TS02/19: Ostrach: Die traumatische Kindheit des Christoph Schulz

Die herbeigelogene Besinnlichkeit der Vorweihnachtszeit führt gelegentlich zu Selbstentblößungen, die der Menschheit auch besser erspart geblieben wären. Die schlimme Kunde von einem besonders erschütternden Fall übermittelt Politikinteressierten außerhalb der Reichweite der beiden regionalen Käseblätter Südkurier und Schwäbische Zeitung mein geschätzter Blog-Kollege Franz Schreijäg in seinem Beitrag „Ostrach. Ein Wintermärchen“.

Auf dem Obduktionstisch seiner filigranen Ironie und tiefgründigen Sprachanalyse liegt dieses Mal ein „Interview“ in der Zeitschrift des Verbands der Verwaltungsbeamten in Baden-Württemberg e. V. mit dem Ostracher Bürgermeister Christoph Schulz.
(Hintergrundinfo: Wie solche angeblichen „Interviews“ mit Bürgermeister tatsächlich ablaufen, belegt dieses irreguläre Beispiel, das auch immer noch der Kuratierung durch SaSe harrt.)

Das „Interview“ beginnt unter Rückgriff auf das I-have-a-dream-Narrativ: Christoph Schulz gesteht, schon als Kind davon geträumt zu haben, einmal Bürgermeister zu werden. What? Wie verheerend, öde und verstörend muss man sich die Kindheit eines kleinen Jungen in Mengen vorstellen, der das Füllhorn der Berufswünsche eines Kindes im Wirtschaftswunderland ausschlägt und alle persönlichen Entwicklungsperspektiven von vornherein mit dem Ansinnen beschneidet, einmal Verwaltungschef zu werden? Andere Kinder seiner Zeit mögen davon geträumt haben, später Pilot, Zugführer oder – die tollkühne Variante – Salat-Inspektor bei McDonald’s zu werden. Aber nein, Klein-Christoph glänzt schon als Jüngling mit dem festen Vorsatz, der Nachwelt sein rücksichtsloses Wüten unter der Zwangsvorstellung endlosen wirtschaftlichen Wachstums zu hinterlassen, sämtliche Varianten der Massentierhaltung nach Ostrach zu holen, maximal viel Fläche der wunderschönen Landschaft dort zu versiegeln und das Trinkwasser durch verboten hohen Nitrat-Eintrag auch für kommende Generationen zu versauen. Solches Grauen haben sich bis jetzt noch nicht einmal die Drehbuch-Autoren der Des-Teufels-Nachwuchs-Filme in Hollywood ausgedacht. Diesbezüglich weist Schulz den deutlich höheren „Zielerreichungsgrad“ auf, den er auch ausdrücklich für sich in Anspruch nimmt (ein ekeliger Terminus technicus, der den Kollegen Schreijäg ganz offensichtlich nachdrücklich ärgert).

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Nicht schön, aber sozial abgesichert! Auf die Krone kommt es an, nicht auf die intellektuelle, administrative, moralische oder psychische Bedürftigkeit darunter. Foto: Gabriela Neumeier / pixelio.de

Foto: Gabriela Neumeier / pixelio.de

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Im gesamten Sonnenkönig-Interview auffallend (und dem diagnostischen Protokoll zur Dokumentation besonders empfohlen) ist die in endlosen sprachlichen Ich-Wiederholungen gezwängte Verengung von Verwaltungsarbeit in Ostrach auf die strahlende Herrlichkeit der Person Christoph Schulz‘. Das Thema Breitbandversorgung etwa hat nicht die Verwaltung, den Gemeinderat, die Bürger oder Ostrach insgesamt „eingeholt“, sondern „mich“. Die nahezu krankhafte perspektivische Verengung von Kommunalpolitik mit tatsächlich aber globalen Auswirkungen auf den jeweils kleinsten denkbaren Fokus zieht sich wie ein roter Faden durch die frohgemuten Verlautbarungen des früh traumatisierten Jungen. So findet Schulz es tatsächlich toll, dass in der Hahnennester Biogasanlage nun nicht mehr die Gülle von externen Landwirten verarbeitet wird, sondern Ostrach mit dem diabolischen 1.000-Kühe-Stall seinen eigenen Beitrag zu den Gülle-Ozeanen der Wohlstandsländer leisten wird. Selbst die nachdrückliche Kraft von Petitionen und Protesten gegen dieses Wahnsinnsprojekt kann Schulz‘ Nase nicht aus dem eigenen Nabel befreien:

Der Gemeinderat hat mit großer Mehrheit die Aufstellung des entsprechenden Bebauungsplanes genehmigt. Die Kritik an diesem Projekt bis hin zu Unterschriftenaktionen und Petitionsverfahren kommt aus der erweiterten Region, weniger aus der Gemeinde selbst.
(Christoph Schulz im Interview mit der Verwaltungszeitung Baden-Württemberg Nr. 5, Dezember 2018; Hervorhebg. K. B.)

Übrigens: Auch die Steuergelder, mit denen Christoph Schulz nicht zuletzt in seiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Vereins Regionalentwicklung Mittleres Oberschwaben e. V. herumplanscht, kommen auch eher aus der erweiterten Region und weniger aus der Gemeinde selbst …

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Gruselig, oder? Das aber ist die leider dominierende Perspektive vieler Bürgermeister im Ländle! Foto: Herbert Dazo /pixeliode.

Gruselig, oder? Das aber ist die leider dominierende Perspektive vieler Bürgermeister im Ländle!
Foto: Herbert Dazo /pixelio.de

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Im tapferen Widerstand gegen den weltzerstörerischen Bauchnabel-Optik-Sog eines Christoph Schulz richtet Schreijäg in seinem nächsten Blog-Beitrag den Blick wieder auf das Gesamtszenario und die gnadenlose Realität überregionaler Interdependenzen und Interferenzen kommunalpolitischer Entscheidungen. In dem Artikel „Auch 2019 keine Veröffentlichung der Nitratwerte in Ostrach?“ gleicht er das unheilverkündende Selbstlob des schon früh berufenen Verwaltungschefs mit der Realität unter den Bewertungskriterien Transparenz, Bürgernähe und verantwortungsvolle Kommunalpolitik ab. Der von Schreijäg veröffentlichte Schriftverkehr mit dem Landratsamt Sigmaringen als zuständige Rechtsaufsicht spricht eine ganz andere Sprache – mit enorm hohem „Zielerreichungsgrad“ für den Leser zur Bewertung der politischen Realität in und – leider – weit über Ostrach hinaus! Aufschlussreich zu lesen, dass die zuständige Rechtsaufsicht plötzlich ein Junktim (regelmäßige Veröffentlichung der Nitratwerte erst NACH Inbetriebnahme des 1.000-Kühe-Stalls) aus der Luft zaubert, das nur leider in den entsprechenden Gemeinderatsbeschlüssen nicht dokumentiert sei, wie Schreijäg angibt.

Die Krähen (Hahnennest = Erdgas Südwest = EnBW; Landrätin Stefanie Bürkle sitzt im Aufsichtsrat der EnBW) wieder: Ein Auge drückt das andere zu!

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Foto: Karin Schumann / pixelio.de

Foto: Karin Schumann / pixelio.de

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Und wenn Sie dann den Kanal noch immer nicht vollhaben, empfehle ich noch den SOFA-Beitrag: „Bürgerbeteiligung in Ostrach unerwünscht?„. Damit wären dann Ostrach, Langenargen, Uhldingen-Mühlhofen und Ochsenhausen wieder ganz nett beieinander!

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