„Verlautbarungsjournalismus“: Mit diesem schmerzhaft treffenden Terminus für die „Qualität“ der Regionalpresse in unserer Region bezeichnete Bürgermeister Hans-Jürgen Osswald der Gemeinde Neuhausen ob Eck mir gegenüber einmal das, was Südkurier und Schwäbische Zeitung lokal in den Rubriken Politik und Wirtschaft regelmäßig und in Verweigerung ihrer journalistischer Pflichtaufgaben in Druckzeilen gießen. Osswald weiß wovon er spricht, war er doch selbst einige Zeit als sogenannter freier Mitarbeiter der Regionalpresse schreibend tätig.
Das kritische Nachfragen, die unabhängige Einordnung von Themen, Sachverhalten und Entscheidungen auf Lokalebene entfallen in den genannten Druckerzeugnissen plus digitalem Anhang nahezu vollständig. Weder Südkurier noch Schwäbische legen sich mit den kleinen lokalen Machthabern an. Für diese Totalverweigerung dann in der Tat zutreffende ökonomische Gründe anzuführen, führt den Journalismus ad absurdum.
Stattdessen übernehmen diese wichtigen Aufgaben immer häufiger und nicht nur in diesem Landkreis (hier z. B. für den Landkreis Konstanz) das Internet und die einschlägigen – in diesem Fall regional berichtenden – Blogs. Hier ein weiterer dieser und von mir besonders geschätzter.
Kritische Blog-Beiträge mit regionalem (!) politischem Engagement: Heute diesbezüglich besonders zu empfehlen: „Gewerbegebiet und Gesang“ auf dem Blog SOFA – Schönes Ostrach für alle. Herausgeber Franz Schreijäg kontrastiert dort erkenntnisfördernd das salbungsvoll-kitschige Gewese des Ostracher Bürgermeisters Christoph Schulz plus Entourage bei der Einweihung des interkommunalen Gewerbegebiets Königsegg mit den bisher vorliegenden Fakten und Zahlen. Und Schreijäg stellt die sich daraus ergebenden Fragen.
Das auf SOFA leider übliche Bildungsgeprotze mit den nervigen Zitaten deutscher Klassiker ist dabei leichter zu verschmerzen als hohe Abonnement-Kosten für Papageienkäfig-Unterlagen von unterbezahlten Protokollanten. Im Übrigen kennt man diese stilistische Zwangshandlung eher von Lehrern?
Zurück zu SOFAs Einnordnung der in Eiseskälte vertonten Eröffnung des interkommunalen Gewerbegebiets Königsegg: En passant etikettiert der kommentierende Fontane-Kenner (!) dabei auch das grundsätzliche Dilemma der Gemeinde Ostrach unter Aegide des aktuellen Bürgermeisters Christoph Schulz. Es ist das Dilemma von Bürgerferne aufgrund von maßloser Wirtschaftsfreundlichkeit, wie es sich eindrücklich auch im Falle des 1.000-Kühe-Stalls & Co. dokumentiert (Liste der SaSe-Artikel dazu am Ende von hier). Dazu schreibt der bloggende Bildungsträger Schreijäg:
Ostrachs Dilemma? Es geht um Gewerbeansiedlung, Industrieansiedlung, nicht um Bürger, nicht um Menschen. Die sollten aber Priorität haben.
– Leerstände im Einzelhandel, aber neue Gewerbegebiete am Anschluss an ein Wohngebiet.
– Fehlende Facharbeiter, aber keine Mietwohnungen in der Gemeinde.
– Eine alternde Bevölkerung, aber ein absehbarer Ärztemangel.
– Eine alternde Bevölkerung, aber kein Konzept für die Erweiterung von Pflegeplätzen.
– 70000 € für den Strategieplan Ostrach 2030, aber keine Umsetzung der dort aufgeführten Vorschläge.
(Franz Schreijäg SOFA 02.12.2017: „Gewerbegebiet und Gesang“)
Zum Vergleich dazu dann noch einmal den dürren Verlautbarungsjournalismus vom Südkurier.
Bei der Schwäbischen, die sich dankenswerter Weise das frostige Melodram mit Gesangsbegleitung vor Ort gleich ganz gespart und durch ein Interview mit dem Ostracher Wirtschaftsförderer ersetzt hat, kommen einige der kritischen Fragen wenigstens noch in den berichteten Wortmeldungen der Ostracher Gemeinderäte vor.
Erst beides zusammen macht das ganze Bild.
[…] weiß ich nicht, was „Abonnement-Kosten für Papageienkäfig-Unterlagen“ sind, aber der auf SatireSenf vorherrschende sprachliche Manierismus bleibt mir als „Bildungsprotz“ wohl verschlossen. Auch […]