TS135/15: Freischreiber + Kondom-Grenze + #UllrichSierau + Selbstherrlich + Pingpong + Skorpion

+++ Satirische Aktion von „Freischreiber“
In der vergangenen Woche hatte der Tagesspiegel angekündigt, alle freien Autoren ab sofort freizustellen. Man wolle mit dieser Aktionen „einen kleinen sechsstelligen Betrag“ einsparen, um den Einbruch bei den Einnahmen aus Anzeigen zu kompensieren. Journalistenverbände hatten protestiert. Satirisch dagegen reagierte der Berufsverband der freien Journalisten, Freischreiber: Per Twitter gab der Interessenverband bekannt, im Tagesspiegel Kleinanzeigen geschaltet zu haben: „Löse Journalistenbüro auf. Biete ungedruckte Manuskripte aus allen Bereichen des Berliner Lebens Kultur, Theater, Rezensionen […]“ (Quelle). Wie Silke Burmester in ihrer taz-Kolumne dazu erklärte, wolle man dieser Aktion seinen „Keks zu deren [i. e. Tagesspiegel] Weihnachtsfeier beisteuern“ und zeigen, dass freie Journalisten Menschen seien.
Der Tagesspiegel hat inzwischen auf diese Aktion reagiert (Meedia).


+++ Liegt die Grenze von Satire in Kondomen?
Da es den medienbegleiteten Protagonisten der Szene immer so sehr um die „Grenzen der Satire“ zutun ist (auf SaSe durchgehend als „Qualfrage“ bezeichnet), bietet das Landgericht Düsseldorf eine solche an: Dort fand sich ein von einem Mitbewerber einstweilig verfügter Kondom-Hersteller wieder, der sein Produkt auf einer Packung mit sieben Verhüterli mit dem Versprechen beworben hatte: „Entspricht bis zu 21 Orgasmen“. Welchen der jeweiligen Akteure diese Höhepunkte dann zugeordnet werden und wie seriös diese Zuordnung ist, das alles war Thema in Düsseldorf und kann bei n24 nachgelesen werden. Der Argumentation der Hersteller-Anwälte, die Angaben seien „von vorneherein nur dazu geeignet, satirisch verstanden zu werden“, wollte die Richterin nicht folgen. Dabei stützen weitere Produktaussagen wie etwa „Kann Spuren von Feenstaub enthalten“ die satirische Absicht!
Doch der Hersteller „Einhorn“ weiß selbst den Ausgang des Verfahrens für sein Produkt zu nutzen: „Im Onlineshop wird seit Dienstag angepriesen: „Das Orgasmuspaket – bekannt aus dem Gerichtssaal.“ Weitere Berichterstattung: FAZ + Focus + Deutschlandradio Kultur + Berliner Kurier u. v. a. m.


+++ Twitter löscht Satire-Account #UllrichSierau
Es ist Twitter. Dort gab es einen Satire-Account mit dem Namen des Dortmunder Oberbürgermeisters Ullrich Sierau. Der und die Stadt fanden das nicht lustig und veranlassten die Löschung des nach Berichterstattung zweifelsfrei als Satire erkennbaren Kontos, das noch kaum Follower hatte (Ruhrnachrichten). Inzwischen soll es schon ein Nachfolgemodell geben: #nichtUlliSierau. Durch den Streisand-Effekt dürfte sich die Zahl der Folgenden vermutlich rasch erhöhen.


+++ Satire nicht in aufklärerischer Funktion
Der Text würde mit kleineren Abstrichen auch auf andere Produzenten von Wie-Satire und Wie-Kabarett passen, meint aber Akif Pirinçci:

Nehmen wir den Satirebegriff ernst, dann darf Spott natürlich auch geschmacklos, gemein und verletzend sein, die unterste Schublade bedienen. Sprachliche Eleganz ist nicht unbedingt das Kriterium.
[…]
Im Gegensatz zu einem Menschenfreund wie Hildebrandt wirkt Pirinçci wie eine Horrorgestalt aus der literarischen Giftküche: Menschenfeindlich, selbstherrlich, halbgebildet und selten pointiert.
(Queer.de 28.10.15: „Bye-bye Akif Pirinçci„; Hervorheb. SaSe)


+++ Christine Prayon: Neues altes Interview auf „Planet“
Ich blicke da leider nicht so ganz durch: In SaSe49 hatte ich ein ausführliches Interview mit Christine Prayon im Tagesspiegel besprochen und kommentiert. Erst nachträglich erfuhr ich, dass dieses Interview nicht vom Tagesspiegel durchgeführt worden war, sondern eine aktualisierte Version eines älteren Planet-Interviews sei. Das war der Tagesspiegel-Version so auch nicht zu entnehmen, wenn man das kleinschriftige „Von Interview: Sebastian Grundke“ nicht zu dekodieren verstand.
Jetzt gibt es wieder ein Planet-Interview mit Christine Prayon, das den irritierenden Hinweis enthält: „[Hinweis: Das Interview entstand im März 2015. Und zum Thema VG-Wort gibt es diesen Blogbeitrag.]“
Ich friemele die verschiedenen Versionen und Aktualisierungen jetzt nicht auseinander. Diese Form von Pingpong-Publizistik finde ich anstrengend! Kuratiert und gut iss!


+++ „Focus“: Nuhr-Interview zum Geburtstag
Nachdem wir schon einige Tage nichts mehr in der Presse von Dieter Nuhr gelesen hatten, der vermutlich auch Wind von obigem Prayon-Neuauflage-Interview bei Planet bekommen hatte und so nachziehen musste, Focus nun proudly presents: „Die Promi-Geburtstage vom 29. Oktober 2015: Dieter Nuhr“.
Aha, er ist Skorpion!

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