TS36/19: Salem: Offener Brief des Aktionsbündnis Grünzug an Bürgermeister Manfred Härle

Das sind sie: die goldenen Eier der Publizistik im diamantenen Osternest der Synchronizität der Ereignisse.
What?
Dann eben so: Gestern habe ich den Informationsartikel „Der Missbrauch von Amtsblättern“ freigeschaltet, um das Thema sachlich-informativ einzuführen. Nur wenige Tage zuvor hatte das Aktionsbündnis Grünzug Salem einen offenen Brief an Bürgermeister Manfred Härle geschrieben und auch auf dem Facebook-Account der Initiative veröffentlicht.
Blitzbirne, wer hier die Zusammenhänge in der Redaktionsagenda erkennt …

SaSe hatte das produktive Thema der Salemer Konflikte hier schon einmal sanft eingeführt.

Das Aktionsbündnis Grünzug Salem ist der durchaus imposante Zusammenschluss von Ortsverein BUND Salem, der Ortsgruppe Salem Badischer Landwirtschaftlicher Hauptverband (BLHV), der Initiative SaatgutBildung, des Vereins Wirundjetzt, der Grüne Offene Liste Gemeinderat Salem sowie Bündnis 90 / Die Grünen Salem Heiligenberg.

In einer gelebten Demokratie gölte allein die Repräsentativität so breiter Bevölkerungsschichten wie im Salemer Aktionsbündnis vereint, bei dem sich sogar Landwirte mit Naturschützern in ein Boot setzen, den politischen Entscheidungsträgern als ernstzunehmende Orientierung.
Na?

In ihrem gemeinsamen Brief machen die Aktivisten und die im Bündnis vertretenen Gemeinderäte dem Rathauschef sanft umschrieben den Vorwurf, das Amtsblatt zur Verbreitung seiner persönlichen Meinung zum hochstrittigen Thema Regionalplan zu missbrauchen.

Regionalplan: Das Thema besitzt globale Relevanz. Denn in Salem stoßen die sich diametral entgegengesetzten Kräfte zur künftigen Gestaltung des Landes = Globus aufeinander. Den Zusammenhang zwischen lokalen/kommunalen Entscheidungen und globalen Auswirkungen kennt man zwar nicht erst seit den weltweiten Protesten der Jugend unter dem Label  Fridays for Future, aber wie laut die Erdenuhr wirklich tickt, erkennen viele erst jetzt.

Diejenigen, die bereit sind, dieses Ticken zu hören und bei grundlegenden kommunalpolitischen Entscheidungen weitblickend zu berücksichtigen, steht die gut vernetzte, durch zahlreiche etablierte Institutionen (allerlei Verbände mit jeweils demselben Vorstandspersonal, wirtschaftliche Interessensverbände und Kammern etc.) Beharrungskräfte gegenüber. Diese sind außerdem noch mit fatalem Ansehen bei der Bevölkerung und exzellenten Verbindungen zu den maßgeblichen Entscheidungsträgern ausgestattet.
Wenn Sie jetzt bei David & Goliath angekommen sind, können Sie mir gut folgen.

Allerdings: Ein BLHV ist kein David! Als Satirikerin ist es amüsant, für Erdenbürger eher betrüblich mit anzusehen, wie die „Volkspartei“ CDU es nun ihrer kleinen Schwester SPD nachmacht. Letztgenannte hatte ihre Basisklientel spätestens mit der Agenda 2010 und Hartz IV verraten. In der Region ist die CDU nun dabei, Nämliches mit dem Landwirten zu tun. Man könnte diese Verschiebung als weiteres schrilles Alarmzeichen für die Vitalität von Demokratie UND Globus bewerten. Das tut die CDU in der Region aber nicht. Ganz offensichtlich will sie die Komfortzone des Beharrens, des Wir-ändern-nix, des nahezu schizophrenen Glaubens an unendlichen Krebs nicht aufgeben.
Die Satire dankt.

Es ist demokratische Selbstverständlichkeit, dass beide Kräfte-Bündnisse alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die Bevölkerung von ihrem Ansatz zu überzeugen. Nur sollten sie bitte auch legitim sein, die Mittel! Problematisch wird es dort, wo aus dem Repertoire derer solche zum Einsatz kommen, über die eben nur eine Seite verfügt und die für diese Zwecke gar nicht eingesetzt werden dürfen. Wie zum Beispiel ein amtliches Mitteilungsblatt.

Mit freundlicher Genehmigung des Aktionsbündnis Grünzug Salem darf SatireSenf den offenen Brief an Bürgermeister Manfred Härle veröffentlichen (grün markiert). Ein weiterer Publikationsort im Netz wird hoffentlich dessen Verbreitung befördern.

Den zentralen Satz des Briefes wünscht man sich in Stein gemeißelt und mahnend auf- und ausgestellt in der neuen Salemer Ortsmitte: „Diese Wachstumspolitik ist eine Politik des vergangenen Jahrhunderts.“

Ein Höhepunkt des offenen Briefes sind die darin an den Bürgermeister gestellten Fragen. Auf die Antworten (ja/nein: Zutreffendes bitte ankreuzen) darf man gespannt sein.

 

Offener Brief des Aktionsbündnis Grünzug Salem an Hr. Härle

Grünes Salem·Donnerstag, 18. April 2019

Mehr Infos zum Aktionsbündnis: unter https://aktionsbündnis-salem.de/

Herr Bürgermeister Härle veröffentlichte  vor kurzem seine ganz persönliche Stellungnahme zur Erweiterung des Gewerbegebietes –  sehr prominent auf der Startseite der Homepage der Gemeinde plaziert sowie auf den “Hochglanzseiten” des Amtsblattes Salem aktuell.
Zudem gab er die Stellungnahme an die Presse in Form des Südkurier, der große Teile davon veröffentlichte.
[Link zu der Südkurier-Veröffentlichung – Ergänzung von K. B.]

Die veröffentlichte Meinung ist, wie bereits gesagt, die ganz persönliche von Hr. Härle. Der Gemeinderat war nicht eingebunden, zumindest nicht in seiner Gesamtheit. Das Aktionsbündnis nimmt hiermit Stellung zu den vorgebrachten Argumenten.

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Härle,

seit geraumer Zeit nutzen Sie intensiv die Homepage der Gemeinde und das gemeindeeigene Mitteilungsblatt, um den BürgerInnen Ihre Haltung gegenüber dem Aktionsbündnis sowie Ihre Position zur Fortschreibung des Regionalplans, nahe zu bringen. In einem offenen Brief legen wir nun unsere Position dar.

Herr Härle, Sie wischen das Anliegen des Aktionsbündnisses mit der Äußerung vom Tisch, dass wir durch den Erhalt des Grünzuges jede weitere Entwicklung von Salem ausbremsen würden. Salem die Zukunft nehmen.
Es ist genau anders herum: Wir möchten für Salem eine Zukunft!

Indem Sie Ihr Ziel verfolgen, in Salem einen Schwerpunkt für Industrie und Gewerbe mit der dazugehörigen Wohnbebauung zu schaffen, sowie mit der Verlegung der Landesentwicklungsachse durch Salem, löschen Sie jedoch Salem, so wie wir es kennen und wertschätzen, aus.

Allein das Wort Landesentwicklungsachse, eine Infrastruktur- und Verkehrsachse, macht deutlich, dass hier eine Entwicklung angestoßen wird, in der Landschaftsbilderhaltung und regionale Landwirtschaft keinen Platz mehr haben. Äcker dienen allenfalls noch als Lieferant für „Gewerbefläche in absolut ebener Lage“ (Zitat aus der Homepage der Gemeinde).

Diese Wachstumspolitik ist eine Politik des vergangenen Jahrhunderts. Was tun, wenn das Wachstum an Grenzen stößt? Wo sind die zukunftsweisenden politischen Konzepte? Wenn Sie hierzu schreiben „Die Kunst ist es nun, Feinfühligkeit und Weitsicht in alle Richtungen in Einklang zu bringen.“ schaffen solche Sätze zwar eine Wohlfühlatmosphäre, die politischen Herausforderungen vor der unsere Gemeinde und unsere Region stehen, werden auf diese Weise jedoch nicht gelöst.

Wer die regionale Politik verfolgt, weiß, dass das wirtschaftliche Wachstum im gesamten Bodenseekreis an seine Grenzen stößt. Die hierfür benötigte Fläche steht nicht mehr zur freien Verfügung. Der Druck auf die Region ist enorm. Auch in Salem stehen wir, was den Vorrat an Gewebefläche anbelangt, mit dem Rücken an der Wand. Vor diesem Hintergrund kann auch die Entwicklung der Gewerbefläche in den letzten Jahren nicht als flächensparend und vorausschauend, wie in Ihrer Darstellung vermittelt, angesehen werden. Hier ist, was Parkierung, Mehrgeschossigkeit, Flächenausnutzung etc. anbelangt, eindeutig Einsparpotential verschenkt worden. Unverständlich in unserer Situation.

Welche Antwort haben der Regionalverband und Sie auf diesen Zielkonflikt? Flächen, die aus unterschiedlichen Gründen einen Schutzstatus besitzen und somit nicht bebaut werden dürften, werden nun ins Visier genommen. Ihre Schutzwürdigkeit wird aberkannt.

Auch das passiert hier bei uns in Salem: Der Regionale Grünzug soll für ein Vorranggebiet für Industrie und Gewerbe fallen. An dieser Stelle liegen wertvolle landwirtschaftliche Böden. Er dient den Orten Buggensegel, Neufrach, Mimmenhausen als Naherholungsgebiet. Er bestimmt maßgeblich das Landschaftsbild. Aber: Seinen Schutzstatus hat er in erster Linie aus Aspekten des Klimas bekommen, da er für die Durchlüftung des Salemer Tals von maßgeblicher Bedeutung ist.

Die Schutzwürdigkeit des regionalen Grünzugs ist für uns ein wesentlicher Bestandteil der geführten Diskussion. Wer aber unseren Flyer gelesen und unsere Banner gesehen hat, der weiß, dass wir uns in erster Linie dagegen wehren, Vorranggebiet für Industrie und Gewerbezu werden.

Als Vorranggebiet für Industrie und Gewerbe bekommen wir mit 28 ha die zweitgrößte Gewerbeflächenneuzuweisung im Bodenseekreis. Und das ausschließlich für die Eigenentwicklung? Hier handelt es sich um eine Gewerbeflächenentwicklung die flächenmäßig das Potential eines Interkommunalen Gewerbegebietes besitzt. Wir werden also mit dieser Zuweisung Gewerbe aus dem Umland aufnehmen müssen.

Das zusätzlich entstehende Verkehrsaufkommen durch unsere Dörfer wird gewaltig sein. Zwangsläufig wird der Ruf nach weiterem Straßenausbau mit neuer Landschaftszerstörung folgen.

Indem der Fläche die Schutzwürdigkeit genommen wird, opfert Salem seine Identität als Kultur- und Naturlandschaft für eine städtische Entwicklung. Wir nehmen unserer Gemeinde ihre Wohnqualität und schaden massiv dem Tourismus.

Dies ist für uns kein zukunftsorientiertes Handeln. Wenn Salem, so wie wir es kennen und schätzen, eine Zukunft haben soll, brauchen wir andere Pläne!

Daher unsere Fragen an Sie:

Welche verbindlichen Pläne für ein umweltgerechtes Flächenmanagement haben Sie in den letzten Jahren erarbeitet?

Auf einem begrenzten Planeten muss Wachstum an eine Grenze stoßen. Salem hat diese Grenze erreicht. Welche nachhaltigen Wirtschaftspläne haben Sie für diese Situation geschmiedet? Sie sind ja mit den Gewerbetreibenden in gutem Kontakt: Haben Sie einen Plan für die Erhaltung von Wohlstand ohne Wachstum?

Was haben Sie in der Gemeinde getan, um dem Klimawandel entgegen zu wirken?

Welchen Ersatz für eine gute Durchlüftung des Salemer Tals bieten Sie den Salemern an, wenn der Grünzug fällt? Eine Ausgleichsfläche in Ostrach wird da nicht helfen.

Wo sind die Scharen von Arbeitslosen, für die Sie hier Industrie und Gewerbe ansiedeln wollen?

Was haben Sie für die Familien vor Ort getan, die keinen bezahlbaren Wohnraum finden? Sollen da die Stadtvillen in der Neuen Mitte Abhilfe schaffen?

Was haben Sie den bäuerlichen Existenzen zu sagen, die Sie praktisch abschaffen?

Die Gesellschaft fordert heute regionale Produkte, aus möglichst nachhaltiger Produktion. Wie stellen Sie sich für die Zukunft eine regionale Versorgung mit Lebensmitteln vor? Wie wollen Sie die Fruchtbarkeit der Böden erhalten, wenn die Lebensmittel auf immer weniger Fläche produziert werden müssen?

An welchem Punkt würden Sie sagen, „bis hierher und nicht weiter“?

Was möchten Sie den Menschen sagen, die vom Tourismus in einem Erholungsort leben?

Was möchten Sie den erschöpften Stadtmenschen sagen, die dankbar in unserer Region nach Ruhe und Erholung suchen?

Das sind die Fragen, die uns heute bewegen und die Antwort darauf ist nicht: Weiter so wie bisher.

Unser Aktionsbündnis wird getragen von Menschen und Organisationen, die sich zu diesen Themen weitreichende Gedanken machen, die sich informieren und sich daran beteiligen möchten, für die Zukunft unserer Kinder und Enkel eine Welt zu gestalten, in der diese gesund und freudevoll leben können.

Wir laden Sie ein ins 21. Jahrhundert: Nutzen Sie Ihr Knowhow, Ihre Verbindungen und Ortskenntnisse um alle an einen Tisch zu bringen und wirklich zukunftsträchtige Modelle zu erarbeiten, anstatt unseren Enkeln Wirbelstürme, Dürren, Überschwemmungen, unerträgliche schwüle Hitze im Sommer, weitreichend versiegelte Gewerbeflächen und einen ungebändigten Straßenbau mit sich stauendem PKW und LKW-Verkehr zu hinterlassen.

Wir kennen vielleicht nicht jedes Gesetz und jeden Winkelzug der Regional- und Landespläne, aber gerade deswegen haben wir einen freien Kopf, um zu sehen, dass das, was jetzt geplant wird, nicht in die Zukunft führt. Sondern zur Zerstörung einer der schönsten Regionen in Deutschland.

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