort Verantwortliche benennen, eine Adresse haben und ihre Finanzzahlen veröffentlichen. Tun Sie das ja nicht!

Spenden Sie spontan! Überprüfen Sie nichts. Überlegen Sie nicht! Gucken Sie nicht nach. Vertrauen Sie doch den Menschen, die Ihnen auch sonst die Welt erklären, Sie zum kompetenten Medienrezipienten befähigen wollen  und allein deshalb schon zu jedem Thema Expertise haben! Jetzt ist Aktionismus angesagt. Die Griechen sind heute in großer Not. Da können die Helfer nicht bis morgen warten. Jetzt sind keine NachDenkZeiten!

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