TS6/16: Einiges zur Armlängen-Distanz und noch mehr zu Somuncus Schweiz-Galama

+++ <Köln>: Nadja Hermann röntgt die Verhaltensanweisungen
Danke, Erzählmirnix, für diese treffende Analyse!
Fairerweise muss man allerdings darauf hinweisen, dass sich die Kölner Oberbürgermeisterin inzwischen für ihre Äußerung entschuldigt hat. Ihre Empfehlung war die Antwort auf eine gezielte Nachfrage bei einer Pressekonferenz.


+++ Somuncu-Schweiz-Zensur-Eklatt, die Dritte
Es war klar, dass das eine lange Geschichte wird: Phase 1, Phase 2. Weiter geht es: Die Springer-Presse nimmt sich des Themas an. Und obwohl jetzt schon dokumentiert ist, dass die strittige Nazi-Passage entgegen Somuncus Behauptung beim Auftritt auf dem Arosa Humor-Festival nicht vorkam, behauptet Die Welt sie neuerlich – mit Referenz auf die Angaben des Flegel-Kabarettisten Serdar Somuncu.
Mutmaßlich unwahr behauptet er im Gespräch mit dem Springerblatt des Weiteren:

Als besonders schlimm erachtet Somuncu den Versuch des Senders, jegliches Beweismaterial unter Verschluss zu halten. So habe sie niemand ein Bild seines Auftritts machen können. Dem Schweizer Publikum habe er nämlich gefallen.
(Die Welt 06.01.16: „Aufrichtige Nazis: Schweizer TV bannt deutschen Comedian aus dem Programm„)

Dem Publikum habe es gefallen? Diese Behauptung steht im krassen Widerspruch zur Berichterstattung von 20 Minuten über Somuncus Auftritt in Arosa: Die Zuschauer verliessen in Scharen die Show. Somuncus Verhältnis zur Wahrheit ist beunruhigend, wenn man seinen diversen Behauptungen nachgeht und auf Gehalt und Plausibilität überprüft.

Vice hat Somuncu „am Telefon erwischt“, um mit ihm über den Vorfall zu sprechen. Erneut behauptet Somuncu dabei seine angebliche Nazi-Aussage. De facto rassistisch (und widersprüchlich) argumentiert Vice dann wie folgt, was aufmerken lässt:

Berühmtheit lässt sich natürlich nicht nur in Likes messen. Auch die anderen Kriterien sind hier aber wenig schlagkräftig: Somuncu ist Deutschtürke. Keiner der ausgewählten Künstler kann sonst noch einen (zumindest klar erkennbaren) Migrations– geschweige denn Islamhintergrund ausweisen, was ja doch noch aktuell wäre. Und auch an politischer Satire kann ich beim Durchschauen— einmal und nie wieder! — der ersten von den zwei Sendungen keinen Überfluss ausmachen.
(Vice 06.01.16: „Serdar Somuncu erzählt uns von seinem nicht gezeigten Auftritt und erklärt, warum Schweizer ‚aufrichtige Nazis‘ sind“)

Bitte wie? Erst sei das Argument „wenig schlagkräftig“, dann wird es uneingeschränkt ausgeführt: Somuncu ist nicht deshalb ein wichtiger (und vom SRF zu zeigender) Künstler, weil seine Satire gut ist, sondern weil er Migrationshintergrund hat?

Vice bringt dann den ebenfalls in Arosa aufgetretenen Kabarettisten Andreas Thiel ins Spiel, der sich inzwischen in die Diskussion einschaltet. Darüber berichtet bluewin: Nach Arosa-Eklat: Jetzt schiesst Kabarettist Andreas Thiel gegen Serdar Somuncu. Der stellt die Frage, ob SS „zu platt“ sei:

«So wie der Künstler das Recht hat, zu sagen, was er will, darf der Zuschauer das Zelt verlassen, wenn ihm eine Show nicht gefällt. Das gilt auch für das Arosa Humor-Festival», rechtfertigt Thiel die Reaktionen des Publikums gegenüber «20 Minuten». Gründe dafür gebe es genug: «Vielleicht versteht man seinen Humor hier nicht, vielleicht ist er gar nicht lustig, vielleicht ist er zu platt für das hiesige Publikum, vielleicht zu intelligent.»
(Bluewin 06.01.16: „Nach Arosa-Eklat: Jetzt schießt Kabarettist Andreas Thiel gegen Serdar Somucu„)

Ich würde mich übrigens für die Option Nr. 1 entscheiden: „nicht lustig“. Koprolalie ist nie lustig! Ein Satiriker, die sich dieser brachialen Mitteln bedienen muss, dokumentiert damit nur seine intellektuelle Bedürftigkeit und seinen mangelnden Zugriff auf die vielfältigen rhetorischen Mittel der Satire! Mehr noch: Das Exklamieren von „Nazi“, „Arschloch“ & Co. hat nichts mit Satire und Kabarett zu tun. Das kann Lutz Bachmann auch.

Im Übrigen argumentiert Thiel verblüffend pragmatisch und ganz nah an Somuncus penetrant nach vorn gespielten Gewinnerzielungsabsichten:

Auf die Frage, ob Serdar Somuncu mit seinem Festival-Programm einen Schritt zu weit gegangen sei, meint Andreas Thiel: «Jeder Künstler hat seine eigenen Grenzen und auch jeder Zuschauer. Das Ziel des Satirikers ist es letzten Endes, das Publikum zu unterhalten, auch wenn er – im Gegensatz zu anderen Komikern vielleicht – dieses auch noch zum Nachdenken anregen will.» Solange der Komiker ein Publikum für seinen Humor habe, sei auch alles ok. Probleme gebe es nur, wenn es für den Humor-Stil keine Zielgruppe mehr gibt.
(ibid.)

Diese Einschätzung widerspricht allerdings der Beliebtheit Somuncus. Wobei: Björn Höcke und Lutz Bachmann sind auch „beliebt“. Die Deutschen haben bekanntlich ja ein Faible für Männer mit ausgesucht schlechten Manieren, die es zu ihrem Kunststil erheben, alles und jeden zu beleidigen.

Sympathisch ist Thiels Resümee:

Die Schweizer Komiker seien da etwas entspannter. Sie würden sich lieber über die schöne Festival-Atmosphäre in Arosa freuen und seien weniger fixiert auf die Fernseh-Ausstrahlung.
(ibid.)

Der Narzisst Somuncu allerdings dürfte mit dem medialen Erfolg seines künstlichen Eklats zufrieden sein. Die Medien bauchpinseln den „beleidigten“ Künstler mit Interviewanfragen. Auch das Langenthaler Tagblatt fragt persönlich nach. Um den Brei am Köcheln zu halten, bekräftigt Somuncu: „Das Wort Arschblocher meinte ich ernst“.

Die Langenthaler bringen auch die Sache mit der Nazi-Äußerung auf den Punkt, die beim Auftritt selbst gar nicht gefallen war. Somuncus Antwort darauf ist massiv peinlich: „Ich war selbst überrascht“ ( … dass diese Sentenz in der Aufzeichnung seines Auftritts gar nicht vorkommt!).

Dem Publikum macht Somuncu aber nichts vor. Die Kommentare unter dem Artikel sprechen Bände:

Was Satire darf und was nicht, sei dahingestellt. Satire ist keine Pflichtlektion – wenn Leute auftreten wie Somuncu, dann gibt es nur einen Weg. Abschalten oder gehen (wie es übrigens nicht wenige in Arosa getan haben). Den Spiegel vorhalten, wem auch immer, ja. Das ist aber eine Niveaufrage, die kaum verhandelbar ist. Gerade in Deutschland gibt es positive Beispiele. Somuncu gehört definitiv nicht dazu. ER handelt nach der Devise, auffallen und sich verkaufen ist alles, ohne Rücksicht auf Verluste.
(ibid.; Kommentarspalte; Leserzuschrift Kurt T.; Hervorheb. SaSe)

Ein anderer Leser dekuvriert Somuncus „Satire“ als billigen Mainstream. Ein weiterer vergleicht ihn mit Volker Pispers, der im Gegensatz dazu mit „feiner Klinge“ und „Stil“ arbeite.


+++ #einearmlaenge: „SPAM“ überhöht Reker-Armlängen-Empfehlung
Die „Empfehlung“ der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker an Frauen, fremde Männer bei öffentlichen Veranstaltungen auf Armlängen-Distanz zu halten, motiviert das Netz zu herrlich kreativen Reaktionen (Überblick bei Meedia). Auch die Satire-Redaktion SPAM von Spiegel online greift die schräge Verhaltensmaßregel auf: Millionen Frauen wollen Armverlängerung.

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