SatBur23: Persiflage Bettelbrief Bürgermeister Manfred Härle ans Salemer Gewerbe: Sie bezahlen – ich wahlkämpfe!

SATIRE

Südgeschmier Sonderausgabe „Salem erleben 2020“

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Sehr geehrte Gewerbetreibende in Salem,

in über die vergangenen Jahre tatsächlich sehr bewährter „enger Zusammenarbeit“ zwischen der Gemeinde Salem und dem Südgeschmier Medienhaus erscheint am 28. Juli 2020 eine Sonderbeilage mit dem einschläfernden Titel „Salem erleben 2020 [sic].

Weil ich ohnehin immer schlampig arbeite, wundern Sie sich natürlich nicht darüber, dass die den Titel abschließenden Anführungszeichen im vorherigen Satz fehlen. Die fehlen dort ebenso wie bei den CDU-Gemeinderäten die Erinnerung an den Gemeinderatsbeschluss zur Kostendeckelung für das Projekt „Neue Mitte mit Rathaus“ blaumacht. Solche Beschlüsse sind schließlich auch nicht dazu da, dass sich die Verwaltung daran hält. Gerade in Salem gehören sie eher zu dem von mir mit überzeugender Nachhaltigkeit seit (viel zu) vielen Jahren inszenierten Demokratie-Mimikry.

Salemer Gemeinderäte und „Erinnerung“ ist ohnehin eine toxische Kombi. Man denke nur an das in Trümmern liegende Kurzzeitgedächtnis der CDU-Gemeinderätin Ursula Hefler, die – abhängig vom Fragenden und Fragezeitpunkt – unterschiedliche Angaben dazu macht, ob, nicht oder was sie zu einer Anführungszeichen-CDU-Pressemitteilung unklarer Herkunft weiß.

Wenn ich mich heute so schamlos an den Geldbeutel der Gewerbetreibenden in Salem heranwanze, geschieht das ausschließlich in meinem ureigenen Interesse. Deshalb muss ich meiner Zielgruppe leider die Story vom blauen Gaul erzählen, um das zuvorderst für den Südgeschmier und mich lukrative Geschäft unter Dach und Fach zu bringen. Deshalb bezeichne ich ein hundsordinäres sogenanntes Zeitungskollektiv (Begriffserklärung und Beispiel) als „Sonderausgabe in hochwertiger Aufmachung und Gestaltung“, das den Gewerbetreibenden in Salem „die Möglichkeit bietet, Ihre Produkte und Dienstleistungen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen“.

Hamma jelacht!

Bei einer Auflagenzahl von 18.500 Exemplaren (Angabe gemäß Info-Beilage des Verlages) von „breiter Öffentlichkeit“ zu schreiben ist ungefähr so unverschämt wie eine Sonnenkönig-Eilentscheidung in Corona-Zeiten am Gemeinderat vorbei über 3,4 Millionen Euro für mein persönliches Prestige-Objekt „Neue Mitte mit Rathaus“.

Aber nein, ich schäme mich nicht, den Gewerbetreibenden in Salem Werbeoptionen zu Unkosten von sagenhaften 1.120 Euro für eine halbe Seite Anzeige oder auch nicht unbescheidene 560 Euro für eine viertel Seite Anzeige anzudienen. Remember: „in enger Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Salem und“ dem Südgeschmier.
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Das ist natürlich nur ein … Symbolbild!
Foto: S. Hofschläger / pixelio.de

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Schwerpunkt im Universum, Wirkung im Orkus
Die vom Gewerbe in Salem bezahlte, aber für den begünstigten Verlag und mich sicher profitable „Sonderausgabe“ hat – und ich entblöde mich tatsächlich nicht, so etwas zu schreiben – „einen Schwerpunkt auf die Bereiche Wohnen, Wirtschaft und Leben in Salem“. Eine prägnantere Bezeichnung für das Universum als Ganzes ward noch nicht gefunden? Übersetzt bedeutet das: Die Sonderausgabe hat überhaupt keinen Schwerpunkt und strahlt in alle denkbaren Richtungen völlige Beliebigkeit aus. Das erhöht die Chance, dass Ihre Anzeige für schmeißteures Geld weitgehend wirkungslos verpufft.

Aber schon springe ich Ihnen mit der nächsten hanebüchenen Behauptung ins Genick: „Dieses Produkt wird sicherlich über einen längeren Zeitraum von vielen aufbewahrt und gelesen.“ Der Brüller! Wir alle kennen Sie, die Südgeschmier-Leser, welche (täglich!) die kostbaren Zeitungsseiten ehrfurchtsvoll mit Handschuhen ergreifen, sichern, einrahmen und unter Glas gelegt für kommende Generationen in hohen Regalen aufbewahren.

Aber ich bin ja ohnehin nicht bekannt dafür, eine unnatürliche Nähe zu den Realitäten des Lebens zu pflegen. Zu denen gehört nur für niedere Existenzformen die Empirie von Zeitungsseiten – ob mit oder ohne Kollektiv -, die, kaum ist die Druckerschwärze trocken, schon als Kotsammel-Unterlage im Vogelkäfig liegen oder sich schützend um die Kartoffelschalen krümmen, die in die Biotonne entsorgt werden. Wobei Kartoffelschalen und Steuerzahlen-Millionen in Ungefähr die nämliche Umgangssorgfalt in Salem erfahren.

Gerade jetzt in der Corona-Krise gibt es nichts, aber auch gar nichts, was Zeitungsverlage dringender brauchen als das Anzeigengeschäft!
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Da muss man doch helfen? Besonders ich als Bürgermeister! Denn natürlich ist es meine genuine Aufgabe als Salemer Verwaltungschef, für einen Zeitungsverlag Anzeigenkunden einzuwerben. Für diese Arbeit werde ich vom Steuerzahler bezahlt. Und von jeher habe ich die als angeblich demokratisch geltende Trennung von Wirtschaft und Politik für völlig übertrieben gehalten.

Außerdem haben wir derzeit nicht nur eine Corona-Krise, wir haben vor allem demnächst Bürgermeisterwahl in Salem! Man könnte also sagen: Für ein ohnehin hochseltenes kommunales Zeitungskollektiv war der Zeitpunkt nie günstiger?
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Weitblickende Regelungen im Redaktionsstatut von „Härle aktuell“
Solche einseitig den Bürgermeister begünstigenden Regelungen wie die im Redaktionsstatus unseres Amtsblattes „Härle aktuell“ helfen mir außerdem. Dort haben wir unter Ziffer 4g) 2017 festgelegt:

„Um  die  Chancengleichheit  bei  Wahlen  und  die  Neutralität  der  Gemeinde  Salem während  der  Vorwahlzeit  zu  gewährleisten,  sind  Veröffentlichungen  in  der  Rubrik „Aus  den  Fraktionen  des  Gemeinderats“  in  einem  Zeitraum  von 3 Monaten vor Wahlen und Abstimmungen ausgeschlossen.“
(Redaktionsstatut für das gemeindeeigene Amtsblatt der Gemeinde Salem „Salem Aktuell – Amtsblatt der Gemeinde Salem“ vom 21.02.2017)

Auch wenn diese Regelung insgesamt der aktuellen Verwaltungsrechtspraxis entspricht, ist es mir darüber hinaus gelungen, von den Restriktionen für Amtsträger (also mich), die derselben Praxis entspringen, abzulenken. Manche Gemeinderäte glauben inzwischen, sie dürften sich überhaupt nicht mehr äußern. Das ist zwar sachlich falsch, läuft mir aber ganz prima rein:

„Gemeinderatsmitglieder unterliegen nicht den Anford[e]rungen der Karenzzeit, sie dürfen sich auch in der Zeit vor den Wahlen politisch äußern. Auch Fraktionen dürfen sich in der Karenzzeit außerhalb des redaktionellen Teils des Amtsblattes politisch äußern und Öffentlichkeitsarbeit machen. Sie müssen dabei die Vorgaben für die Verwendung von Fraktionsmitteln beachten: Keine Wahlwerbung für eine Partei mit Fraktionsmitteln. (Siehe Beitrag über die Verwendung der Fraktionsmittel)“
(Bündnis90/Die Grünen – GAR: Kommunalrecht & Gremienarbeit: Karenzzeit vor Wahlen; Hervorhebg. K. B.)

Ich selber missbrauche das Amtsblatt ja schon seit Jahren für meine ganz persönliche Agenda – das zumindest behaupten Leute hier.

Und derweil die Salemer Fraktionen nun mit Maulkorb verbittert in sich hineingrimmen müssen, wende ich mich väterlich-fürsorgend an die Gewerbetreibenden, die mir bitte mit ihrem Geld einen furiosen Auftritt in der Vogelkäfig-Kackunterlage-Vorstufe verschaffen.
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Verlage sollten ihre Anzeigen-Akquisiteure pfleglich behandeln?
Ganz abgesehen davon, dass ich als erfolgreicher Gewerbeanzeigen-Akquisiteur bei dem entsprechenden Zeitungsverlag ganz prima dastehe. Meinen Sie, ich könnte meinen Einfluss dort irgendwie geltend machen? Versuch macht kluch.

Gerade im Moment laufen die durch eigenes Votum zum Schweigen gebrachten Fraktionen in bestimmten Zeitungsredaktionen Sturm gegen die verschwoberte Gemeinderatsberichterstattung (nicht nur) der jüngsten Zeit. Okay, ich gebe es ja zu: Die Kostenexplosion bei meinem Prestigeprojekt Rathausneubau im Südgeschmier als „finanzielle Punktlandung“ bezeichnen zu lassen (hier), ist eine imposante Unverschämtheit. Das wäre mir bei unabhängigem Journalismus natürlich nicht gelungen.

Und auch die Tatsache, dass diese Gemeinderatsberichterstattung zum Thema Kläranlage Salem so grandios an der Brisanz der aktuellen Lage vorbeischlurft, ist mir im Bürgermeisterwahlkampf bestimmt nicht hinderlich? Ich halte es wahlkampftaktisch nicht für angezeigt, den Salemer Bürgern vorher aufzuzeigen, wie viel Scheiße ihnen in den nächsten Jahren ins Haus stehen könnte? Das werden sie dann schon noch merken …

Es bleibt abzuwarten, wie ernst die Eide von Redakteuren zu nehmen sind, man werde mit diesem Kollektiv in Bürgermeisterwahlkampfzeit „sensibel“ umgehen und den Bühnenaufbau verweigern.

Aber Sie, liebe Salemer Gewerbetreibende, als Bühnen-Investor brauchen sich ja gar nicht erst auf solche Zusicherungen zu verlassen …

Ach, noch was: Kennen Sie ’nen guten Anwalt?
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Der einzige von dieser Redaktion auffindbare Leser eines kommunalen Kollektivs … ohne jeden sachlichen, argumentativen, faktischen oder sonstigen Bezug zu der besonderen Situation in Salem bezüglich eines Kollektivs im Juli 2020 – verdammt dicht vor der nächsten Bürgermeisterwahl!.
Foto: khv24/pixelio.de

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