TS135/20: Krauchenwies: Bürgermeister Jochen Spieß verbietet öffentliche Diskussion

Ach, die SchwäZ kommt tatsächlich doch mal aus dem Quark? Da danke ich doch recht schön, wenn ich zum Thema >größenwahnsinnige Bürgermeister gefährden die Demokratie< nicht alles allein machen muss. Allerdings muss es wohl schon so dicke kommen wie in Krauchenwies, damit die Tageszeitung sich zu leisester Kritik aufrafft …

Krauchenwies (ca. 5.000 Einwohner) liegt im Landkreis Sigmaringen und fällt damit unter die Herrschaft der Landrätin Stefanie Bürkle. Die fällt vorzüglich dadurch auf, dass sie gleichzeitig noch im Aufsichtsrat des Energieversorgers EnBW sitzt. Was hier – in meinem Landkreis – übrigens kaum jemand weiß. Immerhin ist sie dort als Landrätin nicht allein und kann sich prima mit Lothar Wölfle (Landrat Bodenseekreis), Harald Sievers (Landrat Ravensburg) und Dr. Wolf-Rüdiger Michel (Landrat Rottweil) austauschen. Der politische Filz der EnBW ist legendär!

Dieser kleine Ausflug nur zur Erklärung für den Umstand, dass die für Krauchenwies zuständige Kommunalaufsicht – das Landratsamt Sigmaringen – möglicherweise eher nicht eingreifen wird? Der herrliche SchwäZ-Artikel „Bürgermeister Jochen Spieß verbietet Gemeinderäten öffentliche Diskussion“ erwähnt jedenfalls nichts Diesbezügliches.

Wer überhaupt noch an eine funktionierende Kommunalaufsicht glaubt, dem ist an sich schon nicht mehr zu helfen?
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Spieß untersage selbst Grundsatzdiskussionen
Dabei wäre das aktuelle Thema, das den Gemeinderat in Krauchenwies beschäftigt, durchaus diskussionswürdig. Es geht um Photovoltaik-Anlagen auf der Krauchenwieser Waldhornhalle und dem Bürgerhaus in Bittelschieß. Und es geht um eine Grundsatzfrage.

Das Thema Kiesabbau in Göggingen hat der Krauchenwieser Sonnenkönig Jochen Spieß (CDU) ohnehin schon in den nichtöffentlichen Teil verschoben. Mit der Gemeindeordnung Baden-Württemberg und dem Öffentlichkeitsgebot daselbst hat Spieß offensichtlich keinen Vertrag?

Überhaupt, so der unterhaltsame SchwäZ-Bericht weiter, fallen die öffentlichen Gemeinderatssitzungen in Krauchenwies durch prägnante Kürze auf: im Schnitt eine Stunde. Dafür, so verrät ein namentlich nicht genannter Rat, würden die nichtöffentlichen Sitzungen lang und länger. Die SchwäZ zitiert einen solchen Rat, dem die Angst vor(m) Spieß offensichtlich Anonymität angeraten sein lässt: „Viele Punkte werden so ausführlich nicht-öffentlich besprochen, dass öffentlich nur noch abgestimmt werden muss“
(Quelle).

Diesen Vorgang stelle man sich einmal auf Bundesebene vor: „Andreas Scheuer hat das Parlament belogen“, sagt ein Bundestagsabgeordneter, der die Hosen so gestrichen voll hat, dass er namentlich nicht genannt werden möchte.
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Foto: Gabi Eder / pixelio.de

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Aber Krauchenwies ist eben weit weg von Berlin und noch weiter entfernt von der Demokratie. In der Gemeinderatssitzung diese Woche wollte sich der verfassungsgemäße Meinungsaustausch der Räte zum Thema der genannten Photovoltaik-Anlagen erneut Bahn brechen. Diese Diskussion soll Spieß mit der Weisung beendet haben: „Die Diskussion können Sie im Wirtshaus führen, sie hat hier nichts verloren“ (ibid.).

Der solcherart düpierte Gemeinderat und Bürgermeisterstellvertreter Anton Ruprecht (CDU) begegnet seinem undemokratischen Ratsherrn mit äußerster Nachsicht: So sei er halt!

Als einziger Verteidiger der Demokratie bleibt in diesem Zeitungsartikel Gemeinderat Helmut Hofmann (CDU) übrig, auch wenn dieser ebenfalls sehr sanft mit den Feudalherrenallüren von Spieß verfährt. Er beschreibt die Stimmung im Gemeinderat so, wie sie sich wohl die meisten SaSe-Leser inzwischen sehr gut vorstellen können:

Helmut Hofmann sieht die Situation anders. Spieß’ Reaktion findet er „schade“, wie er sagt, denn durch eine Diskussion im Gemeinderat zeige ein Gremium, dass es ein lebendiges ist. „So macht es nicht immer Spaß, manchmal denke ich, ich hätte mir meine Wortmeldung sparen können“, sagt er in Anspielung auf Spieß’ Kommentar.
Auch die Unterstützung der anderen Ratsmitglieder sei nicht immer gegeben. „Ich habe lieber Reibung im Gremium als ein bloßes Durchwinken von Tagesordnungspunkten“, betont er.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

Und wer die restlos enthirnten Leserkommentare unter dem Artikel liest, erkennt: Die Demokratie auf kommunalpolitischer Ebene im Allgemeinen und in Krauchenwies im Besonderen wird noch einen weiten Weg vor sich haben:

Josef B.
01.10.2020 (13:15 Uhr)
Man könnte meinen, als gäbe es Gemeinderäte, die sich gerne öffentlich profilieren möchten. Der Bürgermeister hat das erkannt, und behandelt die schwierigen Themen zurecht in nicht öffentlichen Sitzungen. Gut gemacht!
(Leserkommentar bei ibid.)

Hier werden Gemeinderäte, die ihr Mandat pflicht- und auftragsgemäß ausüben, als Profilneurotiker diskreditiert. G r u s e l i g ! Mit solchen Bürgern = Wählern im Rücken braucht sich kein Bürgermeister irgendwelche Hemmungen aufzuerlegen, dem Öffentlichkeitsgrundsatz und mithin unserer Verfassung bei jeder Sitzung in die Kronjuwelen zu treten.

Der CDU-Mann Spieß, 2015 ohne Gegenkandidat mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen in die dritte Amtszeit gewählt (Quelle), bleibt den Krauchenwieser Bürgern bei regulärem Verlauf noch bis 2023 erhalten.

Puuh! Ich glaube, ich habe eine neue Senfgemeinde?

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