TS145/15: Machtlos + Vulgär + Dankbar + Souverän

+++ Gerd Dudenhöffer: Satire erreicht nichts
Zum Thema „Satire und Terror“ schlägt der Kabarettist Gerd Dudenhöffer (Kunstfigur: Heinz Becker) pessimistische Töne an. Mit dem Fazit „Satire erreicht nichts“ lässt er sich im Main-Echo zitieren. Er habe verschiedene Auftritte der nächsten Tage abgesagt. Über diese Absage berichtet auch die Badische Zeitung.

Senf: Dieses nachgerade entmutigende Diktum „Satire erreicht nichts“ lässt sich vielleicht in der Außenwirkung so konstatieren oder diskutieren. Aber auch die nachfolgenden Meldungen belegen: Es geht ja nicht nur um diese Außenwirkung (also im Hinblick etwa auf die Politik), sondern darum, den Zuschauern und Satirefreunden ein Instrumentarium anzubieten, mit den vielzitierten Herausforderungen dieser Zeit fertigzuwerden. Wer bei Neo Magazin Royale oder der heute-show über deren Art der Themenbearbeitung lacht, dem geht es auf jeden Fall besser als demjenigen, der schockstarr 18 Stunden am Tag die einschlägigen Nachrichtensendungen verfolgt. Dabei schließe ich todesmutig von mir auf andere: MIR geht es damit besser! Wenn ich allein an Johann Königs Honigbär denke …


+++ Serdar Somuncu: Mit Vulgärhumor gegen Terrorangst
In einer Theaterkritik der WAZ über einen Auftritt von Serdar Somuncu in der Dortmunder Westfalenhalle gibt der Autor seiner Begeisterung darüber Ausdruck, dass der Kabarettist das Thema Terror nicht meidet: „Eigentlich gehört hinter jeden von Somuncus Sätzen aus Ausrufezeichen: Denn der Mann hat Recht!“. Wenn das Grübeln allerdings zu unangenehm werde, setze er dem dann wieder seine „platten Vulgär-Witze“ entgegen.

Senf: Ja, genau. Und an der Stelle – dem „Vulgärhumor“ – beginnt dann jeweils die SaSe-Allergie!


+++ „Der Postillon“: IS bedankt sich bei den Medien

Es fasziniert mich immer wieder, auf welche genialen Ideen Stefan Sichermann kommt, die sich auch klar von dem Satire-Mainstream abheben. Wenn es noch einen Satiriker gibt, der streng die Form (der Satire!) für seine deshalb aber trotzdem deutliche Kritik (in diesem Fall an den Medien) wahrt, dann ist das Sichermann. Vorbildlich! Aktuell mit: IS bedankt sich bei den Medien für Hilfe bei Verbreitung von Angst und Schrecken.


+++ Jan Böhmermann packt’s!
Das mit den 100 Fragen nach Paris von Jan Böhmermann waren nicht so der Burner. Aber es zeichnet den Satirequirl aus, dass er unbeirrt weitermacht. Sein imposant souveräner Umgang mit dem Terrorthema in der dieswöchigen Ausgabe von Neo Magazin Royale (Mediathek) findet in der TV-Kritik Beachtung: Verzicht auf die klassischen Stand-up-Elemente, Verzicht auf Sketche und Zerstreuung. Meedia rückt Böhmermann in die Nähe von John Oliver und Jon Stewart, möchte aber noch einen Abstand gewahrt wissen:

Mit dieser Sendung versuchte sich der Moderator an der wohl schwierigsten Disziplin, die hochklassige TV-Unterhaltung zurzeit zu bieten hat: ehrliche und intelligente politisch/moralische Wut unter dem Deckmantel des Late-Night-Entertaiment. Jon Stewart gelang mit seinem Monolog nach dem Charleston Church Shooting ein legendärer Moment dieses Genres und auch John Olivers aktueller Rant gegen die Attentäter von Paris („gigantische Arschlöcher“) legte die Latte hoch. An diese Großmeister kam Böhmermann nicht heran. Aber vielleicht kommt das noch.
(Meedia 20.11.15 Alexander Becker: Böhmermanns Bilanz der vergangenen Tage: ‚Das einzig Positive war der HIV-Test von Charlie Sheen'“)

Senf: Damit scheidet sich Böhmermann auch vom Gros der mühsamen Denkfunk-Kabarettisten, welche die oben gelobte „ehrliche und intelligente politisch/moralische Wut“ durch satirefreie Moralpredigt ersetzen.
Eine lobende TV-Kritik verdient hätte übrigens auch die heute-show am 20. November 2015 (Mediathek), in der es Oliver Welke und seinem Team ebenfalls gelang, die momentan für Satiriker äußerst anspruchsvolle „Lage“ straight, aber ohne empörungsproduktive Überdrehungen souverän zu meistern.

 

 

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