+++ Eine geschlossene Intensivstation vs. Einzelinteressen in Ostrach-Hahnennest
Im August 2017 musste das Klinikum Friedrichshafen vorübergehend Bereiche der Inneren Intensivstation schließen. Grund: der Nachweis von bestimmten multiresistenten Keimen (hier: Vancomycin-resistente Enterokokken = VRE). Vancomycin jedoch ist ein Antibiotikum, das exakt in den Fällen zum Einsatz kommt, wo andere Antibiotika nicht mehr greifen. Der SWR ergänzt seine Meldung dazu mit dem Hinweis:
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nehmen Keime, die gegen Antibiotika resistent sind, immer mehr zu. Allein in der EU sterben nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten jährlich etwa 25.000 Menschen wegen einer Infektion mit Erregern, gegen die Antibiotika nicht mehr wirken.
(SWR 13.08.2017: „Keime im Klinikum Friedrichshafen – Intensivstation weiter teilweise gesperrt“)
Der kausale Zusammenhang zwischen dem Auftreten und der Verbreitung von multiresistenten Keimen, die für Mensch und Tier lebensgefährlich sein können, und der Intensiv- oder vulgo Massentierhaltung ist wissenschaftlich längst bewiesen (zum Bleistift). Nicht umsonst appellieren Ärzte seit Jahren gegen diesen gefährlichen Auswuchs einer industrialisierten Landwirtschaft.
Wie offensichtlich gleichgültig diejenigen solchen Gefahren gegenüberstehen, die ihr Geschäft neuerdings sogar in der Energiewirtschaft mit der Massentierhaltung machen, zeigt anschaulich die Presseauskunft der EnBW-Tochter Erdgas Südwest auf eine Anfrage dieser Redaktion (in HInfo16). Erdgas Südwest profitiert im Kontext einer geplanten Flüssiggasanlage im Ostracher Ortsteile Hahnennest von dieser umstrittenen und gefährlichen Form der Tierhaltung. Dort befindet sich ein Stall mit 1.000 Kühen in zügig voranschreitender Planung. Die Ausscheidungen („Substrat“) der in reiner Stallhaltung gehaltenen Kühe sollen für die ebenfalls dort betriebene Agrogasanlage im Energiepark Hahnennest verwertet werden. In ihrer Stellungnahme zum Thema Massentierhaltung in Hahnennest beschränkte sich Erdgas Südwest ausschließlich auf unbelegte und unbeweisbare Tierwohl-Aspekte. Die Gefahren für die Menschen (z. B. auch Nitratbelastung Grundwasser) und Natur werden von der EnBW-Tochter nicht einmal erwähnt.
Diese Sorge bleibt weiterhin den vielen Institutionen und Gruppierungen überlassen, die sich bisher schon klar gegen den 1.000-Kühe-Stall in Ostrach positioniert haben: die GRÜNEN im Landkreis Sigmaringen (aber eben auch nur dort!), dem BUND, dem NABU, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und dem Aktionsbündnis gegen den 1.000-Kühe-Stall, das Anfang September 2017 seine gut argumentierten Sorgen auch dem Petitionsausschuss des Landtags Baden-Württemberg vorgelegt hat.
Zu diesen respektablen gesellschaftlichen Gruppen hinzu gesellen sich jetzt auch einige Ärzte im Bodenseekreis. In einer Zeitungsanzeige in der Schwäbischen Zeitung vom 20. September 2017 fordern sie mit Hinweis auf die geschlossene Intensivstation im Klinikum Friedrichshaften und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Megastall in Ostrach ein sofortiges Verbot von Reserveantibiotika in der Massentierhaltung: „Eine Abkehr von der Massentierhaltung wäre die Lösung: artgerechte [sic] Tierhaltung braucht so gut wie keine Antibiotika.“
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Dr. Helmut Beiter aus Eriskirch, presserechtlich verantwortlich für das Zeitungsinserat, weist in einem Telefonat mit mir darauf hin, dass nur Ärzte im Bodenseekreis zu diesem Thema angeschrieben wurden.
Die Satirikerin würde Besorgte mit dem Hinweis trösten wollen, dass die multiresistenten Keime für ihre Verbreitung glücklicherweise nicht allein auf die Intensivtierhaltung angewiesen sind. Das können Biogasanlagen auch ganz allein. Zu deren erheblichen gesundheitlichen Risiken gibt es eine ganze Reihe von validen Dokumenten und ministeriellen Stellungnahmen. Dazu gehört auch die schon 2010 formulierte Göttinger Erklärung der Agrar- und Veterinär-Akademie Fortbildungsgesellschaft mit diesem schönen Passus
Das gesundheitliche Risiko, das von Biogasanlagen ausgeht, muss von den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen zur Kenntnis genommen werden. Es besteht unbedingter Handlungsbedarf! Wir Tierärzte fordern Forschungsprojekte, die sich mit diesen Risiken intensiv auseinandersetzen und Vorschläge zur Lösung des Problems erarbeiten.
(Göttinger Erklärung der AVA Agrar- und Veterinär-Akademie Fortbildungsgesellschaft anlässlich der AVA-Hauptversammlung vom 17. bis 20. März 2010; Hervorhebg. SaSe)
Zum bunten Strauß der gesundheitlichen Risiken, die von sogenannten Biogasanlagen ausgehen (können), gehören bei Weitem nicht nur multiresistente Keime. Formaldehyd, chronischer Botulismus und weitere Problemstoffe bieten auch den Menschen in Ostrach Gelegenheit, für den Profit von Einzelnen und die Sorg-, wenn nicht sogar Verantwortungslosigkeit einzelner Gemeindeverwaltungen einen hohen, wenn nicht den höchsten Preis zu zahlen.
Wie wahr, wie wahr!
Müssen Ärzte schon über Anzeigen ihre Besorgnis kund tun.
Das finde ich auch höchst nachdenklich, den die Verantwortung liegt in den Händen der Politik, die aber weiterhin stumm und still ist.
Also müssen die BürgerInnen aktiv werden, wie überall, wo z.B. Massentierhaltung erneuert, erweitert und wie im Falle des 1000-Kühestall Ostrach sogar dieser geplante Stall mit seinen Exkrementen vergast/verstromt werden soll.
Es wird Zeit, und höchste Eisenbahn (wie man im Schwabenländle sagt), dass der Protest ausgeweitet wird und die Verantwortlichen endlich zum Handeln zwingt.