Tag Archiv:John Oliver

TS73/16: Die wichtigste Meldung ist die mit der systemstabilisierenden Satire

+++ Die Entsaturierung der Satire
Der Eklat um Jan Böhmermann sei nicht öde gewesen, meint Niklas Buhmann in einem Blogbeitrag auf Der Freitag und pointiert:

Jan Böhmermann Humor war die letzte subversive Idee des 20. Jh. Und es ging ihr wie allen Ideen des 20. Jh.: schlecht. Sie wurde zersetzt, zerrieben, verpochert und verappelt.
(Niklas Buhmann Blogbeitrag auf Der Freitag 10.06.2016: „Die Entsaturierung der Satire“)

Der alten Frage „Was darf Satire?“ stellt der Autor die (angeblich) neue Frage „Was will Satire?“ gegenüber. Und er errichtet eine hochinteressante These, die mir neulich auch aus einer Leserzuschrift entgegenblickte:

Satire ist längst zu einer mehr oder weniger braven, letztlich systemstablisierenden Veranstaltung verkommen. Dem Heute-Journal folgt die Heute-Show, dem Ernst des Lebens der Witz des Tages, erst aufregen, dann ablachen (furchtbares Wort; von meinem Korrekturprogramm völlig zurecht rot unterschlängelt; wird auch nicht hinzugefügt); quasi: Nockherberg-Prinzip: der Narr macht seine Späßchen, Söder und Co. schenkelklopfen pflichtschuldig mit – in der ersten Reihe, da sieht man sie besser. Dem Immer-egaler-Werden von : Comedy, für das immer wieder und immer wieder zurecht der Name Mario Barth in die Arena geworfen wird, aber auch dem ambitionierten Witz Marke Kabarett steht eine Immunisiertheit der smart gewordenen Bespöttelten gegenüber, die sich auch mit guter Satire, wie immer die dann aussehen mag, nicht aufbrechen lässt. Robert Gernhardt, Bernt Eilert und Co. haben die Republik eben auch nicht verändert (bzw. die dann von woanders herkommenden Veränderungen nicht verhindert), sondern nur bereichert.
(ibid.; Hervorhebg. SaSe)

Danke dafür! Dieser systemstabilisierende Faktor von Satire bedrängt mich am nervigsten aus den Denkfunk-Produktionen und so infantile TV-Abartigkeiten wie Mann, Sieber!
Der Beitrag  enthält noch eine Reihe weiterer interessanter Thesen, die eine Aufnahme in das Buch Ist das Satire oder was? verdient hätten und ist sehr lesenswert! Und übrigens auch die Leserkommentare darunter. Weiterlesen

TS53/16: Letzter Aufruf zu Kommentaren #Böhmermann

+++ Kazim Akboga löscht Böhmermann-Videos
Der türkisch-stämmige Kabarettist und Satiriker Kazim Akboga hatte etwas riskiert und auf Facebook einen Song zur Causa Böhmermann veröffentlicht. Die darauf erfolgenden Kommentare veranlassten ihn dann zu einem weiteren Video. Kurz darauf hat er beide gelöscht, wie er auf Facebook erklärt:

Ich habe die Videos gelöscht, weil ich Angst bekommen habe. Ich wollte die Sache etwas auflockern, habe jedoch das Gegenteil bewirkt. Ich will kein Öl ins Feuer gießen und die Sache so schnell wie möglich vergessen. Ich bitte um euer Verständnis.
(Facebook Kazim Akboga Posting 17.04.2016)

Grundgütiger: Akboga wollte  … „die Sache etwas auflockern“???
Es berichtet: Die Welt.


+++ Palfrader #böhmermann: So geht man in Österreich mit Satire um
Der gottbegnadete österreichisch Satiriker Robert Palfreder nimmt auf Facebook Stellung zur Causa Böhmermann und erinnert an einen parallelen Fall 2013, als der Staatsanwalt wegen einer Satire auf den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll gegen Palfrader ermittelte – und das Verfahren einstellte. Quelle. Weiterlesen

TS30/16: Der kabarettistische Mainstream und die raren Tröpfchen abseits

+++ Was Hagen Rether vom kabarettistischen Mainstream scheidet
Im Fernsehen tritt er inzwischen seltener auf: Hagen Rether. Das hat Gründe, die allerdings nur im Raunen-Raum vernehmbar sind. Eine aktuelle Theaterkritik in der Badischen Zeitung erklärt, was Hagen Rether vom kabarettistischen Mainstream scheidet, ohne diese Begrifflichkeit zu verwenden: „intellektueller Hochgenuss“, „andere Kabarettisten arbeiten sich an Machteliten ab, bei Rether fällt außer dem der Kanzlerin nur selten ein Politiker-Name“ etc. Schon allein: „Was Rether zu sagen hat, sprüht vor Witz“! (Witz? Ein immer häufiger flüchtiges Phänomen bei Satirikern …)


+++ Dieter Hanitzsch-Karikatur macht fetten Ärger
Massiven Ärger bereitet eine Kraken-Karikatur von Dieter Hanitzsch zum Thema TTIP, die der bekannte Zeichner in der BR-Sendung Sonntagsstammtisch am 28. Februar 2016 zeigte. Ihm wurde aufgrund der Verwendung des Kraken-Motivs Antisemitismus vorgeworfen. Zu dem Vorwurf nahm Hanitzsch auf Facebook Stellung. Und droht:

Es erfüllt den Tatbestand der schweren Beleidigung, mir im Zusammenhang mit dieser Karikatur Antisemistismus [sic!] und Verwendung von „Stürmer“-Metaphern vorzuwerfen. Ich behalte mir rechtliche Schritte dagegen vor. Was an dieser Karikatur antisemitisch sein soll, erschließt [s]ich mir wirklich nicht. Dass die Nazis die Krake als Vehikel für ihre antjüdische Propaganda benutzt haben, kann doch nicht bedeuten, Kraken in der Karikatur grundsätzlich als antisemitisch zu verstehen und sie damit quasi zu verbieten !
(Facebook Dieter Hanitzsch 28.02.16; Hervorhebg. SaSe)

Man achte auf die Zwischentöne: Hanitzsch selbst räumt ein, man werfe ihm die VERWENDUNG von entsprechend belasteten Metaphern vor. Der Vorwurf richtet sich also zunächst nicht gegen seine Person und seine politische Einstellung. Muss es nicht möglich sein diskutieren zu können, ob so ein durch die Zeiten gehendes Kraken-Motiv eine entsprechende Botschaft transportiert? Der Vorgang zeigt wieder einmal: Kontroverse Diskussionen innerhalb der Satire-Szene sind nicht erwünscht! Ich bewerte es als Alarmzeichen, wenn jetzt schon Satiriker mit Anwalt drohen.

Auch der BR hat inzwischen zu den Vorwürfen und dem Shitstorm Stellung bezogen. Die Stellungnahme dokumentiert neuerlich die unheilvolle Vermischung von den Assoziationen und Konnotationen des Motivs mit der Person, die es verwendet. Weiterlesen

TS145/15: Machtlos + Vulgär + Dankbar + Souverän

+++ Gerd Dudenhöffer: Satire erreicht nichts
Zum Thema „Satire und Terror“ schlägt der Kabarettist Gerd Dudenhöffer (Kunstfigur: Heinz Becker) pessimistische Töne an. Mit dem Fazit „Satire erreicht nichts“ lässt er sich im Main-Echo zitieren. Er habe verschiedene Auftritte der nächsten Tage abgesagt. Über diese Absage berichtet auch die Badische Zeitung.

Senf: Dieses nachgerade entmutigende Diktum „Satire erreicht nichts“ lässt sich vielleicht in der Außenwirkung so konstatieren oder diskutieren. Aber auch die nachfolgenden Meldungen belegen: Es geht ja nicht nur um diese Außenwirkung (also im Hinblick etwa auf die Politik), sondern darum, den Zuschauern und Satirefreunden ein Instrumentarium anzubieten, mit den vielzitierten Herausforderungen dieser Zeit fertigzuwerden. Wer bei Neo Magazin Royale oder der heute-show über deren Art der Themenbearbeitung lacht, dem geht es auf jeden Fall besser als demjenigen, der schockstarr 18 Stunden am Tag die einschlägigen Nachrichtensendungen verfolgt. Dabei schließe ich todesmutig von mir auf andere: MIR geht es damit besser! Wenn ich allein an Johann Königs Honigbär denke …


+++ Serdar Somuncu: Mit Vulgärhumor gegen Terrorangst
In einer Theaterkritik der WAZ über einen Auftritt von Serdar Somuncu in der Dortmunder Westfalenhalle gibt der Autor seiner Begeisterung darüber Ausdruck, dass der Kabarettist das Thema Terror nicht meidet: „Eigentlich gehört hinter jeden von Somuncus Sätzen aus Ausrufezeichen: Denn der Mann hat Recht!“. Wenn das Grübeln allerdings zu unangenehm werde, setze er dem dann wieder seine „platten Vulgär-Witze“ entgegen.

Senf: Ja, genau. Und an der Stelle – dem „Vulgärhumor“ – beginnt dann jeweils die SaSe-Allergie! Weiterlesen

TS143/15: „Assholes“ + Champagnerhaber + Tot + Prediger

+++ John Oliver: „Fuck those assholes“
Amerikas populärster Satiriker und Entertainer, John Oliver,  äußert sich sehr authentisch“ zu dem Pariser Massaker.


+++ „Charlie Hebdo“ – „Wir haben den Champagner“

Ich nenne  so etwas „Diamanten-Satire“: Härte 10! Es gibt nur eine Institution, die sich das – im Moment – erlauben kann: die Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo. Anlässlich der Terroranschläge in Paris machen die Selbstbetroffenen mit einer Zeichnung auf dem Cover auf (Berichterstattung bei Meedia), die einen Mann zeigt, der von Schüssen durchsiebt wird, aber fröhlich den Champagner-Kelch an die Lippen führt. Plus Text und Botschaft an die Terroristen: „Ihr habt die Waffen. Scheiß drauf. Wir haben den Champagner.“ Das nenne ich einen souveränen Stinkefinger! Weiterlesen

TS87/15: Nuhr-Clown + Food Waste + Sing-Stopp + Uthoff-David + Botenprügel

+++ Dieter Nuhrs "FAZ"-Artikel erzeugt massiven Widerspruch
Die Reaktionen auf den zweiseitigen Gastbeitrag von Dieter Nuhr in der FAZ am 16. Juli 2015 mit dem Titel Bericht aus dem Shitstorm: Wir leben im digitalen Mittelalter hat nicht nur diese Redaktion zur Resonanz (vgl. SaSe32) veranlasst. Schon am Samstag hatte die Süddeutsche den „Kampfbegriff“ (vgl. Bernhard Pörksen bei Meedia) in der Nuhr-Definition aufgegriffen und eine differenziertere Betrachtung gefordert. 

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TS61/15: Investigatives Kabarett + Gérard Biard + „taz“ ordnet ein

+++ "Investigative Comedy“ regt öffentlichen Diskurs an
… schreibt turi2 für medienmacher und bezieht sich dabei auf einen aktuellen Artikel der Süddeutschen Zeitung, der hinter einer Bezahlschranke liegt. Der SZ-Artikel thematisiere auch amerikanische Komiker wie John Oliver und Jon Stewart, welche für die hiesigen männlichen Gegenstücke Claus von Wagner, Max Uthoff und – wie kommt denn der in diese Reihung? – Jan Böhmermann die Vorlage böten. Mit der Recherche harter Fakten bewirkten diese oftmals eher eine öffentliche Debatte, als es die klassischen Medien tun.  Weiterlesen

TS56/15: John Olivers Schuss + „Postillon“ bockt + TITANIC beklaut + Sonneborn goes Expo

+++ John Oliver macht Sepp Blatter und Sponsoren rund
Profis bei der Arbeit: Der amerikanische Late-Nighter John Oliver hat sich in seiner aktuellen Show Last Week Tonight ausführlich mit der Fifa, Sepp Blatter und dem Korruptionsdschungel beschäftigt. Der 13-minütige Beitrag kulminiert in einem Appell an die Sponsoren adidas, McDonalds und Budweiser dafür zu sorgen, dass dieser „Schweizer Teufel“ abgeräumt werde.(Diese Forderung ist nun inzwischen ja erfüllt.) Oliver hebt auch auf die Eigenartigkeit ab, dass ausgerechnet Amerika für Ordnung bei der Fifa sorgt, ein Land, das sich am allerwenigsten für Fußball interessiert. Ja. Ja! (Berichterstattung bei MeediaWeiterlesen

TS26/15: Das unbenannte Neue an den neuen Satire-Formaten: Sie ersetzen andere Medien

Es geht etwas vor mit der Satire. Artikuliert wird "es" von den einschlägigen journalistischen Kritikern. Dabei schwanken die Begrifflichkeiten für dieses einheitlich empfundene, aber noch nicht treffend gelabelte „Neue“:  „innovative Formate“, „investigatives Kabarett“, „kalkulierter Bruch mit den Konventionen“. Werkstücke dieser Innovation sind vor allem die Sendungen der ZDF-Kabarettserie Die Anstalt seit der Übernahme durch Claus von Wagner und Max Uthoff. In Amerika machte gerade erst der Satiriker und Late-Night-Talker John Oliver Furore. Er hatte am Beispiel Penisfotos ein Interview mit Edward Snowden geführt und mit dieser anderen Art der Wissensvermittlung und Relevanzdemonstration Erfolg gefeiert. Auch die dreiteilige „satirische Doku“ von und mit Christian Springer und Christoph Süß Der Schein des Geldes (vgl. SaSe10) gehört in diese Rubrik, von deren Drive offensichtlich nun auch der Ex-Journalist Tilo Jung profitieren möchte (vgl. SaSe11).  Weiterlesen

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