PB5: Schändliche Unterbringung in Kressbronn: Südkurier erhält keine Auskunft zu kritischen Fragen

Ich tue dem brillanten Südkurier-Artikel „Sind 15 Quadratmeter Privatsphäre für eine Familie mit zwei Kindern genug?“ von Katy Cuko unrecht, wenn ich ihn auf den Aspekt der (auch) dem Südkurier verweigerten Presseauskunft reduziere. Denn was Cuko in ihrem Beitrag über die unwürdige Unterbringung einer jungen Geflüchteten-Familie in und durch die Gemeinde Kressbronn beschreibt, ist nachgerade erschütternd. Dort müssen eine hochschwangere Frau, ihr Mann und ein achtjähriges Kind in einem Zimmer von 15 Quadratmetern hausen. Für diese Unterbringungen haben sie dann auch noch 680 Euro „Nutzungsgebühr“ an die Gemeinde abzuledern. Ihre eigenen Schränke oder so etwas Essentielles wie Betten haben in diesem kleinen Zimmer natürlich keinen Platz. Die junge Familie legt abends Matratzen am Boden aus. Und jeden Tag kann das Baby auf die Welt kommen.

Wie auch schon dieser aufrüttelnde Südkurier-Artikel über die miese Unterbringung von Geflüchteten in Langenargen beschreibt der neue Beitrag eindrücklich das komplette Versagen des Gemeindeverwaltungsverbandes Eriskirch-Kressbronn-Langenargen und seines Integrationsbeauftragten Mirko Meinel vor der gestellten Aufgabe.

Und dieses Versagen – oder nach meinem Eindruck treffender bezeichnet: der fehlende gute Wille in den drei Kommunen – zieht sich nun schon seit Jahren hin (vgl. Links hier). Inzwischen liegen dazu so viele Falldokumentationen vor, dass es sich meiner Meinung nach um institutionellen Rassismus handeln muss. Anders lässt sich der verächtliche Umgang der drei Gemeinden mit den Menschen in Not über Jahre und diverse „Einzelfälle“ hinweg nicht erklären.

Diesen Vorwurf mache ich weniger an der „Hardware“ wie den für die Unterbringung der Geflüchteten zur Verfügung stehenden Wohnraum etc. fest, sondern daran, wie rüde, rücksichtslos und diskriminierend die Geflüchteten behandelt werden. Der aktuelle Südkurier-Artikel belegt diesen Eindruck neuerlich mit so Zwischenüberschriften wie „Ärztin bescheinigt Gefahr im Verzug für Mutter und Ungeborenes“, „Keine Reaktion des Integrationsbeauftragten“ (auf verzweifelte Whatsapp-Nachrichten des Familienvaters), „Abdul Whasi empfindet Gespräch im Rathaus als Tribunal“. Wenn die Geflüchteten zu den belegten Missständen das Gespräch mit den Verantwortlichen suchen, wird ihnen zynisch nahegelegt, doch in ein anderes Bundesland umzuziehen.

Es ist widerlich. Und die Gemeinderäte in den drei Gemeinden unternehmen nichts! Zumindest nichts, was das Licht der Öffentlichkeit erblickt oder Wirkung zeigen würde. Sie machen sich mitschuldig.

Da ich den Südkurier-Artikel aber nun einmal in der Rubrik „Bondage“ behandele, sei ausdrücklich auf folgendes Detail verwiesen: Der Kressbronner Bürgermeister Daniel Enzensperger war von Katy Cuko zu einer Stellungnahme zu den verheerenden Missständen sowie zu der „Tribunal“-Schilderung Abdul Whasis im Rathaus gebeten worden. Und diese Anfrage der Journalistin sei „mehrfach“ erfolgt. Aber sie habe „keine Antwort“ erhalten.

Bingo! Das belegt jetzt was? Das belegt, dass ausbleibende Presseantworten von Bürgermeistern, die nach Landespressegesetz Baden-Württemberg dazu verpflichtet sind, nicht vom Fragesteller abhängen; also nicht davon, ob „nur“ eine Bloggerin oder eine in der Region bekannte und renommierte Journalistin wie Katy Cuko anfragt.

Der Vorgang belegt dagegen: Bürgermeister-Antworten hängen vom kritischen Potential der Presseanfragen ab. Kritische Fragen werden einfach nicht beantwortet (= das Thema dieser Rubrik), ganz egal, wer sie stellt.

Damit haben wir en passant auch ein vages Qualitätsmerkmal von Presseanfragen an Bürgermeister: Werden sie beantwortet, waren sie wohl nicht kritisch genug? Oder besser andersherum: Werden sie nicht beantwortet, waren sie zu kritisch.

Bedeutet aber des Weiteren: Unkorrigiert von der Kommunalaufsicht oder zum Beispiel Regierungspräsidien setzen sich einige Bürgermeister in der Region über geltendes Recht hinweg. Es hat keine Konsequenzen für sie.

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