Wie hier schon angekündigt, bedarf der Landkreis Sigmaringen und daselbst besonders die dortige Kommunalpolitik dringend mehr kritischer, von den Meinungsmonopolisten vor Ort unabhängiger Publizistik. Auch wenn erste zaghafte Ansätze, in diesem Fall auf dem im Landkreis Sigmaringen liegenden Ort Ostrach begrenzt, hier und hier schon zu beobachten sind.
Wir fokussieren uns zunächst auf Ostrach: Da tun sich – durchaus auch für die Satire geeignete – Abgründe auf. Etwa zwischen dem von Ostracher Bürgern kolportierten Stimmungsbild zu relevanten Bauvorhaben des Orts, wie ihn mir ein Gemeinderat vergangene Woche vermittelte, und der Tatsache, dass eine – vom der Schwäbischen Zeitung als „Bürgerinitiative“ bezeichnete, von den Aktivisten aber präferiert als „Aktionsbündnis“ zu labelnde Menschengruppe inzwischen auf der Internet-Plattform Campact 30.411 Unterschriften gegen das Vorhaben von diesen vier Ostracher Landwirtsfamilien gesammelt hat. Auch wenn die Petition weiterläuft, übergaben die Vertreter der Bürgerinitiative am 1. August 2017 die bisher gesammelten Unterschriften an die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle.
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Übrigens scheint die Nachricht zur Übergabe der Protestzeichnungen positive Wirkungen auf die Petition selbst zu haben. Denn inzwischen [Stand: 02.08.17 um 12.11 Uhr] verzeichnet die Petition schon 31.039 Unterzeichner. Es sind also über Nacht noch einmal über 600 Protestvoten dazu gekommen. Allerdings habe ich wenig Hoffnung, dass die auffallend unkommunikativen Ostracher Gemeinderäte (zu dieser provokanten These später mehr) sich davon beeindrucken lassen.
Die Schwäbische Zeitung hat tagesaktuell berichtet. Und auf RegioTV findet der Interessierte ab etwa Minute 3:0 einen kurzen Videobericht von der Übergabe. *
Neue Energien und alte Massentierhaltung
Der Artikel der SZ gibt, besonders durch die Zitation der Bürkle’schen Einlassungen, eindrücklich den anstrengenden Eiertanz zwischen geltender Rechtsprechung und Gesetzeslage auf der einen und dem offensichtlichen Wider- und Irrsinn eines nahezu steinzeitlich anmutenden Massentierhaltungsprojektes auf der anderen Seite wieder.
Auf den eigentlichen „Nachrichtenwert“, nämlich die hinter der ganzen Chose stehende relativ junge Verknüpfung des Themas „neue Energien“ mit „alten Massentierhaltungen“ geht der Beitrag nicht ein.
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Der kurze oder lange Weg von Hahnennest zum Land Baden-Württemberg
Die Parallelen zu dem aktuellen Abgasskandal und dem sensationellen, von der Deutschen Umwelthilfe erstrittenen Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, drängen sich zumindest mir laut auf. (Siehe dazu auch die spektakuläre Pressekonferenz der DUH am vergangenen Montag.) Und der Bürger sollte sich gerade bei dem Firmenkonglomerat rund um die zwei miteinander verkoppelten Hahnennester Projekte („neue Energien“ namentlich der Energiepark Hahnennest GmbH & Co. KG (EPH) auf der einen, der sogenannte „Milchpark Hahnennest“ mit dem projektierten 1000-Kühe-Stall auf der anderen Seite) nicht täuschen lassen.
Denn etwas versteckt und nicht ganz so einfach zu finden, steht hinter dem Teil des Hahnennester Gesamtprojektes, der sich sittsam mit dem glanzvollen Image „neuer Energien“ kleidet, also hinter der EPH, dahinter steht die Erdgas Südwest (als 40prozentiger Gesellschafter der hier nicht erwähnten Biomethangas Hahnennest GmbH). An der Erdgas Südwest wiederum hält der Energiekonzern EnBW 79 Prozent der Anteile. 46,7 Prozent der Anteile an der EnBW wiederum hält die NECKARPRI-Beteiligungsgesellschaft mbH, bei der nur über das Sternchen am Namen erwähnt wird, dass es sich dabei um eine 100prozentige Tochter der NECKARPRI GmbH handelt, die nun ihrerseits wiederum 100prozentige Tochter des Landes Baden-Württemberg ist.
Sind Sie noch bei mir? Ja, natürlich ist es anstrengend, sich durch so viele Firmen und Unternehmen hindurcharbeiten zu müssen, um erkennen zu können, wer alles dazu gehört. Das ist vermutlich der tiefere Sinn dieses Netzwerkes? Zur Belohnung für meine Leser deshalb für den Restweg eine kleine Erfrischung:
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Ich persönlich finde es immer wahnsinnig vertrauenserweckend, wenn sich um irgendwelche Projekt herum die Unternehmen und Firmen nachgerade ballen. Das ist beim „Hahnennest“ der Fall; bisher konnte ich sieben Unternehmen recherchieren. Berichterstattung folgt.
Es entspricht sicherlich der immer wieder und überall geforderten Transparenz, wenn es eines Riesenaufwands an Recherche bedarf, um diese Firmen und ihre Beteiligungen überhaupt erst ausfindig zu machen. Das macht natürlich jeder interessierte Bürger ganz von allein und selbst und braucht dazu schon deshalb den Südkurier und die Schwäbische Zeitung nicht, weil die solches gar nicht leisten – ob nicht können oder wollen sei dahingestellt. Die relevante Biomethangas Hahnennest GmbH etwa wird auf der Webseite der Energiepark Hahnennest Gmbh & Co. KG gar nicht erst erwähnt. Mit der renommiert nur Erdgas Südwest selbst. Und auf der bequemen (und kostengünstigen) Grundlage der entsprechenden Pressemitteilung wurde diese Info dann auch von der Schwäbischen weitergegeben.
Vielleicht hat deshalb – wegen dem kurzen oder langen Weg von Hahnennest zum Land Baden-Württemberg – der von Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle bei der Protestnoten-Übergabe verbal aufgezogene Eiertanz zwischen Regelkonformität à la „Kannste-nix-machen“ und offensichtlichem Irr- und Widersinn dieses Projektes doch andere Gründe? Unzulässig verkürzt und satirisch überhöht ließe sich das mit multiplen Grauen behaftete und im gruseligen Entstehen befindliche Gesamtszenario in Ostrach Hahnennest auch als ein Projekt bezeichnen, an dem das Land Baden-Württemberg selbst beteiligt ist. Also weniger „bäuerliche Landwirtschaft“ als bisher zu denken dem unbeteiligten Betrachter durch manipulative Wortwahl und nicht ganz so umfassende Berichterstattung der Weg geebnet wurde?
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Ostrach als Hotspot der Massentierhaltung in Baden-Württemberg?
Tja, man weiß es nicht, gell! Aber wenn die Deutsche Umwelthilfe dieses durchaus interessante Thema – Kritiker bezeichnen die Vorgänge in Ostrach-Hahnennest als „Präzedenzfall“ – aufgreifen möchte, findet sie in mir einen Ansprechpartner mit inzwischen doch unbescheidenen Rechercheergebnissen.
Es könnte auch durchaus sein, dass sich Ostrach recht zügig und in der Bugwelle angeblicher „neuer Energien“ zum Hotspot der Massentierhaltung in Baden-Württemberg entwickelt. Vielversprechende erste Ansätze sind da schon vorhanden:
# 1000-Kühe-Stall-Initiator Familie Simon und Georg Rauch halten nach eigenen Angaben jetzt schon 1800 Mastschweine.
# 1000-Kühe-Stall-Initiator Thomas Metzler hält nach eigenen Angaben jetzt schon 2.400 „Tiere“.
# Der landwirtschaftliche Betrieb König KG hält nach eigenen Angaben jetzt schon 1.980 Schweine. (Quelle)
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Etiketten-Schwindel, wohin das Auge schaut
Die oben genannten, Alpträume verursachenden Massen von Tieren sind alle „Substratlieferanten“ für die Agrogras-Anlage Energiepark Hahnennest GmbH, die – da kommen Sie nie drauf! – von eben diesen gerade genannten Landwirtsfamilien gebaut und betrieben wird. Die Landwirte selbst, die Gemeinde Ostrach und die beiden Monopolzeitungen vor Ort bezeichnen zur ideologischen Verwirrung der Bürger die De-facto-Agrogas-Anlage nach wie vor als „Biogas-Anlage“. Hallo, jemand zuhause? Hahnennest hat mit „Bio“ so viel zu tun wie 1.800 konventionell gehaltene Mastschweine mit der Zukunft der Landwirtschaft. Es ist das Verdienst der BUND-Mitstreiterin Annemarie Waibel, die hier sich Verlautbarende auf dieses manipulative Neusprech hingewiesen zu haben.
Aber der Etikettenschwindel geht noch viel weiter. Achten Sie darauf, wie oft den Bürgern und Verbrauchern im gegebenen Kontext eingeredet wird, in einer Nicht-Bio-Gasanlage würden „Abfallprodukte“ zu Energie gewandelt. ABFALLPRODUKTE? Sicher nicht! Wer über den Anbau entsprechender Pflanzen massenweise Boden bepflastert, um eine Von-Bio-aber-so-was-von-meilenweit-entfernt-Gasanlage beschicken zu können, verwertet keine „Abfallprodukte“. Das hat auch die Politik inzwischen geschnallt und die Förderungsrichtlinien mit der Novellierung des EEG-Gesetzes geändert. Und das „Image“ von „Biogas-Anlagen“ hat inzwischen ebenfalls und nicht zuletzt deswegen schwer gelitten (hier schon 2015 und hier 2016).
Neuester „Renner“ und ebenfalls mit zu hinterfragenden Etiketten versehene Energiepflanze ist dabei die – eigentlich – „durchwachsene Silphie“, die vom Hahnennester Landwirt Thomas Metzler als „Donau-Silphie“ etikettiert und mithin patriiert wurde. Möglicherweise soll die Etikettierung mit dem heimatlichen Gewässernamen „Donau“ vergessen machen, dass diese Pflanze aus Nordamerika kommt. Langzeitstudien von unabhängigen Ökologie-Experten zur Auswirkung dieser Pflanze auf das heimische Ökosystem liegen wohl noch nicht vor; zumindest habe ich dazu nichts gefunden, was natürlich an mir liegen kann. Behauptet und gelobt wird der Segen der Silphie für Bienen. Auf diesen wissenschaftlich möglicherweise bisher noch gar nicht belegten „Vorteil“ stürzen sich etwa auch die Technischen Werke Schussental als Partner der EPH.
„Toll!“ würden da vielleicht die Satiriker von frontal21 kommentieren und auch grafisch unterhaltsam darstellen, wie tief der moralische Abgrund zwischen einer ach so umweltfreundlichen Ich-gebe-mir-mal-Heimatflair-im-Namen-Pflanze aus Nordamerika und den bekannten Begleiterscheinungen und ethischen Lasten massenhafter Massentierhaltung.
Einen zur meditativen Versenkung einladenden Stummfilm (!?) zur bisher noch als reine Wunderpflanze gehandelten Silphie hier:
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Wer den Stummfilm-Zeiten entwachsen ist, bekommt es leicht professioneller vom Bayerischen Rundfunk hier:
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Das katastrophale Image der Massentierhaltung haftet auch an den EPH-Geschäftspartnern
Die einschlägigen Geschäftspartner des weit verzweigten Unternehmensnetz‘ rund um das Ostracher Hahnennest können sich allerdings nicht in der dem Wild Deckung gebenden Silphie verstecken. Da die in Gas gewandelten Substrate der Hahnennester Agrogas-Anlage eben auch, wenn auch nicht nur, aus den diversen, von den nämlichen Unternehmern betriebenen Massentierhaltungsbetrieben stammen, werden sich sowohl die Erdgas Südwest wie die Technischen Werke Schussental (TWS) und andere Geschäftspartner der EPH dazu positionieren müssen.
Letztgenannte haben das gegenüber dieser Redaktion auch schon getan; die Stellungnahme der TWS wird zeitnah auf diesem Blog veröffentlicht.
Und, Freunde: Da kommt noch viel mehr!
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HInfo8: Mehr als 30.000 Unterschriften gegen den Mega-Kuhstall in Ostrach
Sehr guter Einstieg in die Welt der wirtschaftlichen Verflechtungen, auch wenn es vordergründig um eine Massentieranlage geht. Aber man sollte immer auch dahinter schauen, denn der Schein trügt oft.
Das was ich jetzt schon gelesen habe, bestätigt meine Vermutung, bzw. zeigt auch ganz klar, dass das hier ist keine Landwirtschaft mehr sein wird, sondern eine Agrar-Fabrik und die Betreiber finden sich im Dunst der Industrie hierin geborgen und machen mit.
Das alles auf Kosten von Lebewesen.
Wie perfide ist das denn!