Tag Archiv:Nuhr im Ersten

SaSe96: Rezension Hazel Brugger „Ich bin so hübsch“: Eine reibungsstarke Sicht von Welt und 34 leere Seiten

Die Karriere der sehr jungen Schweizer Poetry-Slammerin, Satirikerin und Kabarettistin Hazel Brugger ist auffallend steil. Den an dieser Stelle gern genommene Vergleich mit dem Kometen verbiete ich mir eingedenk des zur Selbstauflösung neigenden Schicksals dieses Himmelskörpers –  und zwar nach dem bewunderten Höhepunkt.

Steil: Ich stehe nicht an, Wiki nachzuerzählen. Dennoch: Nach sicherlich das überschaubare weil Schweizer Inland beeindruckenden Erfolgen als Poetry-Slamerin (2013: Meister(in)titel), Kolumnistin (für: Das Magazin, Hochpaterre, Tageswoche) griff die düster gewandete Mimiksteinerne in die Bundesrepublik über. Mit fulminantem Erfolg: Auftritte bei Dieter Nuhr (sowohl in dem zur puren Comedy herabgewirtschafteten früheren Satire-Gipfel Nuhr im Ersten als auch bei der nervigen weil hüftsteif auf jung getrimmten Nachwuchssendung Nuhr ab 18) und im April 2016 ein Auftritt in der völlig überschätzten ZDF-Kabarett-Sendung Die Anstalt – ein Karriereschub, von dem Kolleginnen und Kollegen jahrelang und erschütternd vergeblich träumen! (Es soll Kabarettisten geben, die nur deshalb Autor bei diesem dubiosen Denkfunk werden, weil sie sich dadurch einen Auftritt in der Sendung erhoffen.) Seit kurzem ist Brugger auch häufiger als Außenreporterin in der heute-show zu sehen.

Und das alles mit 23 Jahren. Viel kann fast nicht mehr kommen? Noch ein paar dieser nichtssagenden Kabarettpreise, den Prix Pantheon vielleicht, ein Grimme-Preis und eine eigene Sendung.
Als wenn das nichts wäre!

Und nun das erste Buch: Ich bin so hübsch, erschienen bei Kein & Aber, der Verlag mit dem farbigen Buchschnitt (im Falle Brugger: türkis-lindgrün oder so).

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SaSe96RezensionBruggerHazelBuchCover*

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Mühe-los und selbstreferentiell
Achten wir auf unsere Worte, denn es wäre schon nicht ganz korrekt zu behaupten, Brugger habe dieses Buch geschrieben; also geschrieben, um ein Buch zu schreiben. Natürlich hat sie die Texte darin verfasst, aber rein arbeitstechnisch ist Ich bin so hübsch nur der zweite Aufguss, was der Verlag in kleinem Schriftgrad über dem Impressum auch einräumt: Weiterlesen

TS37/16: Das Ringen der Satire mit dem AfD-Phänomen

+++ Hazel Brugger für die „heute-show“ verpflichtet
Die Schweizer Medien freuen sich ganz besonders über diesen bedeutsamen Karriereschritt ihrer bemerkenswerten Nachwuchskabarettistin Hazel Brugger (hier und hier). Die hatte ihre ersten großen Fernsehauftritte in Deutschland unter den vom Altmänner-Muff verkleisterten Fittichen von Dieter Nuhr (Nuhr ab 18 und Nuhr im Ersten). Jetzt wurde die staubtrockene Schweizer Zynikerin  für die heute-show verpflichtet. Sie wird für die (vielfach kritisierten) Außeninterviews der populären ZDF-Satiresendung eingesetzt. Hazel Bruggers erster Auftritt in der Sendung vom 18. März 2016 (ab Videolaufmeter 13:36) erfolgte auf einer AfD-Wahlparty in Sachsen.

By the way: Christine Prayon alias Birte Schneider setzt in einem Einspieler der Sendung vom 18.03.16 an der Seite von Oliver Welke die Inhalte des gerade erst geleakten Programm-Entwurfs (!) der AfD sehr eindrücklich in Szene – im schwäbischen Mundart-Original! Prayons schauspielerisches Können macht die Mittelstand-Begeisterung über den Retro-Kurs der Rechtspopulisten authentisch – im Gänsehaut-Format! Weiterlesen

TS34/16: „Fifty Shades of Traudl“ und andere Schattierungen von Perversion

+++ Wirbelsorgende Putin-Persiflage
Am meisten freut mich, dass dieser sensationelle Erfolg einem (bisher) eher unbekannten Künstler zufällt: dem slowenischen Komiker Klemen Slakonja. Der hat eine Video-Persiflage über Putin produziert, welche die HuffPo mit der Headline Diese Putin-Satire sorgt gerade für richtig Wirbel bewirbt. In Slowenien habe der Clip schon mehr Zugriffe produziert, als das Land Einwohner hat. Eine Textzeile des Songs bietet an: „You want my gas? Well you can kiss my ass!“ Auf YouTube steht der Zugriffszähler auf über drei Millionen. Der stern weiß auch etwas und veröffentlicht den gesamten Songtext.

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TS153/15: Terror-Auge + Kryptik + „Datteltäter“

+++ „WELT“: „Das deutsche Kabarett ist auf dem Terror-Auge blind“
Stimmt: Die Mehrheit der deutschen Kabarettisten schweigt zum Terror der Islamisten. Aus politisch bündig passender Springer-Perspektive beleuchtet Die Welt das Versagen deutschen Kabaretts angesichts der aktuellen Herausforderungen. Die Satirezunft sei auf dem falschen Fuß erwischt. Der Autor Reinhard Mohr nimmt insbesondere die heute-show und die letzte Anstalt-Sendung ins Visier. Dort stört (auch) ihn die „schamlose Instrumentalisierung“ der „im linken Bauerntheater“ aufgetretenen Holocaust-Überlebenden. Die Sendung sei „Agitprop-Kabarett“, linientreu und vorhersehbar, ein „maßgeschneidertes Convenience-Produkt für Besserfühlende“, ein „Wellness-Bad der moralischen Selbstgewissheit“.
Damit paraphrasiert Mohr die SaSe-Kritik der narzisstisch vor sich hergetragenen moralischen Vorzüglichkeit der Denkfunk-Kabarettisten, zu denen auch die Macher von Die Anstalt zu zählen sind. Der Artikel lässt sich als kabarettistischer Gegenentwurf lesen. Der findet seine Alternativen dann bei Andreas Rebers, (natürlich) Dieter Nuhr, Horst Schroth und Gerd Dudenhöffer.

Senf: Der Welt-Artikel erschien am 2. Dezember 2015. Am 3. Dezember 2015 dann folgte Nuhr im Ersten mit Dieter Nuhr, Andreas Rebers, Ingo Appelt, Torsten Sträter und – ACHTUNG: – Sebastian Pufpaff, die alle sehr ausführlich das Terror-Thema behandelten und dabei auch berechtigte Fragen stellten. Fragen, die satirisch gewandet schon Der Postillon aufgeworfen hatte.
Am Tag danach erschien auf dem AfD-nahen Internetblog FreieWelt.net ein Artikel, in dem Dieter Nuhr und Andreas Rebers scharfkantige Kritik an ihren Kabarettisten-Kollegen üben. Der Artikel verharmlost auch Nazis, die keine Bedrohung für Demokratie und Rechtsstaat seien. Dieser Artikel wird in SaS70 besprochen. Weiterlesen

TS138/15: „Satoon“ + Faschismus funzt + „El Club“ + ARD-Satire + Syrer-Fake

+++ „Satoon“ – Konkurrenz für „Titanic“?
Die Mischung soll „ungewöhnlich“ sein, die von Cartoon, Comics und Satire. Damit tritt ein neues Satiremagazin an den Start: Satoon. In der Holzklasse! Erstauflage: 50.000 Exemplare. Geburtsdatum: 7. November 2015. 3,50 Euro kostet der Spaß, der dann aber auch ca. 92 Seiten bietet. Satoon-„Kopf“: Thomas Völcker, der nach Medienmilch-Berichterstattung auf sage und schreibe 18 Zeichner und Autoren zurückgreifen könne. Das erste Cover ist schon verfügbar und turnt ab durch Amazon-, Netflix- und Co-Werbung eben dort!
Die verlagseigene Pressemitteilung tönt leicht megalomanisch: Die Zeitschriftenregale seien „enthumorisiert“. Müssen sich das Titanic und Eulenspiegel wirklich ins Stammbuch schreiben lassen? Das neue Satiremagazin (dagegen?) stelle komische Unterhaltung und sachliche Information nebeneinander. Potzblitz und Regenwurm! Dabei komme den Cartoons tragende Bedeutung zu. Das klingt aber spannend, klingtesnicht?
Der Sammelankündigung in WUV zu den insgesamt drei Printneustarts diese Woche ist dann noch die Herausgeber-Verlautbarung zu entnehmen, dass dieses Land Humor bitter nötig habe. Hammer! Auch die Finanznachrichten nehmen sich der Neuerscheinung an.
Ob dieser Internetauftritt zu dem bisher leider nach Wiederbelebung eingeschlafener Satirefüße klingenden „Innovation“ gehört, lässt sich deshalb nicht sicher sagen, weil zumindest ich dort kein Impressum finde. Weiterlesen

TS123/15: Nachfolger + Störer + Mediatorin + Erklärbär + Truther

+++ US-Satiresendungen: Die nächste Riege übernimmt
Neues Deutschland beschäftigt sich mit den Nachfolgern in den großen US-Satiresendungen. Das ist zum einen der gebürtige Südafrikaner Trevor Noah in der Nachfolge des nahezu legendären Jon Stewart für die Daily Show. Schon Anfang September trat Stephen Colbert die Nachfolge von David Letterman in der Late Show an. Weitere Hintergründe, Charakteristika, Herausforderungen und Erwartungen hier.


+++ Muslimische Petition zur Abschaffung des Oktoberfestes – Satire?
Unter der Überschrift Was diese Muslime vom Oktoberfest fordern, ist hoffentlich Satire? setzt sich die Huffington Post mit einer Petition auf Change.org auseinander, die für Wirbel sorgt: Ein mit „Morad Almuradi“ zeichnender Verfasser hatte dort die Abschaffung des Müncher Oktoberfestes gefordert mit der Begründung, es sei eine intolerante und anti-muslimische Veranstaltung. Die HuffPo versucht Indizien dafür zu finden, dass es sich bei der Petition um Satire handelt. Die Initiative selbst fand nur 474 Unterstützer und wurde auch schon beendet. Inzwischen ist das Thema auch beim Focus angekommen! Weiterlesen

SaSe47: „Deutsche Salongutmenschen Union“: Dieter Nuhr wird von rechts geleimt und die Presse applaudiert!

Trotz umfassender Berichterstattung über den neuen Ärger rund um Dieter Nuhr war es nicht ganz einfach, den Hergang der Geschichte korrekt und mit den notwendigen Quellen versehen zu recherchieren. Danke an dieser Stelle an den stern, der als einziger eine mit Quellen versehene und damit nachvollziehbare Berichterstattung geliefert hat.

Das neue tolle Stück rund um den ohnehin umstrittenen Komiker hier Schritt für Schritt


Absage Auftrittstermin Dieter Nuhr in Gelsenkirchen

Angefangen hatte alles mit der Absage eines Auftrittstermins von Dieter Nuhr am 2. Oktober in der Escher-Lippe-Halle in Gelsenkirchen. Die Vorstellung muss ausfallen, weil das Gebäude als Asylunterkunft genutzt wird (Berichterstattung Der Westen).

Diese Absage hatte der Komiker Dieter Nuhr auch auf Facebook und ohne weitergehende Kommentierung bekannt gegeben. Das ist völlig okay und ihm nicht vorzuwerfen. Schließlich will er seine Fans informieren. Weiterlesen

SaSe25: „Nuhr im Ersten“ bewirbt rassistischen Rottweiler Hassblog – Nuhr und rbb entschuldigen sich

[Aktualisierung vom 07.06.15 betr. Absatz Quellenprüfung]

Der Kabarettist Dieter Nuhr räumt einen (redaktionellen) Fehler ein? So zumindest gibt es die Neue Rottweiler Zeitung (NRWZ) in ihrem Artikel  Dieter Nuhr fassungslos über Fehler: rbb nimmt Folge mit Rottweiler Hetzblog aus dem Netz an.  Weiterlesen

SüS3: „Nuhr im Ersten“ 14.05.2015: Geriatriefachverbände zittern vor Begeisterung

[Satire]

Die neueste Sendung des zu Nuhr im Ersten verkommenen Kabaretts der ARD am Vatertag 2015 (hier in der Mediathek) mit der Altherren-Riege Dieter Nuhr (*1960), Ingo Appelt (*1967), Michael Mittermeier (*1966), Torsten Sträter (*1966) und Andreas Rebers (*1958) geht in die Geschichte des deutschen Fernsehkabaretts unter dem Label  „Geriatrischer Overkill“ ein. Gleich drei entsprechende Fachverbände loben die Sendung in exklusiv nur dieser Redaktion vorliegenden Pressemitteilungen tremorgeschüttelt über den grünen Klee: der Förderverein staatstragendes Kabarett (FösK; querfinanziert von der FDP), der Mumifizierungsfachverband alte Witzsäcke (MaW) sowie die Ständige Konferenz satirische Besitzstandwahrung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (StäKosatBw örF).  Weiterlesen

TS39/15: Dieter Hallervorden + „Satire-Zipfel“ + PEN-Preis Charlie Hebdo + PENG leimt Vattenfall

+++ "Nazi-Spruch" bei Preisverleihung: Hallervordens Ironie missverstanden
Das ging irgendwie schief? Der Schauspieler und Komiker Dieter Hallervorden hatte bei der Verleihung des Romy-Filmpreises in Wien den flotten Spruch rausgekloppt: „Ich führe die österreichische Romy morgen heim ins Reich“. Der „missglückte Scherz“ (gmx.at) hatte zu einer Debatte geführt. Zu der nahm Hallervorden jetzt Stellung: Er habe die Äußerung als Satire angekündigt und er habe niemanden beleidigen wollen. Auf Facebook, so die Meldung weiter, erfahre Hallervorden überwiegend Unterstützung.
 

+++ Dieter Nuhrs Satire-Zipfel
„Wer Dieter Nuhr zuhört, braucht keine Bild-Zeitung mehr zu lesen." Nein, das ist keine Paraphrase zu SaSe12, sehr wohl aber noch einmal eine TV-Kritik eines Blog-Community-Mitglieds zur ARD-Kabarettsendung Nuhr im Ersten vom 16. April 2015 auf Der Freitag.
 

+++ Ärger um PEN-Preis für "Charlie Hebdo"
Die französische Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo soll bei der Preisgala in Amerika am 5. Mai 2015 mit dem PEN-Preis für Mut und Meinungsfreiheit ausgezeichnet werden. Dagegen regt sich jetzt prominenter Widerstand: Die österreichische Kleine Zeitung berichtet, dass bisher sechs Schriftsteller deshalb ihre Teilnahme an der Verleihung abgesagt hätten. Die Affäre sorge in den USA für Ärger. Die Absager begründeten ihren Protest mit Verweis auf „kulturelle Intoleranz“ der Charlie-Hebdo-Macher. Die Absage werde von PEN-Verantwortlichen scharf kritisiert.
Die taz greift in ihrer Berichterstattung auch die (nicht nur) in den USA nicht abreißende Diskussion über die malträtierten Grenzen der Satire auf, die dort angesichts der Historie des Landes sehr spezifisch ausfällt.
 

+++ "PENG Collective" leimt Vattenfall und lokale Medien
Erneut inszeniert das Künstler-Kollektiv PENG (hier auf Facebook) eine erfolgreiche satirische Aktion. Erst im Februar dieses Jahres hatten die Kreativköpfe dort einen spektakulären Auftritt bei AstroTV (vgl. auch SüS1).  Das Medienmagazin ZAPP berichtete gestern über den neuesten Coup (in der Rubrik „Durchgezappt“, 1. Beitrag):   Dieses Mal war der Energieversorger Vattenfall an der Reihe, dessen Firmenpolitik insbesondere Arbeitnehmer in der Lausitz auf die Barrikaden treibt. PENG veröffentlichte am 24. April 2015 eine angebliche Pressemitteilung des schwedischen Konzerns mit dem süßen Versprechen „Responsibility Initiative“. In einem dazugehörigen Video wird angekündigt, die Lausitz zur nachhaltigsten Energieregion Deutschlands machen zu wollen.
Mit Schauspielern und einigen eingeweihten Journalisten enterte PENG darüber hinaus das Foyer von Vattenfall  und gab dort eine gefakte Pressekonferenz. Der Erfolg für die satirische Aktion kam prompt: Einige lokale Medien meldeten freudig die (angebliche) Neuigkeit. Von denjenigen, die auf den Fake hereingefallen waren, stand nur der rbb zu seinen Versagen und machte die Falschmeldung transparent. Auch der Blog Metronaut greift den Coup auf.
Die taz berichtete ebenfalls über die Pressekonferenz – allerdings in Kenntnis des satirischen Hintergrundes. Der Artikel vermeldet auch den maximalen Wirkungsnachweis, den Systemkritik und Satire überhaupt erreichen können: Vattenfall prüfe rechtliche Schritte gegen die Künstler! Chapeau, dann hat es richtig weh getan!


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