Analyse des Briefs des SPD-Gemeinderats Dr. Wolfram Klaar
Einige Bürgermeister und Gemeinderäte beispielsweise in den baden-württembergischen „Seegemeinden“ Langenargen, Kressbronn, Uhldingen-Mühlhofen oder auch in Ochsenhausen (Landkreis Biberach), Heiligenberg (Bodenseekreis) und Ostrach (Landkreis Sigmaringen) haben nachweislich massive Probleme, sich im 21. Jahrhundert mit seinen hurtigen Kommunikationsmöglichkeiten zurechtzufinden. Das führt so weit, dass der stellvertretende Bürgermeister von Langenargen, Joachim Zodel, beim Bürgerempfang am 16. Januar 2019 öffentlich, vollernst und satirefrei vom „Internet als Waffe“ sprach, vor deren Gebrauch (als solche) er warne (Schwäbische Zeitung am 19.01.2019: „Langenargen investiert in die Zukunft“ von Andy Heinrich [!], online nicht barrierefrei verfügbar). Die von Zodel herbeigefieberte Waffenkammer firmiert dann mutmaßlich unter dem Namen Forum Langenargen.
Vermutlich aufgrund fehlender Vertrautheit mit den wirklich schlimmen Usancen des Internets und insbesondere der asozialen Netzwerke weiß Zodel die Annehmlichkeit eines auf Forum Langenargen ausgewiesenen ordnungsgemäßen Impressums offensichtlich nicht zu schätzen. Wenn dort nämlich wirklich einmal scharf geschossen werden würde, könnte man sofort den Schutzmann rufen und den illegalen Waffenbesitzer und/oder – nutzer verhaften lassen.
Aber ganz offensichtlich ist es nicht nur die „moderne Zeit“ und die demokratischen Möglichkeiten des Internets, die Gemeinderäte und Bürgermeister in Baden-Württemberg restlos überfordern (Sonderstellung der Bürgermeister dort mit bundesweit einmaliger Machtfülle; siehe Friedrich-Ebert-Stiftung: Grundwissen der Kommunalpolitik Baden-Württemberg Nr. 5: Wie unterscheiden sich Bürgermeister in Baden-Württemberg von ihren Kolleg_innen in anderen Bundesländern?). Es scheint die Demokratie als solche zu sein, die irgendwie noch nicht wirklich in den Köpfen und Herzen der kommunalen „Machthaber“ angekommen ist?
Die SaSe-Artikel der vergangenen Monate bieten mannigfaltige Belege für diese kühne These. Aber diese Belege sind alles nichts gegen das aktuell vorliegende Dokument: ein Brief bzw. eine Mail des SPD-Gemeinderats Dr. Wolfram Klaar in der Seegemeinde Uhldingen-Mühlhofen in Reaktion auf einen nicht veröffentlichten (!) Artikel des UM-Bürgers Peter Groß.
Glücklicherweise ist es mir gelungen, die schriftliche Genehmigung von Dr. Klaar für die Veröffentlichung dieses Briefes zu erhalten (im Original in HInfo26). Ich weise nachdrücklich darauf hin, dass Dr. Klaar es für die Veröffentlichung seines Reaktionsbriefes auf den Artikel von Peter Groß als Problem ansieht, dass dieser Artikel für die Leser nicht verfügbar ist (siehe dazu auch die Info in HInfo26). Daran kann ich aber auch nichts ändern. Im Gegenteil weist es die Größe eines Autors wie Peter Groß aus, dass er unter den gegebenen Umständen auf die Veröffentlichung des Artikels verzichtet hat.
Der reichlich spät eintretenden Besorgnis des Briefschreibers stelle ich entgegen, dass ja gerade dieses Faktum – ein unter Gemeinderäten ohnehin schon verteilter und veröffentlichter Brief, der sich auf einen Artikel bezieht, der nie veröffentlicht wurde – ein schwer an seiner Bedeutung tragender Puzzlestein im Gesamtbild ist. Keuchend gibt er Auskunft zum Grad der Faktenbasiertheit und Besonnenheit, mit dem hier ein Gemeinderat agiert.
Oder steht Dr. Wolfram Klaar gar in den Brandruinen, um mit zelebrierter Nachdenklichkeit zu Protokoll zu geben, er rieche Lunte?
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Gemeinderäte in UM stehen hinter: „Unbedarfte Omas und Opas“
Der peinsam selbstenthüllende Brief des Dr. Klaar erhält besonderes Gewicht durch die Tatsache, dass er nach Angaben seines Verfassers von zahlreichen anderen (von ihm leider nicht bezifferten noch benannten) Gemeinderäten in Uhldingen-Mühlhofen (UM) unterstützt werde. In einem Telefonat mit mir hob dessen Verfasser auf die „überwältigende Erleichterung“ seiner Ratskollegen hab, „dass endlich mal jemand gegen die Stänkerei [i. E. Kritik auf Foren wie Forum Langenargen oder GUM e. V.] Stellung nimmt“. Dr. Klaar hatte diesen Brief vor einer Gemeinderatssitzung per E-Mail an seine Ratskollegen verteilt. Die multiplen Signale erleichterter Zustimmung seitens dieser habe er außerhalb des formellen Rahmens der Sitzung beim zwanglosen Zusammensitzen danach erhalten.
Bleibt festzuhalten: Ein Großteil der Gemeinderäte in Uhldingen-Mühlhofen unterstützt eine derart verächtliche und herabwürdigende Sicht eines Gemeinderats auf die demokratischen Rechte von Bürgern, wie sie der Klaar-Brief etwa im Kontext einer Unterschriftenaktion gegen den Verkauf der „Alten Schule“ in Unteruhldingen formuliert:
Die Spekulation, das Grundstück Schulstraße 12 könnte für 641‘850 € verkauft werden, ist unsinnig, gilt dem Herrn Groß aber offensichtlich als Beleg für düstere Machenschaften und Schiebereien der Verwaltung, die durch das Verschleudern öffentlichen Eigentums ich weiß nicht wen, [sic] bereichern sollen. Wo lebt Herr Groß eigentlich, dass er solchen Unsinn unter die Leute bringt und die unbedarften Omas und Opas von U.-U. zur Empörung treibt. In den U.S.A. nennt man so etwas „Fake News Policy“.
(Zitat aus dem Brief des SPD-Gemeinderats Dr. Wolfram Klaar an einen Bürger vom 16.01.2019; Hervorhebg. K. B.)
700 Bürger in Uhldingen-Mühlhofen, die für den Erhalt des alten Schul- und Rathaus unterschreiben (Südkurier-Artikel dazu) gelten (offensichtlich nicht nur) einem (1) Gemeinderat als „unbedarfte Omas und Opas“, die sich von selbsternannten Robin Hoods (eine der anderen Beleidigungen bzw. Herabwürdigungen des Dr. Klaar im genannten Schreiben) zur Unterschrift peitschen lassen?
Immerhin erklärt auch dieser spektakuläre verbale Fehlgriff, warum eine sozialdemokratische (!) Volkspartei bundesweit im Untergang begriffen ist.
Was diese verächtliche Etikettierung über das Menschenbild und die Sicht von Gemeinderäten auf die Bürger und ihre Rechte aussagt, kann jeder Leser für sich durchdeklinieren. Das Attribut „bedenklich“ würde ich als Euphemismus zurückweisen. Und für diese Exegese ist auch die Kenntnis des Ursprungsartikels von Peter Groß nicht notwendig.
Dreck werfend das Dreckwerfen kritisieren?
Dr. Wolfram Klaar wirft den Bürgerrechtlern in Uhldingen-Mühlhofen in seinem Brief an einen Bürger vor, die Gemeinderäte mit Dreck zu bewerfen:
Zur Strategie:
Angenommen, es gäbe eine solche als realistisch zu betrachtende Projekt-Idee, dann müssten Sie, um weiter zu kommen, dafür Parteigänger gewinnen, die darüber Entscheidungsmacht haben, also Gemeinderäte und Verwaltung. Da scheint es mir wenig zielführend, diese permanent vor den Kopf zu stoßen, zu beleidigen und mit Dreck zu bewerfen. Oder wollen Sie vielleicht eine „Volksbewegung“ ins Leben rufen, die die etablierten Mächte hinweg fegt? Nicht sehr realistisch. Die von Ihnen ins Feld geführten 700 Unterschriften sind da wenig wert, weil niemand weiß, wofür sie gegeben wurden (siehe oben), noch ist klar, wie viele davon Uhldinger Unterschreiber sind. Ganz zu schweigen von den Umständen der Unterschriftensammlung selbst. Wenn man jemanden ordentlich bedrängt, unterschreibt der schon mal, um den Bedränger loszuwerden. Nicht umsonst gibt es in Demokratien für so etwas strenge Regeln. Ist Ihr wahres Motiv also nur Wichtigtuerei oder Unruhestiftung im Ort?
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)
Der Absatz enthält reichlich Sprengstroff und offenbart en passant die undemokratischen Vorstellungen dieses Gemeinderates zur politischen Willensbildung. Zunächst allerdings möchte ich mich auf das „mit Dreck [zu be-]werfen“ beschränken, weil das auch ein – in der Mehrzahl der Fälle nicht mit Beispielen belegtes – Totschlagargument gegen die Kritiker in Langenargen ist.
Deshalb sei an dieser Stelle einmal eine Strategie genutzt, von der Dr. Klaar in seinem Schreiben vielfach Gebrauch macht: die Unterstellung. Ich unterstelle nicht nur dem Verfasser persönlich, sondern auch den ihn diesbezüglich unterstützenden Gemeinderäten in Uhldingen-Mühlhofen sowie in anderen Seegemeinden, dass sie gar nicht wissen bzw. je erfahren mussten, was Dreckwerfen im Internet wirklich bedeutet.
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Natürlich weiß ich nicht, was Dr. Klaar und seine von Kritik so furchtbar malträtierten Ratskollegen unter „Dreck werfen“ verstehen. Ich kann nur ganz bescheiden aufweisen, was ich als solchen empfinde:
+ Jemand bewirft einen Dritten mit Dreck, wenn er ihm unterstellt, mit seiner sachlich geäußerten Kritik an Kommunalpolitik „eine Volksbewegung ins Leben rufen“ zu wollen, um „die etablierten Mächte“ hinwegzufegen.
Welche kindliche Vorstellung auch von „Volksbewegungen“! Liest Dr. Klaar gelegentlich Zeitung, verfolgt er die Nachrichten? Dann müsste er doch wissen, wie Verfassungsfeinde, gleich ob von rechts oder von links, heutzutage agieren und dass sie sich keineswegs auf namentlich gekennzeichnete Artikel beschränken, die auf Internetplattformen mit ausgewiesenem Impressum erscheinen?
+ Jemand bewirft einen Dritten mit Dreck, wenn er ihm dieserart unterstellt, sich nicht mehr auf dem Boden der Verfassung zu befinden bzw. mehr noch, sich verfassungsfeindlicher Umtriebe zu befleißigen.
+ Jemand bewirft einen Dritten mit Dreck, wenn er ihm ohne weitere Belege unterstellt, Bürger zu ihren Unterschriften unter Protestproklamationen zu „drängen“.
+ Jemand bewirft einen Dritten mit Dreck, wenn er dessen publizistische Teilhabe an politischen Meinungsbildungsprozessen als „Wichtigtuer“ und „Unruhestifter“ diskreditiert.
+ Jemand bewirft einen Dritten mit Dreck, wenn er ihn mit einem trotzigen Kind vergleich, das sich weigert zu essen (Textstelle im Klaar-Brief nach der Zwischenüberschrift „Nun zu Ihren eigenen Mails“).
+ Jemand bewirft einen Dritten mit Dreck, wenn er bösartige Andeutungen zu dessen psychischer Gesundheit macht (Textstelle am Schluss des Briefes).
Tja, es gibt eben so’n Dreck und so’n Dreck!
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Krass bedenkliches Demokratieverständnis
Für das defizitäre Demokratieverständnis von Gemeinderäten in Uhldingen-Mühlhofen des Weiteren entlarvend ist der Passus über Bürger mit Projektideen, die dafür angeblich „Parteigänger“ mit Entscheidungsmacht (!) finden müssen. Grundgütiger! Vielleicht sollten sich die Bürgerrechtler in UM zunächst einmal um eine Spendensammlung bemühen, um Gemeinderäten mit solchen fatalen Ideen zur politischen Willensbildung die nötigen Grundkurse bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu verschaffen? Allerdings enthüllt diese Äußerung schonungslos die wohl ansonsten üblichen politischen Prozesse auch der SPD (!) auf Kommunalebene. Es geht also Gemeinderat und Bürgermeister nicht darum, den Bürgerwillen umzusetzen? Stattdessen sucht man sich „Parteigänger mit Entscheidungsmacht“, um auf diese Einfluss auszuüben – also das, was gemeinhin unter Lobbyismus verstanden wird.
Entschuldigung, ich muss kurz weinen!
Dabei ist das Elend noch gar nicht zu Ende:
Es bleibt die große Frage, warum das Ganze?
Wir, der 18-köpfige Gemeinderat, vom Volk gewählt und demokratisch legitimiert, ringen Jahr ein, Jahr aus, Tag für Tag um richtige Entscheidungen zum Wohl der Gemeinde. Glaubt Herr Groß wirklich, er kann das alles zusammen mit Ihnen viel besser?
(ibid.)
Guck hin: Die demokratische Legitimierung von Kommunalwahlen, die nur alle fünf Jahre stattfinden, reicht den Herren vollständig aus. Zwischen diesen in einer schnelllebigen Zeit wie der aktuellen Äonen weit auseinanderliegenden Terminen findet Demokratie dann nicht mehr statt?
Selbstverständlich glauben alle Kritiker von Kommunalpolitik, dass sie besser wissen, was denn nun wirklich das „Wohl der Gemeinde“ sei. Das ist ihr Antrieb, verfassungsmäßig legitimiert.
Die Tonalität dieser ohnehin nur rhetorischen Frage des sich selbst ins demokratische Aus schreibenden Gemeinderats Dr. Wolfram Klaar offenbart, dass er einen solchen selbstverständlichen Antrieb in der Demokratie für eine Form von krasser Insubordination hält?
Ich werde ja nie mehr mit dem Weinen fertig!
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Die üble Sache mit Robin Hood
Schon allein aus stilistischen Gründen sind Wiederholungen unschön, aber sie werden mir von Dr. Klaar vorgegeben. Stichwort: Dreck.
Zu den Inhalten des Artikels:
Abgesehen von all den unerfreulichen Beleidigungen, Unterstellungen und Spekulationen, in denen sich der Verfasser als eine Art Robin Hood präsentiert, der das arme Volk gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt, verkörpert durch den unbelehrbaren, böswilligen und unfähigen Gemeinderat und gegen die Gemeindeverwaltung verteidigt und schützt, sehe ich kaum nennenswerte, greifbare Inhalte. Ein paar Beispiele: [..]
(ibid.)
Diskurszivilisatorisch immerhin ist es eine Leistung, in ein und demselben Satz einem Dritten „Beleidigungen, Unterstellungen und Spekulationen“ anzuhexen und ihn gleichzeitig zu beleidigen („eine Art Robin Hood“), ihm völlig alberne Weltverbesserungsambitionen zu unterstellen und über seine Motive zu spekulieren.
Ohnehin erhalte ich zunehmend den Eindruck, dass Dr. Wolfram Klaar als Autor auf SatireSenf.de viel besser aufgehoben wäre als in einem Gemeinderat?
Und bitte: noch einmal! Auch wenn: Wiederholung. Hier schreibt ein Mann der SPD! Es gibt wohl kaum eine passendere Ikone für – zumindest – den politischen Anspruch (ungleich Wirklichkeit) dieser Partei als Robin Hood?
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Und darüber macht sich ein SPD-Politiker lustig?
Mein Weinen erhält zunehmend Züge von Suizidalität …
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Auch das noch: inhaltlich falsch!
Obige Analyse dürfte hinreichend deutlich machen, warum ich den Brief von Dr. Wolfram Klaar auch ohne die Kenntnis des Artikels von Peter Groß, der das Schreiben veranlasst hat, für aussagekräftig halte. Mir kommt es bei diesem Brief nicht auf die Argumente zum Streitapfel „Alte Schule“ in Uhldingen-Mühlhofen an. Entscheidend ist meines Erachtens viel mehr, was dieser Brief zum Demokratieverständnis der ihn unterstützenden Gemeinderäte enthüllt und wie ein Gemeinderat hier mit einem kritischen Bürger Schlitten fährt.
Ergänzend sei angefügt, dass der Adressat des Klaar-Briefes inzwischen eine 16 Punkte umfassende Liste vorlegt, in der viele der von Klaar vorgebrachten Behauptungen widerlegt werden.
Hinzu kommt: Die Bürgerrechtler in Uhldingen-Mühlhofen allgemein und der hier so übel verhackstückte Journalist Peter Groß speziell legen mir eine Liste mit kommunalpolitischen Themen vor, bei denen sich in vielen Fällen nachweisen lasse, dass der SPD-Ortsverein Uhldingen-Mühlhofen die Anregungen der Kritiker um Peter Groß übernommen haben sollen. Als Beispiele genannt werden das „Alte Rathaus“ und die „Alte Schule“. Und hier dann der Beleg!
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Schlammlieferant wünscht keine Schlammschlacht
In meinem Telefonat mit Dr. Klaar am 23. Januar 2019 brachte er seinen Wunsch zum Ausdruck, unbedingt verhindern zu wollen, dass sein Brief Bestandteil einer „Schlammschlacht“ werde.
Okay, das ist nun wirklich ganz großes Kino: Erst ziehe ich einen in der Region bekannten und angesehenen Journalisten zweifach öffentlich durch den Dreck, diskreditiere ihn in jeder nur erdenklichen Weise, stelle seine psychische Gesundheit infrage, unterstelle ihm verfassungsfeindliche Umtriebe, verhöhne ihn als selbsternannten Robin Hood, der „unbedarfte Omas und Opas“ Unterschriften abpresst etc., … möchte dann aber nicht, dass das Werkzeug zu all dem „Bestandteil einer Schlammschlacht“ wird!
Immerhin: Jetzt kann ich wieder lachen!
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