Wahlkampf kann auch auf kommunaler Ebene sehr dynamisch sein. Zum Beispiel in Uhldingen-Mühlhofen. Die zur Transparenz wild entschlossene AWG durfte jetzt ihre Wählerinitiative und ihre politischen Pläne für die Seegemeinde im Südkurier präsentieren.
Auch an diesem Artikel fällt auf: „Transparenz“ scheint nachgerade zu DEM politischen Kampfbegriff des aktuellen Kommunalwahlkampfes zu gerieren. Wie in diesem TagesSenf praktiziert, sind dabei konkrete Fakten, die Transparenz belegen, von dem leichtgängigen Lippenbekenntnis zu unterscheiden. Oder noch einmal zum Mitschreiben: Die Glaubwürdigkeit der FORDERUNG nach Transparenz speist sich unmittelbar aus den Transparenz-Eigenschaften derer, die da fordern.
Wenn auf der AWG-Augenkrebs-Webseite einzelne Beiträge nicht mit dem vollen Namen des Verfassers gekennzeichnet werden, ist das nicht transparent.
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Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass sich auf der AWG-Kandidatenliste niemand mit den Initialen „B. B.“ oder „M. H.“ findet. Es erhebt sich die Frage: Wer schreibt dort eigentlich?
Mit dem Schlagwort „Transparenz“ eröffnet auch ein neuer Beitrag des SPD-Gemeinderats- und Kreistagskandidaten Domenico Ferraro auf dessen neuen Blog UM gestalten: „Ein paar Worte zur Transparenz in Uhldingen-Mühlhofen“. Der SPD-Frischer-Wind-Lieferant bezieht sich mit seinem Artikel direkt auf die AWG-Kritik (vgl. auch TS47/19).
Es dialogt!
Viel brisanter allerdings ist der Vorgängerbeitrag: „SPD Uhldingen-Mühlhofen besteht auf Neuerlass der Satzung gegen Rollladenburgen“. Brisant allein schon deshalb:
Der nachfolgende Text ist eine Presseerklärung, die wir an den Südkurier geschickt haben. Wir haben uns entschlossen, diesen Text hier auf dem Blog zu veröffentlichen, da der Südkurier sich nach mehreren Wochen des Kontakts dazu entschieden hat, das Thema vor den Wahlen nicht mehr aufgreifen zu wollen.
(Blog UM gestalten des SPD-Kandidaten Domenico Ferraro 14.05.2019: „SPD Uhldingen-Mühlhofen besteht auf Neuerlass der Satzung gegen Rollladenburgen“; Hervorhebg. K. B.)
Aaah! Der Südkurier möchte dieses heiße Eisen einer – wie von der SPD UM behauptet – seit Jahren wissentlich (!) ungültigen Baurechtssatzung vor den Wahlen nicht mehr anpacken? Wem das wohl nützt? Zum Selbstverständnis unabhängiger Berichterstattung gehört so ein Verdikt eher nicht. Denn wenn die Wähler am 26. Mai 2019 die Entscheidung darüber treffen sollen, wie sich ein künftiger Gemeinderat zusammensetzt, wäre die Kenntnis von möglichen gravierenden Versäumnissen des bisherigen Gemeinderats nicht ganz unerheblich.
Das Versäumnis besteht nach der Ferraro-Kritik darin, dass der Gemeinderat spätestens Anfang 2018 in einer nichtöffentlichen Sitzung (!) davon informiert worden sei, dass die 1990 beschlossene Satzung aufgrund veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen so keinen Bestand mehr habe.
Prima!
Aber es kommt noch dicker:
So hat der GR 2018 eben nicht beschlossen, die Satzung zu novellieren, sondern wollte bewusst riskieren, dass gegen die Satzung geklagt wird. Novelliert werden kann auch nicht ein[e] Fassung von 2017. Die Satzung ist faktisch seit 2005 ungültig.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)
[Aktualisierung vom 20.05.2019: Der Autor des hier zitierten Textes, Domenico Ferraro, hat am 20. Mai 2019 den Artikel auf seinem Blog aktualisiert. Dieser Aktualisierung fiel auch das von mir verwendete Zitat zum Opfer. Der Grund für die vom Autor als notwendig erachtete Korrektur ist folgender Unterschied:
# Die SPD UM kann nicht nachweisen, dass der Gemeinderat am 06.02.18 nichtöffentlich beschlossen hat, die Satzung NICHT zu novellieren.
# Die SPD UM kann nur nachweisen, dass der Gemeinderat am 06.02.18 nichtöffentlich NICHT beschlossen hat, die Satzung zu novellieren.
Die von Ferraro vorgenommene Textänderung ist aber für den Leser nachvollziehbar und entspricht damit einer vorbildlichen Fehlerkultur. Den Vorgang als solchen habe ich im TS52/19 noch einmal erklärt und komentiert.
Ende der Aktualisierung vom 20.05.2019]
Die SPD ist im UM-Gemeinderat vertreten. Deshalb zeichnet sie mitverantwortlich. Ferraro erklärt den Zeitpunkt für dieses späte Outing mit aufwändigen und wohl auch mühsamen Recherchen zum verwaltungsrechtlichen Hintergrund.
Außerdem habe die Verwaltung in UM kurz vor Torschluss eine Neufassung der Baurechtssatzung auf die Tagesordnung des Gemeinderats für den 21. Mai 2019 gesetzt.
Und es kommt hinzu – um mögliche Fürchtet-Euch-vor-unserer-Transparenz-Einwände vorwegzunehmen -: Ein zur Transparenz noch so wild entschlossener SPD-Gemeinderat hat juristisch kaum eine Möglichkeit, solche haarsträubenden Vorgänge in nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen an die Öffentlichkeit zu bringen. Denn die den Räten auferlegte Verschwiegenheitsverpflichtung gilt auch dann, wenn offenkundig rechtswidrige Beschlüsse gefasst werden (Quelle).
Einziger Trost:
Der Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung begründet regelmäßig eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung und führt daher zur Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses.“ (BGH, Urteil vom 23.04.2015 – III ZR 195/14)
(Webseite des Bürgerverein Burgkunstadt e. V.: „Öffentlichkeit“)
Verweilen wir kurz noch bei der Transparenz und den diesbezüglichen gemeinsamen Anliegen von SPD und AWG. Beide wollen ganz offensichtlich das bisher von Bürgermeister Edgar Lamm exzessiv genutzte Instrument der nichtöffentlichen Sitzungen in Zukunft begrenzen:
„Eine demokratisch verfasste Gemeinde braucht unbedingt die Trennung von Legislative (Gemeinderat) und Exekutive (Verwaltung) und mit Sicherheit haben Fragen des Ortsrechtes in öffentlichen Sitzungen behandelt zu werden,“ [sic] so die SPD-Gemeinderatskandidatin Kerstin Riedmüller.
(ibid.)
In der neuen Legislaturperiode wäre dann zu überprüfen (was z. B. für Journalisten gar nicht so einfach ist), ob das Instrument nichtöffentlicher Sitzungen tatsächlich bedachter und im Sinne der Gemeindeordnung verwendet werden wird.
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Sitzungsvorlage mit falscher Tatsachenbehauptung?
Im vorherigen TagesSenf zu den Vorgängen in Überlingen hatte ich schon darauf hingewiesen, dass auch Sitzungsvorlagen so ihre manipulativen Eigenheiten haben können. Was Ferraro allerdings in seinem Artikel andeutet, ist ein bisschen mehr als nur manipulativ. Mit der Formulierung „nicht korrekt“ deutet er an, dass in der neuen Sitzungsvorlage für den 21. Mai 2019 bewusst eine falsche Tatsachenbehauptung erhoben werde.
Korrigieren Sie mich, wenn ich falsche Schlüsse ziehe: Heißt das nicht, die Gemeindeverwaltung lügt in diesem Punkt?
Wir halten das sicherheitshalber grafisch fest:
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An die Protokolle der nichtöffentlichen Sitzung vom 6. Februar 2018 kommen Nicht-Gemeinderäte, Bürger und Journalisten nicht dran. Sonst wäre diese blutende Wahrhaftigkeitslücke zwischen der Behauptung der Gemeindeverwaltung Uhldingen-Mühlhofen und der des SPD-Kandidaten Ferraro leicht zu überprüfen. Es ist ein weiteres Verdienst des SPD-UM-Bloggers, den langen und frustreichen Weg zur Einsichtnahme in Gemeinderatsprotokolle schon einmal nachgezeichnet zu haben.
Eine Partei in UM „droht“?
Noch mehr Zündstoff in Ferraros Artikel zur Baurechts-Satzung in Uhldingen-Mühlhofen:
Der Inhalt ist das Ergebnis einer Recherche, die etwa ein Dreiviertel Jahr [sic] gedauert hat. Sie beinhaltete Anfragen beim Bauamt, beim Landrat, beim Bürgermeister. Wir haben Einsicht in Gemeinderatsprotokolle genommen. Dabei sind wir auf Widerstände von verschiedener Seite gestossen [sic], ein prominenter Vertreter einer anderen Partei hat uns gedroht, im Falle einer Veröffentlichung eine Kampagne gegen uns zu führen.
(Blog UM gestalten des SPD-Kandidaten Domenico Ferraro 14.05.2019: „SPD Uhldingen-Mühlhofen besteht auf Neuerlass der Satzung gegen Rollladenburgen“; Hervorhebg. K. B.)
What? Eine Partei im Gemeinderat Uhldingen-Mühlhofen droht der anderen? Was sind denn das für Zustände? Welche Partei mag das gewesen sein? Die Auswahl in UM ist groß: CDU, Junge Bürger, Freie Wähler, Bürger- und Umweltforum und FDP. Die SPD scheidet als Droher gegen sich selbst aus.
Bei mir entsteht zunehmend der Eindruck, in Uhldingen-Mühlhofen geht es zu wie bei Hempels unter’m Tisch? Da wird gelogen und gedroht, wissentlich nicht rechtskonforme Satzungen werden nicht überarbeitet und … was eigentlich noch alles?
Und der Südkurier berichtet NICHT. Unter der Orientierung an „Allways look on the bright side of live“ können dann die politisch interessierten Lesern in Uhldingen-Mühlhofen das Geld, das sie für den Südkurier gespart haben, mir zukommen lassen!
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