TS29/20: Biberacher Landrat Heiko Schmid instrumentalisiert Rechtsterror gegen Narrenschelte

Mit so einem substantiellen Artikel in den „närrischen Tagen“ war nicht zu rechnen. Doch diese Rechnung wäre ohne den mimosenhaften Biberacher Landrat Heiko Schmid (Freie Wähler) gemacht, der offensichtlich den Schuss nicht gehört hat. Am 24. Februar titelt die Schwäbische Zeitung<Menschenverachtende> Fasnetsrede: Landrat sagt Teilnahme an Froschkuttelnessen ab“.

Zuvor geschah, was folgt: In Rieldingen (Landkreis Biberach) richtet die Narrenzunft Gole jedes Jahr am Fasnachtsdienstag ein weit über die Region hinaus berühmtes „Froschkuttelnessen“ aus. Zu dem erscheint auch regelmäßig hohe politische Prominenz aus Stuttgart. Auch der Biberacher Landrat Heiko Schmid war in der Vergangenheit dort Gast. Dieses Jahr nicht. Den Grund dafür habe er der Narrenzunft Gole, namentlich dessen Vorsitzenden Thomas Maichel, in einem Brief schriftlich mitgeteilt.

Bezeichnender Formfehler schon hier: Dieser Brief mit den weitreichenden politischen Folgen liegt offensichtlich nur der Narrenzunft selbst sowie exklusiv der Schwäbischen Zeitung (i. e. „SchwäZ“) vor. In den Pressemitteilungen des Landratsamt Biberach ist er jedenfalls (Stand: heute) nicht zu finden. Das kommt vielleicht auch daher, weil die Pressestelle dieses Landratsamts mehr damit beschäftigt ist, Journalisten an ihrer Arbeit zu hindern.

In seinem Brief beziehe sich der Landrat auf eine Büttenrede beim Riedlinger Narrenball. Dort hatte „Büttel“ Wolfgang Böck mit Bezug auf das in Riedlingen sehr heikle Thema <Verkauf des Krankenhauses> gereimt:

Oh wie herrlich ist die Fasnet, oh wie schön ist die Welt. Wir verkaufen unseren Landrat und versaufen dann sein Geld.“
(zitiert nach Schwäbische Zeitung 24.02.2020: „<Menschenverachtende> Büttenrede: Landrat sagt Teilnahme an Froschkuttelnessen ab“)

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Leser: Landrat stelle sich auf eine Stufe mit den Opfern in Hanau

Mit diesen Zeilen sieht der Biberacher Landrat Heiko Schmid seine Menschenwürde verletzt. Dabei schreckt er nicht einmal davor zurück, sich auf eine Stufe mit den Opfern des rechtsextremistischen Terrors der vergangenen Monate im Allgemeinen bis hin zu denen in Hanau explizit zu stellen:

Der Landrat teilte mit, seit Monaten werde darüber diskutiert, wie mit öffentlichen Amts- und Mandatsträgern umgegangen werde, „wie sie angefeindet werden, wie die Wortwahl immer schärfer wird, wie der Respekt in unserer Gesellschaft immer mehr nachlässt bis hin zu massiven Anfeindungen und Rassismus. Ich nenne nur Halle, den Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke, Hanau und gestern die Anfeindungen gegen Dietmar Hopp im Mönchengladbacher Stadion“.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

Der Vorgang ist so skandalös, dass sich die SchwäZ zu einem (sonst sehr seltenen) Kommentar veranlasst sieht: „Kommentar zur „Froschkuttelnessen“-Absage: Die Vorhaltung des Landrats ist überzogen“.

Wobei der Begriff „überzogen“ den Sachverhalt nicht trifft. Das ist nicht „überzogen“, das ist eine Entgleisung und Verharmlosung und Verhöhnung der Opfer von Hanau, die einem Bundespolitiker das Amt kosten würde. Aber auch einige Leserkommentare unter den diversen SchwäZ-Artikeln fordern Schmid auf, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Überhaupt zeigen die Vielzahl der Leserkommentare und deren überwiegende Tonalität, dass diese hysterische Reaktion des Landrats von den Bürgern korrekt eingeordnet wird.

Inzwischen liegt zumindest der SchwäZ eine Reaktion der Narrenzunft Gole vor. Die ist aber wiederum nicht im Original auf der Homepage der Narren verfügbar, sondern nur in der Form des darauf basierenden SchwäZ-Artikels. Alles reichlich suboptimal und provinziell und den publizistischen Möglichkeiten des Jahres 2020 weit hinterher.

Wenn man der SchwäZ-Berichterstattung folgt, hatte der bodenhaftungsfreie Landrat allen Ernstes auch noch eine Entschuldigung verlangt. Das weist die Narrenzunft Gole zurück (Quelle).

Die Büttenrede sei nicht menschenverachtend. Aber des Landrats Ton in dem besagten (und der Öffentlichkeit vorenthaltenen) Brief des Landrats an Maichel, „gehe zu weit“.

Uns bewegt, auf welcher Ebene der Landrat argumentiert: Er bezieht sich auf Anfeindungen, Rassismus und die Morde in Hanau, Kassel sowie den Anschlag in Halle.“ Es sei übertrieben, diese Sachverhalte mit den lokalpolitischen Äußerungen von Wolfgang Böck zu vergleichen.
(Schwäbische Zeitung 24.02.2020: „Büttenrede ist „nicht menschenverachtend“: Narrenzunft reagiert auf Kritik von Landrat“)

Auch dieser Artikel generiert mehrere Leserkommentare, die Schmid die Frustrationstoleranz eines Kleinkindes attestieren, der auf „obrigkeitlich-mimosenhafte“ Art reagiere.
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Kritische Tendenz auch beim Gemeindetag Baden-Württemberg
Allerdings kommt Schmids nur noch als Hysterie treffend zu bezeichnende Reaktion auf die Narrenschelte nicht aus dem luftleeren Raum. Seit geraumer Zeit beobachte ich mit Sorge, wie  offizielle Stellen und auch der Gemeindetag Baden-Württemberg in ihren/seinen Verlautbarungen die selbstverständlich völlig inakzeptablen Attacken auf und Bedrohungen von Amtsträgern, Politikern und Ehrenamtlichen zu einem Generalpardon für diesen Personenkreis umfunktionieren. Es ist die Tendenz, Bürgermeister und Co. schon vorab und generell zu „Opfern“ zu machen. Das soll sie dann von jeder Kritik freistellen.

Die „Kritik“ des Riedlinger Büttenredners am Biberacher Landrat erfolgte mit Name und Gesicht in aller Öffentlichkeit. Noch dazu untersteht sie einer jahrhundertealten Tradition. Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Hate-Speech und mehr (überwiegend) im Internet von namentlich nicht bekannten Schreibern zu tun, die für ihre Taten nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.

Der Biberacher Landrat Heiko Schmid verharmlost mit seiner kindischen und hysterischen Reaktion den Rechtsterrorismus und seine Opfer. Damit wirtschaftet er sein Amt von dem eines Würdenträgers zu dem des Würgenerregers herab.

Tröstlich an diesem skandalösen Vorgang ist allein die Tatsache, dass die Bürger die Taktik des Landrats ganz offensichtlich durchschauen. Stellvertretend für viele weitere dieser Tonalität hier der Kommentar von Andreas G., der auch auf die Folgen für die Demokratie hinweist:

Der Landrat versucht hier offenbar effekthascherisch Kritiker mundtot zu machen. Aus meiner Sicht deutlich über das Ziel hinausgeschossen! Mit derlei Aktionen erweist man auch als Landrat der Demokratie einen Bärendienst. Ob hier nicht eher ein Zurückrudern und eine Entschuldigung des Landrats bei den Opfern entsprechender Anschläge angebracht wäre? Die Verrohung der Sprache findet nicht im Fasching statt; das eine oder andere mag derb daherkommen. Hier rechtsradikales, kriminelles oder zersetzendes Gedankengut zu unterstellen ist billig.
(Leserkommentar Andreas G. Schwäbische Zeitung 24.02.2020: „<Menschenverachtende> Fasnetsrede: Landrat sagt Teilnahme an Froschkuttelnessen ab“; Hervorhebg. K. B.)

Ein lokalpolitischer Souverän, dem nicht nur jede Souveränität abhandengekommen ist, sondern dem die wichtigste Voraussetzung für das verantwortungsvolle Amt abgeht: das gesunde Maß!

Zu tadeln ist der Riedlinger „Büttel“ Wolfgang Böck allerdings für seine kapitale Fehleinschätzung hinsichtlich von Schmids „Marktwert“: Der dürfte angesichts seiner gefährlich defizitären Moral deutlich unter dem einer Pfandflasche liegen.

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