TS58/16: Satirekünstler ohne Impulskontrolle und hassende Aufklärer

+++ „Collective Peng“ entschuldigt sich im Namen des BAMS
Sorry, diese Meldung ist mir durchgerutscht: Das „Künstlerkollektiv“ Peng, das zuletzt mit dem Tortenwurf auf AfD-Frontfrau Beatrix von Storch für Aufmerksam gesorgt hatte, hat wieder zugeschlagen und auf YouTube einen Clip hochgeladen, der die Agenda 2010 satirisch resümiert:

In dem Video, das durch die Verwendung des BMAS-Logos den Eindruck erweckt, von der Bundesregierung selbst produziert worden zu sein, entschuldigt sich ein vermeintlicher BMAS-Sprecher bei den „Verlierern und Verliererinnen der Agenda 2010.“ Auf deren Kosten sei der Erfolg des „Exportweltmeisters Deutschland“, der „größten Wirtschaftsmacht Europas“ begründet. Dafür wolle man sich nun entschuldigen. Als Dankeschön, so verspricht der angebliche BMAS-Angestellte, würden „Betroffene der Agenda 2010“ eine Karte des amtierenden Bundespräsidenten, Joachim Gauck, erhalten.
(Vorwärts 27.04.16: „Agenda 2010: Ministerium lässt ‚Collectiv Peng‘-Satire abblitzen„)

Das Corpus delicti:

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Zu der Aktion gibt es eine eigene Webseite: Deutschland-sagt-sorry.

Das betroffene Ministerium reagiere gelassen, bericht Vorwärts, verweise aber auf juristische Problemzonen – etwa durch die Verwendung des offiziellen Logos des Bundesministeriums. Die Satirefreiheit in Deutschland werde bekräftigt, jedoch darauf verwiesen, dass diese auch als solche erkennbar sein müsse. Deshalb habe man die Satiriker gebeten, diesen Satirecharakter auf der Webseite entsprechend kenntlich zu machen.
Dieser Aufforderung sind die Künstler offensichtlich gefolgt, denn das Impressum auf der Homepage zur Aktion nennt (jetzt) die „Populistinnen“ von „Peng e. V.“ als Verantwortliche.
Berichte auch bei Zeit online Blog + Blogrebellen +  Jetzt + Sputnik.news + Badische Zeitung + WDR et al.

Senf: Ausgegoren und abschließend durchdacht sind die Aktionen dieser Künstler nicht, wie jetzt leider schon wiederholt festzustellen war. Das mit dem gefälschten Impressum im vorliegenden ist/war eine klare Rechtsverletzung, die dem professionellen Satiriker nicht passiert und die Gesamtaktion unnötig schwächt. Auch die Tortenwurfaktion als – im Kern – eine Gewaltaktion war durchaus umstritten und wurde substanziell kritisiert.
Das ganzheitliche Glaubwürdigkeitsdefizit von Peng erkennt man auch daran, dass die Künstler auf der genannten Webseite ausdrücklich zur Unterstützung der mit vielen offenen Fragen belasteten Spendenakquise-Aktion Sanktionsfrei aufrufen (die Kritik daran gern auch: hier), deren Verantwortliche kritische Fragen nicht beantworten und auch darüber hinaus mit einigen Undurchsichtigkeiten belastet sind. Allein aus der offensichtlichen Tatsache, dass Hartz-IV-Sanktionen als menschenverachtend, dreckig, willkürlich und schikanös zu bewerten sind, sind die Gegenaktionen noch nicht per se legitimiert – schon gar nicht, wenn sie so windig daherkommen wie diese.


+++ Jürgen Troissner verlässt Satire-Partei
Der nicht mehr witzige Streit in der Satire-Partei DIE PARTEI in Hessen hat jetzt ein unsatirisches Ende gefunden: Jürgen Troissner, bislang stellvertretender Kreis-Vorsitzender, der durch die avisierte „Römer-Fraktion“ mit den Piraten und dem umstrittenen Thomas Schmitt von den Freien Wählern für satirefreien Ärger gesorgt hatte, sei aus DIE PARTEI ausgetreten. Es berichtet: Frankfurter Rundschau.


+++ Serdar Somuncu im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“
Von Öffentlichkeitsarbeit versteht er etwas, der „Denkfunker“ Serdar Somuncu. Ständig positioniert sich der „Hassist“ in den Schlagzeilen. Jetzt hat ihn die Frankfurter Rundschau interviewt. Die Einleitung darf man sich auf der Zunge zergehen lassen: „Er hasst und beleidigt so ziemlich jeden und alles.“ Das Gespräch gibt einige biografische Details preis. Ein weiteres Thema: Zensur in Deutschland. Und Somuncu gibt offen zu, mit einem „Aufklärungsauftrag“ unterwegs zu sein.
Senf: Und das merkt man dann leider auch – mit ekelerregender Pentranz! Natürlich ist jeder Satiriker im Kern ein „Aufklärer“, ein Idealist. Was ihn von dem mit der Keule arbeitenden Missionar unterscheidet, das ist die Tatsache, dass er diesen Auftrag durch die virtuose Verwendung satirischer Mittel vergessen zu machen sucht! An Somuncu, dessen egomane Selbstinszenierung schlicht degoutant ist, ist nichts subtil und noch weniger virtuos. Damit passt er in die Zeit, was vermutlich sein Erfolgsrezept ist.


+++ „SaSe“ verweigert sich dem Hype um die Strafanzeigen gegen „heute show“
Sorry, aber den nächsten Hype aus der Rubrik <Strafanzeige gegen Satire> macht dieser Blog nicht mehr mit. Ich könnte jetzt in anbiedernder Fleißarbeit Dutzende Links zur Berichterstattung über die Strafanzeigen gegen die heute show wegen des Hakenkreuzschnitzels zusammentragen. Geschenkt! Damit folge ich auch einer Erkenntnis der taz, die schreibt:

Nun könnte man einwenden, dass so eine Anzeige offenkundiger Unsinn ist, weil der Schnitzel-Scherz alles Mögliche sein mag, aber ganz sicher nicht justitiabel. Doch das wäre ungerecht. Denn keine Klage im Zusammenhang mit Satire ist bescheuert genug, als dass die Medien sich nicht umgehend ganz aufgeregt darauf stürzen wie ein Piranha-Schwarm auf ein blutiges Stückchen Fleisch im Wasser.
(taz 28.04.16: „Anzeige gegen ‚heute-Show‘: Leberwurst in Schnitzelform“; Hervorhebg. SaSe)

Genial allerdings war der Kniekehlentritt von Oliver Welke in der heute show vom 29. April 2016 (Mediathek) gegen den eigenen Sender. Ein neues Schmähgedicht von Gernot Hassknecht (Hans-Joachim Heist) wurde angekündigt und dann gezielt nicht gesendet – mit der Einblendung, dass dieses den Qualitätsansprüchen des ZDF an Satire nicht genüge. Das war ein Seitenhieb auf die ZDF-Erklärung zur Löschung des Böhmermann-Schmähgedichts in der Mediathek.

In der FAZ findet sich eine lesenswerte Synopse der aktuellen Entwicklungen in der Satire-Zunft rund um zahlreiche Anzeigen und Aufreger.


+++ Aber: Christine Prayon alias Birte Schneider liest ausgewählte Hass-Kommentare
Die SaSe-Lieblingskabarettistin Christine Prayon, die (wie auch Hassknecht-Heist) nur unter ihrem Alias-Namen „Birte Schneider“ in die Schlagzeilen genommen wird, liest die übelsten Hass-Kommentare in der Nazi-Schnitzel-Affäre der heute show!


+++ Horst Evers, der „augenzwinkernde Feingeist“

Weil mir meine Mäkelei wegen des mangelnden Satirepotentials  des Sci-Fi-Romans Alles außer irdisch aufgrund der grundsätzlichen Sympathie für den Autor ein wenig schwergefallen ist, hier kompensatorisch eine recht rühmliche Theaterkritik des Kabarettisten in der Frankfurter Rundschau. Dort wird er als „augenzwinkernder Feingeist und Beobachter des Alltags“ bezeichnet.

 

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