TS143/15: „Assholes“ + Champagnerhaber + Tot + Prediger

+++ John Oliver: „Fuck those assholes“
Amerikas populärster Satiriker und Entertainer, John Oliver,  äußert sich sehr authentisch“ zu dem Pariser Massaker.


+++ „Charlie Hebdo“ – „Wir haben den Champagner“

Ich nenne  so etwas „Diamanten-Satire“: Härte 10! Es gibt nur eine Institution, die sich das – im Moment – erlauben kann: die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo. Anlässlich der Terroranschläge in Paris machen die Selbstbetroffenen mit einer Zeichnung auf dem Cover auf (Berichterstattung bei Meedia), die einen Mann zeigt, der von Schüssen durchsiebt wird, aber fröhlich den Champagner-Kelch an die Lippen führt. Plus Text und Botschaft an die Terroristen: „Ihr habt die Waffen. Scheiß drauf. Wir haben den Champagner.“ Das nenne ich einen souveränen Stinkefinger!


+++ „Stuttgarter Nachrichten“: „Die politische Satire ist erledigt
Jan Georg Plavec kommentiert bei den Stuttgarter Nachrichten die Satire-Vorgänge nach Paris, namentlich die von Jan Böhmermann formulierten „100 Fragen nach Paris“ und die Replik darauf von WELT-Feuilletonchef Andreas Rosenfelder. Daran anknüpfend konstatiert der Stuttgarter Kommentator eine begünstigte Rolle für die Satiriker in den letzten Monaten – durch gelangweiltes Politiktheater ohne tatsächliche Relevanz für den einzelnen Bürger. Erst mit den Flüchtlingen im Sommer sei Politik wieder im Alltag angekommen. Und erst jetzt sei festzustellen, dass jene wieder Antworten geben, die dazu gewählt und bestimmt seien (Politiker und Journalisten):

Es wäre somit auch ein Beleg für einen gesunderen öffentlichen Diskurs, wenn Böhmermann und Co. von der Rolle des Ersatzpolitikers auf das zurückgeworfen würden, was sie eigentlich sein sollen: bissige, gern übertreibende Kommentatoren eines aber bereits aus sich selbst heraus interessanten und bedeutungsvollen politischen Diskurses.
(Stuttgarter Nachrichten 16.11.2015 Kommentar Jan Georg Plavec: „Die politische Satire ist erledigt“)

Senf: Die Feststellung, dass sich zumindest einige Kabarettisten in den letzten Monaten zunehmend selbst in der Politikerrolle wähnten, wahrnahmen und verlautbarten, ist eine Kritik, die auf diesem Blog wiederholt geübt wird/wurde. Ein Alarmzeichen diesbezüglich war/ist auch die Tatsache, dass die entsprechenden Outputs überhaupt keine Merkmale von Satire mehr enthielten/enthalten und zu purer Moralpredigt verkamen/verkommen. Ätzend!
Was die 100 Fragen von Jan Böhmermann anbelangt: Sie gehören meines Erachtens nicht gerade zu den Highlights des Komikers, der dieses Jahr schon ganz anders punkten konnte (z. B. #Varoufake). Nicht hilfreicher Quatsch angesichts eines doch sehr anspruchsvollen Themas, dem sie vorne und hinten nicht gewachsen sind. Auch nicht aus satirischer Sicht!


+++ Wir bleiben beim Thema: Serdar Somuncu über Konsumgier!
Diese Meldung schließt nahtlos an obige an. Leitfigur jener Satiriker, die ihre eigentliche Funktion längst vergessen haben und Witz nur dadurch assoziieren, dass sie sich selbst lächerlich ernstnehmen, ist für mich Serdar Somuncu. Der verkommt immer mehr zum unwitzigen Moralprediger der dritten Konfession. Während er selbst überall und penetrant sein neuestes Buch vermarktet, hat er kein Problem damit, die Konsumvitalität anderer zu begeifern. In seiner Kolumne in der Wirtschafts Woche beschäftigt sich der „Hassist“ mit „Konsumgier“. Die tut Böses: Sie „verdirbt den Spaß am Kino“. In quälend vielen  Zeilen berichtet er pointen- und witzlos von einem Kinobesuch, dessen Abweichungen zu seinen Kindheitserinnerungen ihn wortreich betrüben und vor Ort haben einschlafen lassen. Keine neue Perspektive, keine überraschende Sicht der Dinge, keine inspirierenden Vergleiche, keine originelle Sprache und null Kreativität. Aber gepredigt.
Das „Spannendste“ an dem WW-Kommentar ist ein übel rassistischer Kommentar darunter. Da dieser beim Redaktionsschluss zu diesem TagesSenf erst wenige Minuten zurückliegt (18.11.2015 / 11:59 Uhr), geben wir der Wirtschafts Woche noch etwas Zeit, den Dreck zu löschen! Somuncu bietet inhaltlich ausreichend Andockstellen für Kritik; da bedarf es solcher rassistischer Äußerungen nicht.

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