SaSe25: „Nuhr im Ersten“ bewirbt rassistischen Rottweiler Hassblog – Nuhr und rbb entschuldigen sich

[Aktualisierung vom 07.06.15 betr. Absatz Quellenprüfung]

Der Kabarettist Dieter Nuhr räumt einen (redaktionellen) Fehler ein? So zumindest gibt es die Neue Rottweiler Zeitung (NRWZ) in ihrem Artikel  Dieter Nuhr fassungslos über Fehler: rbb nimmt Folge mit Rottweiler Hetzblog aus dem Netz an. 

Der Artikel beginnt mit einer ganz bemerkenswerten Feststellung:

Dieter Nuhr ist Pegidakritiker. Der Kabarettist wendet sich bei seinen Auftritten gegen Islamhasser und Rassisten. In der neuesten Folge der ARD-Sendung "Nuhr im Ersten" aber scheint er sich das Gedankengut eines seiner Gegner gedankenlos zueigen gemacht zu haben – mittels Einblendung eines Hetzblogs. Passiert ist das am Donnerstagabend vor 1,7 Millionen Fernsehzuschauern mitten im Ersten. Ein unverzeihlicher Fehler, wie der Kabarettist gegenüber der NRWZ versichert. 
(NRWZ 05.06.15: "Dieter Nuhr ist fassungslos über Fehler. Rbb nimmt Folge mit Rottweiler Hetzblog aus dem Netz"; Hervorhebg. von SaSe).

 

Wie kann so etwas passieren?
Es ist fast nicht zu glauben, welcher Fehler der Redaktion der ARD-Kabarettsendung da unterlaufen sein soll. In der Sendung Nuhr im Ersten vom 4. Juni 2015 zeigte Dieter Nuhr zum Beleg für seine Häme gegen Natur- und Tierschützer per Einblendung den Screenshot eines Rottweiler Hetz- und Hassblogs, der für seine homophoben und ausländerfeindlichen Parolen bekannt ist. Unter der wegen des anonymen Betreibers juristisch bisher nicht zu ahnenden Hetze dort haben insbesondere die Journalisten der Region massiv zu leiden.
Die NWRZ stellt den in der ARD verwendeten Screenshot des Blogs mit den mutmaßlich strafbaren Inhalten in ihrem Artikel detailliert in den Äußerungszusammenhang von Nuhr. Die Aufzeichnung der Sendung in der ARD-Mediathek ist derzeit und wohl wegen dieses Fehlers nicht verfügbar.

Gegen den anonymen  Blogbetreiber seien schon mehrere Strafanzeigen gestellt worden. Die Behörden ermitteln seit geraumter Zeit gegen den Betreiber. Der Schaden für die Stadt Rottweil durch diesen seit 2007 aus dem Ausland betriebenen Blog sei groß. Deshalb richteten sich dort bisher alle Hoffnungen darauf, dass möglichst wenig Internetuser von dieser Hass-Seite erfahren. Und dann zeige Dieter Nuhr sie per Screenshot einem Fernsehpublikum von knapp 1,7 Millionen! In Rottweil sieht man das so:

Auf den ersten Blick sieht das so aus: Der Rottweiler Hassblogger hat Nuhr eine Steilvorlage für sein TV-Programm geliefert. Nichts anderes. Wenigstens für diesen Fall gilt: Beide ticken gleich.
Der Rottweiler Beitrag über "Öko-Vollpfosten und wirre Naturschutz-Idioten" unterstützt visuell Nuhrs Kabaretteinlage. Aber nicht etwa dergestalt, dass Nuhr sich lustig machte über die harsche Kritik aus Rottweil. Nein: Dank Nuhrs Sendung liegt der Hass-Blogger im ARD-Abendprogramm als seriöse Quelle auf einer Ebene mit Qualitätsmedien. Das wird den anonymen Blogger freuen. Und ihn ermuntern, weiter zu machen. Vor einem vergrößerten Publikum. Dank Nuhr.
(ibid; Hervorhebung wie im Original)

Die NRWZ hatte auch versucht, Dieter Nuhr für eine Stellungnahme zu erreichen. Nach einigen Schwierigkeiten wegen des Brückentages habe dieser persönlich zurückgerufen:

Am Mittag dann ist Dieter Nuhr persönlich auf dem Redaktionsanrufbeantworter der NRWZ und in der E-Mailbox des Redakteurs. Und geht gleich ans Handy, als dieser zurückruft. Nuhr zur NRWZ: "Ich bin fassungslos über diese Panne. Ich bin kein Islamkritiker, kein Ausländerfeind. Ich bin in der linken Szene sozialisiert. Mir liegt nichts ferner, als einem rechten Vollidioten ein Forum zu bieten."
Kabarettist Dieter Nuhr bittet um Entschuldigung für den Fehler – der nicht auf seinem Mist gewachsen sei. Ein Mitarbeiter der Sendung habe den Screenshot eingeblendet.

(ibid.; hervorhebungen wie im Original)


Dieter Nuhr entschuldigt sich (nur in Rottweil?)
Was Nuhr in der NRWZ zum Abdruck bringt, klingt überzeugend:

Ich weiß, es ist eigentlich nicht entschuldbar, dass so etwas passiert. Ich kann an dieser Stelle als Entschuldigung nur vorbringen, dass wir in der Vorbereitung einer solchen Sendung sehr in Hektik sind und manchmal am Tag der Sendung zwischen den Proben in großer Eile arbeiten. Dabei müssen alle Beteiligten übersehen haben, dass hier eine falsche Grafik, nämlich nicht die einer seriösen Tageszeitung, in diesem Fall der Stuttgarter Zeitung, aus der ich die Fakten entnommen habe, sondern der Blog eines rechten Hetzers eingeblendet worden ist.
Ich bin darüber vollkommen entsetzt und hätte nicht gedacht, dass so eine unglaubliche Nachlässigkeit bei der Organisation unserer Sendung passieren kann. Ich habe eben in einem Telefonat mit dem Sender dezidiert darauf hingewiesen, dass Nachlässigkeiten von Mitarbeitern nicht zu solchen Ergebnissen führen können und das so etwas in Zukunft keinesfalls wieder passieren darf!

(ibid.)

Der Journalist Michael Würz, der besagten Hassblog seit Jahren beobachtet, retourniert auf seinem Blog eine der bekannten arroganten Äußerungen Nuhrs an dessen Absender: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten!“ Nuhr habe einen anonymen Blogger,

[…] der seit Jahren das Internet mit ausländerfeindlichen und homophoben Parolen vollschreibt, der gegen Journalisten samt derer Familien hetzt, wenn sie nicht Udo Ulfkotte sind, der an seinem virtuellen Stammtisch über Menschen herzieht, die er alle für kriminell hält, also: „Neger“ und „Zigeuner“?
(Michael Würz: Wenn man eine Ahnung hat einfach mal die Fresse halten)

… bundesweit bekannt gemacht!

Nuhr habe sich dann auch in einem Gespräch mit Michael Würz entschuldigt, wie dieser seinen Beitrag aktualisiert:

Nachtrag, Freitag, 15 Uhr: Dieter Nuhr sagt gegenüber diesem Blog: „Dass ich diesem Vollidioten eine Plattform gegeben habe, ist eine Katastrophe und das Gegenteil dessen, was ich mit meiner Arbeit bewirken möchte.“
(ibid.)


Keine Silbe auf Facebook, kann aber sinnvoll sein?
Wie ernst ist diese Entschuldigung zu nehmen? Auf seinem Facebook-Account jedenfalls verströmt Dieter Nuhr zu dem brisanten Fauxpas keinen Hauch. Der letzte Eintrag dort (bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels) stammt zwar ebenfalls von gestern, attackiert aber die CDU-Politikerin Frau Kramp-Karrenbauer („Frau Krampf-Kappeshauer“) mutmaßlich wegen ihrer Äußerungen zur Homo-Ehe (hier und hier).


Bildzitat Screenshot Facebook Dieter Nuhr


Auf der anderen Seite ist durchaus denkbar, dass Nuhr den Schaden begrenzen möchte. Auf Facebook hat er über 450.000 Likes. Wenn er den kapitalen Fehler dort thematisiert, erhält auch automatisch der Hassblog entsprechende Aufmerksamkeit. Allerding  wird der von Google so hoch gerankt, dass der Einwand nach Meinung dieser Redaktion als nachrangig zu bewerten ist.


Volker Pispers: "Der humoristische Arm der Pegida-Bewegung"
In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal darauf verwiesen, dass Dieter Nuhr auf seinem Facebook-Account äußerst fragwürdige Postings duldet, wie im Artikel SaSe20 mit Screenshots belegt wurde. Seine Aktionen werden darüber hinaus inzwischen von dem islamfeindlichen Internetportal  Politically Incorrect bejubelt (ebenfalls in SaSe20 belegt). Hinweis und Link auf PI stehen auch heute noch (06.06.15 / 12.01 h) auf Nuhrs Facebook-Account und wurden nicht gelöscht.


Ausschnitt aus Bildzitat Screenshot von Facebook Dieter Nuhr am 06.06.2015 / 12.06 Uhr:
Seit Wochen unbeanstandet bleibt der Link auf PI-news stehen!


Seine Kabarett-Kollegen, namentlich Volker Pispers, bezeichnen Dieter Nuhr öffentlich als „den humoristischen Arm der Pegida-Bewegung“ (hier).

Google zeigt sich momentan zum Suchauftrag „Dieter Nuhr Rottweiler Hetzblog“ noch etwas ratlos und wirft außer den Treffern auf den Blog, der selbstverständlich schon mit Nuhr renommiert,  nur die Berichterstattung der NRWZ aus.


Kabarettisten häufiger mit Quellenprüfung überfordert?
Um im süddeutschen Idiom zu bleiben: Für diese Redaktion hat der „Fehler“ der Nuhr-im-Ersten-Redaktion ein ganz besonderes "G’schmäckle“. Nuhr erklärt, dass die Verwendung des genannten Screenshots ein Versehen gewesen sei. In den letzten Wochen aber hat diese Redaktion zweimal im Kontakt mit Kabarettisten erlebt, dass man dort offensichtlich nicht zur Evaluierung von Quellen in der Lage ist. Der eine Fall betrifft die Kabarettistenvereinigung Denkfunk (siehe Artikelserie hier); der andere die Satirepartei DIE PARTEI. In beiden Fällen entblödeten sich Verantwortliche dort nicht, mit Informationen aus erkennbar unseriösen, teilweise dem Rechtsextremismus zugehörigen und vom Ausland aus betriebenen Webseiten zu argumentieren. Angesichts der Tatsache, dass das Kabarett berechtigterweise auch Medienkritik übt: bedenklich!
 

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