TS103/19: Überlingen: Gewerbegebiet statt Grünzug

Das war’s dann mit dem geschützten Grünzug“ titelt ein Bericht der Fraktion Bürger für Überlingen (BÜB+) aus der letzten Gemeinderatssitzung. Und wieder geht es um den ohnehin hoch umstrittenen Regionalplan Bodensee-Oberschwaben (siehe dazu auch hier, hier und hier). Nach dessen Fortschreibung sollen 20 Hektar eines bisher geschützten Grünzuges  nördlich des Überlinger Ortsteils Andelshofen als „interkommunales Gewerbegebiet“ ausgewiesen werden. Dagegen hatte sich die BÜB+ mit einem solide begründeten Antrag gewandt:

Im Überlinger ISEK Gutachten werden keine dringenden Notwendigkeiten für umfangreiche neue Gewerbeflächen erkannt. Zudem haben wir aktuell Oberried V , nach der beantragten Verlagerung hinter La Piazza die aktuelle Fläche des ALDI Marktes, möglicherweise bald auch Flächen im Bereich der MTU zur Verfügung. Für eine Versorgung einheimischer Betriebe erscheint das vollkommen ausreichend.
(Blog Bürger für Überlingen BÜB+ 11.10.2019: „Das war’s dann mit dem geschützten Grünzug“)

Die BÜB+-Stadträte bilanzieren auch die verstörenden Flächenzuweisungen, wie sie der Regionalplan Bodensee-Oberschwaben in der jetzt vorgelegten Version insgesamt vorsieht:

Laut Planentwurf sollen bis 2035 in den Kreisen FN, RV, und SIG
1.100 ha neue Wohnbauflächen,  1.000 ha Gewerbeflächen,  300 ha Straßen und  500 ha für Rohstoffabbau entstehen.
In der Summe sind dies 2.900 ha, die der Landwirtschaft entzogen werden oder umgerechnet die Fläche von ca. 70 durchschnittlichen Landwirtschaftsbetrieben, die überbaut werden können. Man kann es auch so sagen: Fast die 7-fache Fläche der Insel Reichenau soll in den kommenden 15 Jahren versiegelt oder zumindest der Natur entzogen werden.
(ibid.; Hervorhebg. K. B.)

Der BÜB+-Antrag wurde mit allen Stimmen der CDU, SPD, FDP, drei Stimmen der ÜfA/Freie Wähler und einer Stimme der LBU/Grünen abgelehnt.

Wo sind eigentlich die Fridays-for-Future-Kids bei solchen wichtigen Gemeinderatsentscheidungen? Nicht in Berlin und in den Parteizentralen werden JETZT und HEUTE unwiederbringlich Weichen gestellt. Auf kommunaler Ebene fallen wöchentlich und im legitimen Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung weitreichende Entscheidungen, denen man nicht mehr anmerkt, dass es überhaupt eine Klimawandeldiskussion gibt.

Der Wendekreis des Wachstumtankers könnte größer sein als das verbleibende Zeitfenster des Planeten.

Im Übrigen lässt sich fragen, warum Entscheider überhaupt erst Grünzüge ausweisen, die dann doch wieder der Wachstumsideologie geopfert werden.

Nebenbei erkennt man an dieser Entscheidung die weitreichende Bedeutung des Status „Klimanotstand“, wie ihn die Stadt Konstanz so medienwirksam im Mai 2019 ausgerufen hat.  Mit einer kommunalen Zielvorgabe, „alle Kräfte aus Politik und Bevölkerung zu bündeln, um gemeinsam sofortige und entschlossene Anstrengungen zum Klimaschutz zu leisten“, sind Entscheidungen wie die aktuelle in Überlingen schwer denkbar.

Aber die Mehrheitsverhältnisse dort sind, wie auch der Südkurier berichtet, andere. Das gilt es zu respektieren. Und sie kennzeichnen das Aufgabenfeld für Planetenbewahrer: den kritischen Diskurs.

In einem Kommentar zu dem Streitthema konstatiert der SüdkurierMitarbeiter Hanspeter Walter, selbst der Protest aus Andelshofen käme inzwischen auf Samtpfoten daher. Irritierend sind Perspektive und Argumente, die er in seinem Kommentar benutzt: Es sind die der Stadtverwaltung. Wenig überraschend bewertet er die getroffene Gemeinderatsentscheidung als „klug“. Und der Südkurier-Mann appelliert an die Stadt, „extrem sparsam mit den verfügbaren Ressourcen umzugehen“.

Dann kann ja nichts mehr schiefgehen.

Wer auf den Seiten der CDU Überlingen oder der SPD Überlingen nach Informationen zu diesem wichtigen lokalen Thema oder gar nach Argumenten für die getroffene Entscheidung sucht, der sucht vergebens! Zum Troste kann ich bei der SPD aber anbieten: „Keine Kompromisse beim Klimapaket“.

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