+++ „Meedia“-Podcast zur ersten „NMR“-Sendung post Erdogan
Wer es nicht mehr lesen kann, der kann es vielleicht noch hören? Meedia versucht, das Böhmermann-Thema durch einen Podcast noch erträglich zu machen. Es besprechen Christopher Lesko und Georg Altrogge (Meedia) die erste Neo-Magazin-Royale-Sendung nach der Pause.
Die „Stimmung“ in der Republik zur Causa Jan Böhmermann skizzierte übrigens sehr drastisch ein Huffington-Post-Artikel vom 6. Mai: An Jan Böhmermann: Es reicht! Sie gehen der halben Republik auf den Keks!
Senf: Mir aufgestoßen ist die Tatsache, dass ich nirgends eine Danksagung von Jan Böhmermann an die vielen Kollegen und Künstler gelesen oder gehört habe, die sich mit ihm solidarisch erklärt hatten – oft über persönliche Einschätzungen hinweg. Dazu passend spricht Lesko in obigem Podcast die nicht mehr realitätsbasierte Selbstwahrnehmung des Entertainers an. Böhmermann habe nicht den Status eines Erwachsenen.
Zum Podcast: Im Übrigen sollte Meedia m. E. bei der geschriebenen Sprache bleiben. Also etwa so.
+++ Hubertus von Sprenger stellt Ralf Höcker in den Schatten
Das könnte den Anwalt mit dem moralisch dauererigierten Zeigefinger kränken: Sein Kollege Rechtsanwalt Michael-Hubertus von Sprenger hat geschafft, was Ralf Höcker (bisher) versagt blieb: Auftrags seines Mandanten Recep Tayyip Erdogan eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Allerdings gegen Jan Böhmermann selbst – nicht, wie Höcker, gegen einen Zweitverwerter wie Mathias Döpfner. Das gelang von Sprenger bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg, das berüchtigt für diese Haltung ist (guckst du hier).
Immerhin bemerkenswert: Das Gericht anerkennt den grundsätzlichen Satire-Charakter des Schmähgedichts. Allerdings bleibt von dem ursprünglichen Gedicht so gut wie nichts mehr übrig. Das Gericht selbst hat das Schmähgedicht noch einmal in Gänze veröffentlicht – und die verbotenen Passagen rot markiert. Oder man lässt sich dessen Ansagen von Meedia erklären. Der gleiche Publikationsort reflektiert auch über die Folgen der jüngsten Vorgänge: Beihilfe durch Unterlassung: Wie die deutsche Justiz im Fall Böhmermann instrumentalisiert wird.
Es berichten des Weiteren : z. B. Focus + FAZ + Deutsche Welle etc. Die Neue Osnabrücker Zeitung beschäftigt sich mit der Frage, was dieses Urteil jetzt bedeutet. Auf Twitter regnet es Häme; einer der besten Tweets dort: „Das Landgericht Hamburg – gewissermaßen die Türkei unter den deutschen Rechtsinstanzen“.
Der Bild übrigens geht der Beschluss des Landgerichts Hamburgs an den druckschwarzen vier Buchstaben vorbei. Das schmähende Gesamtwerk ist dort weiterhin online.
Für SaSe beruhigend: Die Presseanfragen von Meedia an die Erdogan-Anwälte – zum Hubertus von Sprenger -, warum sie der weiteren Verbreitung des Gedichtes nichts entgegensetzen, bleibt ebenso unbeantwortet wie eine inhaltlich gleiche Presseanfrage von SaSe hierzu vom 17. April 2016 an Vorgenannten.
Senf: Jan Böhmermann jedenfalls will die Einstweilige von LG Hamburg nicht akzeptieren, wie inzwischen verschiedene Medien melden (z. B. Zeit). Und klug: Sein Anwalt Christian Schertz will offensichtlich gleich ins Hauptsacheverfahren – statt die weiterhin beschränkten Möglichkeiten im Widerspruch zu akzeptieren.
Es ist immer wieder darauf hinzuweisen: Eine einstweilige Verfügung sagt inhaltlich noch nicht viel aus, weil der Prüfungsmaßstab des Gerichts in diesem Verfahren reduziert ist. Substanziell wird es erst mit einem Urteil im Hauptsacheverfahren.
(Hinweis: In meiner – unfreiwilligen – Presseprozesskarriere ist es mir dank meiner exquisiten Anwälte gelungen, zwei einstweilige Verfügungen im Hauptsacheverfahren, in einem Fall erst in der zweiten Instanz, aufheben zu lassen. Hier.)
Das alles sehe nicht nur ich so:
In der Sache selbst sagt das [i. e. die einstweilige Verfügung – Anmerk. SaSe] erst einmal gar nichts. Eine Hauptverhandlung, in der die Beteiligten und / oder ihre Rechtsvertreter gehört würden, hat noch gar nicht stattgefunden. Und selbst wenn das Urteil letztlich so ausfiele, wie es das Gericht mit seiner Einstweiligen Verfügung andeutet, wäre danach das Oberlandesgericht am Zug und letztlich unter Umständen gar das Bundesverfassungsgericht. Es wäre dabei nicht neu, wenn das Hamburger Landgericht, das für einige besonders merkwürdige Entscheidungen bekannt ist, dabei überstimmt würde. So oder so würde der Marsch durch die Instanzen lange dauern, vielleicht sogar Jahre.
Man könnte argumentieren, dass dies in einem Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz eben eingepreist ist, übersähe dabei aber das Signal, welches die deutsche Justiz in einem international beachteten Verfahren wie der Auseinandersetzung um das Schmähgedicht des ZDFneo-Moderators aussendet: eine systembedingte Kakophonie der richterlichen Stimmen, die an verschiedenen Orten mal pro, mal contra Böhmermann entscheiden und für jeden erkennbar nicht zu Potte kommen. Jede Seite kann zudem ihre Prozessführung der jeweils aktuellen Entscheidungslage anpassen. Wenn etwa eine Unterlassungsklage gegen Springer-Chef Mathias Döpfner in Köln (wie geschehen) zunächst abschlägig beschieden wurde, könnte man auf die Idee kommen, die Unterlassungsklage gegen ein Springer-Medium, das das Schmähgedicht weiter in kompletter Form verbreitet, nun eben dort einzureichen, wo das Gericht offenbar gegenteiliger Ansicht ist.
(Meedia 18.05.16: „Beihilfe durch Unterlassung: Wie die deutsche Justiz im Fall Böhmermann instrumentalisiert wird“; Hervorheb. SaSe)
+++ Satire ist Thema auf Demokratie-Forum
Demokratie-Forum im Hambacher Schloss. Es spricht zum Mediendienst kress.de zum Beispiel: Georg Restle = Monitor: „Satire profitiert von verbreiteter Mutlosigkeit im Journalismus“. Das ist seine Antwort auf die in der Diskussion gestellte Frage, warum Satiriker heutzutage als die Journalisten mit Tiefgang und Haltung zählten. Zur Antwort gehöre auch, dass Satiriker als dem Anti-Establishment zugehörig wahrgenommen werden.
Auch Andreas Lange, Redaktionsleiter von extra3, analysiert die aktuelle Attraktivität des Genres:
Satire profitiert von den aktuellen Polarisierungen in der Gesellschaft. In Zeiten der Großen Koalition suchen die Menschen offensichtlich ein außerparlamentarisches Forum für Kritik und ein Ventil für Politik-Frust.
(zitiert aus Presseportal kress.de 18.05.16: „‘Monitor‘-Chef Georg Restle: ‚Satire profitiert von verbreiteter Mutlosigkeit im Journalismus‘ – Demokratie-Forum Hambacher Schloss“)
Der frühere Grimme-Chef Bernd Gäbler betrachtet den Zusammenhang mit dem Journalismus noch etwas eingehender:
„Natürlich sind Satireformate kein Ersatz für klassischen Journalismus. Unklar ist aber, ob bzw. inwieweit sie von einigen Rezipienten als solche genutzt werden, was aber auch nicht den Satirikern vorzuwerfen wäre. Da muss schon jeder in seinem Teich fischen. Sicher ist aber, dass die Bedeutung der Satire zunimmt. Gerade die „heute show“ mit zuletzt über 4 Mio. Zuschauern hat die Einschaltquoten des „heute-journals“ schon seit Dezember 2012 überholt, ist die jüngste, beliebteste und jenseits des linearen Fernsehens am stärksten nachgefragte Sendung des ZDF. Nicht weil sie weniger angreifbar ist, sondern vor allem, weil sie für verschiedene Publika anschlussfähig ist.“ Das ganze Interview mit Bernd Gäbler auf kress.de: http://nsrm.de/-/39n
(ibid.)
Der Medienwissenschaftler Benedikt Porzelt verweist auf die Auflösung klassischer Genregrenzen und daraus resultierende Synergieeffekte als Erklärung für die aktuell hohe Popularität von Satire.
+++ Zurück an die Front: „Postillon“!
Ohne Synergie, ohne Recherche, ohne Journalismus und ohne GroKo landet der Postillon wieder einen lustbringenden Treffer: Clever: Bauer wartet mit Melken, bis der Milchpreis wieder steigt.
+++ „Mann, Sieber!“ irgendwo weit hinter „Sturm der Liebe“
Der kabarettistische Umschlagplatz für die staubigen Dogmen linker Ideologie mit Querfrontanschluss ohne weitergehenden „Witz“ (in jeder Bedeutung des Wortes), dafür aber umhäkelt von unerträglichen Trash-TV-Elementen auf der Humorebene von Dreijährigen, also die Sendung Mann, Sieber! (Mediathek) schafft es mit den Einschaltquoten noch nicht einmal unter die ersten 22 des Tages und erzeugt offensichtlich noch weniger Nachfrage als Sturm der Liebe (ARD). Quotenmeter sieht die Sendung zusammen mit Beckmann „vereint in der Einstelligkeit“.
Hinzu kommt der Wahnsinnsgag, sich am 17. Mai 2016 in die „Sommerpause“ zu verabschieden und die nächste Sendung (cave!) für September 2016 anzukündigen. Also vier Monate „Sommerpause“? Dabei hätte ich den beiden Kabarett-Verkitschern ein Herumkasper-Moratorium bis 2056 gegönnt! Das ist aber ungerecht, denn schlussendlich muss es auch Kabarett für Menschen mit stark abgesenkten Ansprüchen an dieses Genre geben. Die jedenfalls werden von Tobias Mann und Christoph Sieber mit der Leidenschaft eines ritalinbefreiten ADHS-Kindes bedient!